Die Schuld nur beim Trainer zu suchen, wäre zu einfach

Auch die Mannschaft sollte sich hinterfragen

Die Talfahrt der TSG Hoffenheim nimmt kein Ende. Die Kraichgauer stecken nach der 2:5-Auswärtspleite in Bochum tief im Abstiegskampf. Mit 19 Zählern ist die TSG auf Platz 14 punktgleich mit dem Fünfzehnten Bochum und kann sogar am Sonntag vom Sechzehnten Stuttgart bei einem Heimsieg über Bremen überholt werden. Hoffenheim im freien Fall! Was ist bloß los mit dieser Truppe, die am 10. Spieltag noch auf Champions League-Platz 4 stand und unter dem neuen Trainer André Breitenreiter mit tollem Offensivfußball begeisterte?

Am Trainer alleine liegt es nicht

Die Gründe sind vielseitig, schwer analysierbar und doch offenkundig. Natürlich wird – wie allgemein üblich im Profigeschäft – zuallererst der Negativlauf am Trainer festgemacht. Er steht vor der Mannschaft, gibt die Herangehensweise und Taktik vor und trägt die Hauptverantwortung bei Erfolg und Misserfolg. Trainer André Breitenreiter, der zu Saisonbeginn vom Schweizer Meister FC Zürich zur TSG kam, wollte eine neue Aufbruchstimmung erzeugen, die Fans wieder mehr ins Boot nehmen und ihnen begeisternden und erfolgreichen Fußball, ganz nach den hochgesteckten Zielen der Vereinsoberen, bieten.

Manager Rosen sprach nach dem Abpfiff deutliche Worte in Richtung Mannschaft

Die Spieler stehen in der Pflicht

Was anfangs ganz gut lief, ist inzwischen nach etwas mehr als der Hälfte der Saison eine erschreckende Vorstellung und Darbietung, was die hochdotierten Profis in den kurzen Hosen Woche für Woche abliefern. Die ganze Misere für den sportlichen Leistungsabfall jetzt auf den Schultern des Trainers abzuladen, wäre zu einfach und schlichtweg falsch sowie nicht zielführend. Vielmehr sollten sich die Spieler selbst einmal hinterfragen, ob sie das, was sie von Spiel zu Spiel abliefern, wirklich erstligareif ist. Es mangelt bei vielen nicht nur im spielerischen sondern vielmehr auch im mentalen Bereich. Der Leistungsabfall in Bochum war nicht akzeptabel. Bei der Mannschaft war vor allem in der ersten Hälfte kein Aufbäumen, kein Biss und Einsatz erkennbar. Vielmehr wurde die allgemeine Verunsicherung von den leidenschaftlich kämpfenden Bochumern schonungslos aufgezeigt.

"Zeigen ein Champions-League-Gesicht und Absteiger-Gesicht"

Nach dem Abpfiff in Bochum sprach Alexander Rosen, Hoffenheims Direktor Profifußball, im Sky-Interview mit Ulli Potofski Klartext. „Die Fragen nach dem Trainer müssen gestellt werden. Die Ergebnisse geben uns allen keine Argumente mehr, da sage ich ausdrücklich „uns allen“. Wir werden natürlich mit allen Beteiligten sprechen. Hier gibt es keine grundsätzliche Frage, ob der Trainer seinen Job kann." Für Rosen ist die aktuelle Situation keine Eintagsfliege: "Wir waren am 10. Spieltag auf Platz 4, acht Monate davor waren wir mit Sebastian Hoeneß am 25. Spieltag auf Platz 4. Diesen Topplatz kriegt man nicht geschenkt, einen derartigen Absturz hinzulegen, dafür muss es Gründe geben. Wir zeigen ein Champions-League-Gesicht - das sicher nicht der Wahrheit entspricht, aber es entsprach dem Tabellenplatz. Jetzt zeigen wir ein Absteiger-Gesicht, das auch nicht der Wahrheit entspricht, aber dem Tabellenplatz der letzten neun Spieltage."

