Ist es ein Rückfall in alte Zeiten? Das kuriose Spiel der TSG Hoffenheim gegen den VfB Stuttgart erinnert an vergangene Zeiten, als die Kraichgauer auch Phasen hatten, in denen sie größere Abschnitte eines Spieles dominierten und dann aus unerklärlichen Gründen den Faden verloren und am Ende mit leeren Händen dastanden. Auf unsere Nachfrage bei der Pressekonferenz nach dem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart (2:2), warum die Leistung seiner Mannschaft zuletzt gegen Union Berlin und drei Tage später gegen Stuttgart auffallend deutlich in der 2. Halbzeit abfiel, sagte Hoffenheims Trainer André Breitenreiter zur fehlenden Konstanz: „Wir sind wieder sehr gut reingekommen, man hat deutlich gespürt, wie sehr die Mannschaft sich vorgenommen hat, dieses Spiel für sich zu entscheiden. Der taktische Plan ist voll aufgegangen, das war richtig gut. Bis wir einen leichten Ballverlust haben und das 1:1 aus dem Nichts kassieren. Momentan führt das zu einer Verunsicherung.“
Verlieren verboten – Das Wort „Abstiegskampf“ wird gemieden
Saisonziel muss revidiert werden
Das Saisonziel rückt nach zuletzt nur einem Sieg aus den vergangenen elf Bundesligapartien immer weiter aus dem Blickwinkel. Ein 13. Platz zur Saisonhälfte mit einem äußerst dünnen Polster zu den Abstiegsrängen bereitet so manchem Hoffe-Fan Sorgen und Ängste. „Ich weiß nicht, ob unsere Mannschaft in der Lage ist, Abstiegskampf anzunehmen. Da sind besondere Tugenden gefragt“, sagte Hoffe-Fan Bernd Z. aus Weiler nachdenklich und zugleich besorgt. Statt der im Sommer ausgerufenen Aufbruchstimmung macht sich Unbehagen und Missstimmung breit. Das Wort Abstiegskampf soll tunlichst vermieden werden.
Nicht an der unteren Region orientieren
Erstmals wurde Alexander Rosen, Hoffenheims Direktor Profifußball, nach der 1:2-Heimniederlage gegen den VfL Wolfsburg am 12. November vor der WM-Pause auf das geringe Punktepolster zur Kellerregion von einem Kollegen der Heilbronner Stimme konfrontiert. Rosen reagiert mit Unverständnis und leicht genervt, verwies auf einen qualitativ gut bestückten Kader und auf unglückliche Umstände, die einige Punkte bis dahin kosteten. Man werde die unteren Regionen zwar nicht aus den Augen verlieren, aber sich nicht danach orientieren sondern angreifen und versuchen ins obere Drittel vorzustoßen, war der damalige Tenor.
"Müssen sehr wachsam sein"
Auch zum Auftakt 2023 nach der zweiten Niederlage innerhalb von drei Tagen sieht man sich nach 17 Spieltagen nicht in Gefahr. "Wir haben zu wenig Punkte geholt für die gezeigten Leistungen. Wir sind nicht blind, wir müssen sehr wachsam sein, aber am Ende entscheiden wir das ganz alleine", notierte es Trainer Breitenreiter den Journalisten in die Notizzettel. Rekordspieler Sebastian Rudy wollte nichts von Abstiegskampf hören: "So weit sind wir noch nicht. Klar stehen wir nicht gut in der Tabelle, das wissen wir, aber jetzt ist die Hinrunde vorbei.“ Dafür appellierte der Ex-Nationalspieler an seine Mitspieler: „Wir müssen eine Schippe drauflegen, das weiß jeder, wir brauchen Punkte. Gegen Mönchengladbach am Samstag wären diese sehr wichtig.“
Alles daransetzen, um nicht reinzurutschen
Ein nachdenklich wirkender Torhüter Oliver Baumann sagte anschließend an gleicher Stelle mit ruhiger und überlegter Stimme: "Ich nehme jetzt nach der Halbserie dieses Wort noch nicht in den Mund, weil ich mich dagegen sträube, aber wir müssen aufpassen. Es ist hauchdünn, wir müssen alles daransetzen, damit wir nicht komplett reinrutschen. Wir sind unten drin". Der TSG-Kapitän bei der Ursachenforschung: „Seit einiger Zeit schaffen wir es einfach nicht, stabil aufzutreten, hart in entsprechenden Situationen zu sein. Ich weiß nicht, warum wir gerade da nicht hinkommen, aber das müssen wir schnell wieder."
Verlieren verboten
Am besten gleich am Samstag im zweiten aufeinanderfolgenden Heimspiel gegen die Gladbacher Fohlen. Hier sind die Nordbadener zum Siegen quasi verdammt, denn eine weitere Niederlage wäre gegenüber den Fans schwer vermittelbar und würde die tabellarische Situation zunehmend verschlechtern. Der nächste Bundesliga-Heimsieg seit dem 4:1-Erfolg am 12. Oktober gegen den FSV Mainz ist längst überfällig. Fanclubmitglied Reiner S. aus Dühren ist zuversichtlich: "Ich hoffe die Mannschaft zeigt jetzt eine Trotzreaktion. Dafür müssen sie aber noch eine gewaltige Schippe drauflegen. Gegen Gladbach haben wir zu Hause immer gut ausgesehen - warum nicht auch dieses Mal."
Das Vertrauen der Fans ist (noch) da
Die Jungs in der Südkurve stehen voll und ganz hinter der Mannschaft. Es ist schon bemerkenswert, wie sich die Stimmung in dieser Saison trotz des bislang enttäuschenden Abschneidens zum Positiven entwickelt hat. Die Spieler spüren dies und verweisen bei jeder Gelegenheit auf diesen positiven, wichtigen Rückhalt. Dieser drückte sich zuletzt vor allem dadurch aus, dass vor, während und nach dem baden-württembergischen Derby zumindest das Minimalste von den Profis gefordert wurde: "Wir wollen euch kämpfen sehen!", schallte es vom blau-weißen Fan-Chor. Eine deutliche Botschaft an die Mannschaft, von der man dies eigentlich erwarten sollte.
Fotos: Kraichgaufoto