"Vielleicht müssen wir alles hinterfragen"

Der TSG-Manager bemängelt die Einstellung der Spieler: "Irgendwo dazwischen muss es Wahrheiten und Antworten geben. Vielleicht müssen wir alles hinterfragen. Die Art und Weise wie wir die Gegentore kassieren, ist indiskutabel. Kein Spieler ist in der Nähe des Torschützen, es liegt nicht an der taktischen Ausrichtung, sondern an der Einstellung. Dieser Gegner hat uns durchweg klargemacht, wie man solche Situationen verteidigt – mit Kampf, Leidenschaft und Geschlossenheit.“

Kapitän Baumann sieht einen großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis

Qualität ist vorhanden

An der Qualität des vorhandenen Spielerkaders kann es nicht liegen, dieser ist ausgeglichen und auf verschiedenen Positionen doppelt besetzt. Die Gründe liegen in der Einstellung und Herangehensweise jedes Einzelnen. Torhüter Oliver Baumann stellt sich als einer der wenigen regelmäßig nach dem Spiel den Medien Rede und Antwort, auch wenn man es von ihm als Kapitän erwarten kann. Doch dies war in Hoffenheim in der Vergangenheit nicht immer selbstverständlich.

"Das reicht nicht, das ist zu wenig"

Hoffenheims Nummer 1: „Wir waren aus unerklärlichen Gründen die gesamte Partie nicht da. Wir reden die ganze Woche, sprechen über alles – und dann haben wir ein solches Zweikampfverhalten. Das reicht nicht, das ist zu wenig. Wir sind fast nur am Verlieren. Das geht mir auf den Sack und das das müssen wir abstellen. Wenn ich sehe, wie unsere Gegner um die Bälle kämpfen – bei uns gibt es einen Querpass und der Ball ist drin.“ Baumann sieht einen großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis: „Wir kommunizieren in der Vorbereitung auf die Spiele viel, wir schauen auf die Situationen, aber es kommt einfach zu wenig. Wir haben im Trainingslager alles angesprochen und an allen Themen gearbeitet – und auf einmal ist alles komplett weg. Wir bekommen es nicht auf den Platz.“ Für den 32-Jährigen muss sich schnellstens etwas ändern: „Wir sind in der Verantwortung, es geht um uns auf dem Platz. Wir müssen uns in allen Feldern deutlich steigern und zwar schleunigst. Dieser Negativlauf muss endlich gestoppt werden. Ich habe keine Erklärung für unsere Leistung.“

Mangel an der Einsatzbereitschaft

Auch Hoffenheims Rekordspieler Sebastian Rudy sucht nach Lösungsansätzen: „Ich weiß nicht, was wir hier gemacht haben. Wir schenken die Tore her, wir verlieren die Zweikämpfe und versauen uns so unsere Spiele.“ Dabei nimmt der ehemalige Nationalspieler Trainer Breitenreiten aus der Schusslinie: „Es ist ganz klar, dass es nicht an der Taktik liegt, sondern an der Einsatzbereitschaft, die wir in jeder Minute des Spiels auf den Platz bringen müssen. Das habe ich von uns heute sehr vermisst. Wenn man sieht, wie wir in die Saison gestartet sind, muss man klar sagen, dass es an uns liegt, da kann der Trainer nichts für.“

Wie lange manchen die Fans das noch mit?

Geredet wird Woche für Woche reichlich. Es wird versucht sich Mut zu machen, verspricht aus den Fehlern die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Man glaubt an Besserung und sich dem Ernst der Lage bewusst zu sein. Die Ergebnisse sagen jedoch etwas anderes. Die Frage stellt sich, wie lange machen die Fans das noch mit? Wie lange tolerieren sie Leistungen wie zuletzt in Bochum. Bisher forderten sie von der Mannschaft nur „Wir wollen Euch kämpfen sehen!“, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit in der Bundesliga sein sollte. Sollte gegen Leverkusen am nächsten Spieltag nicht eine deutliche Steigerung erkennbar sein und die Talfahrt endlich gestoppt werden, gehen die Hoffenheimer ganz schweren Zeiten entgegen. Es ist davon auszugehen, dass Trainer Breitenreiter gegen das Bayer-Team nochmals eine Chance bekommt. Bei der sechsten Niederlage in Folge dürfte er jedoch wohl kaum noch zu halten sein. Der Trainer ist austauschbar, die Mannschaft nicht!

Fotos: Kraichgaufoto

Rekordspieler Rudy

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