Nach glücklichem 3:2 Auswärtssieg eilt 1899 in großen Schritten Richtung Klassenerhalt – Erster Sieg im zwölften Versuch
Welch ein Jubel, welch eine Erleichterung. 1899 Hoffenheim feiert nach 93 spannenden, dramatischen Spielminuten den ersten Bundesligasieg über Bayer 04 Leverkusen. Mit 32 Punkten auf Tabellenplatz zehn haben die Kraichgauer einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt getan.
Trainer Markus Gisdol vor der Partie mit Aufstellungssorgen. Torhüter Koen Casteels musste aufgrund eines entzündeten Insektenstichs passen, Sven Schipplock plagten Oberschenkelprobleme und Niklas Süle bekam einen Schlag auf die Ferse.
Nach verhaltenem Beginn der erste Aufreger nach gut einer Viertelstunde. Nach einem Handspiel des Leverkuseners Roberto Hilbert kurz vor der Strafraumgrenze entschied Schiri Dr. Jochen Drees auf Strafstoss. Sejad Salihovic ließ sich die Führungschance nicht entgehen. Die Art und Weise, wie er den Elfer verwandelte, grenzte schon sehr an gnadenlose Frechheit und Arroganz. Er lupfte die Kugel butterweich in die Tormitte, Torhüter Leno, der zuletzt fünf von sechs Strafstössen hielt, war machtlos.
1899 weiter sehr konzentriert und bissig, suchte die Zweikämpfe und brachte Leverkusen, das bei viel Ballbesitz wenige Torchancen hatte, immer wieder in unangenehme Situationen.
Die rheinländer, die in der Rückrunde bislang überhaupt nicht in die Gänge kamen, von ihrem in der Vorrunde zelebrierten Angriffsfußball mit selbstsicheren Spiel in die Spitze meilenweit entfernt waren, nun stark verunsichert mit vielen Fehlpässen. Die Gäste standen sicher, machten die Räume eng und versuchten nur gelegentlich mit Kontern Nagelstiche zu setzen.
Der Unterhaltungswert in der ersten Hälfte äußerst sparsam, wenig berauschendes. Nennenswerte Torchancen auf beiden Seiten blieben Mangelware.
Leverkusen nur gefährlich nach Standards und hohen Bällen. Der erste ansehnliche, gefährliche Angriff der Gastgeber über links führte zum Ausgleich. Stefan Kießling köpfte eine Flanke von Spahic unhaltbar ins lange Eck. Vier Gegenspieler ließen ihn dabei gewähren. Der erhoffte Befreiungsschlag, die Wende im Spiel blieb aus. Keine 87 Sekunden später brachte Kevin Volland die TSG erneut in Führung. Nach Steilvorlage von Roberto Firmino an der Mittellinie sprintete der Allgäuer los, versetzte Gegenspieler Guardado und schlenzte von der Strafraumlinie halbrechter Position über Leno gefühlvoll ins lange Ecke. Ein wunderschöner Treffer des U21-Nationalstürmers, der meist nur durch Foulspiel zu bremsen war. Große Begeisterung auf den Rängen unter den 300 mitgereisten Hoffe-Fans, die nun bis zur Pause tonangebend waren. Die erste Hälfte war geprägt von vielen Unterbrechungen, belegt durch 21 Fouls, drei Torschüssen, die allesamt im Netz landeten.
Die Gastgeber im zweiten Abschnitt entschlossener, bemühter in ihren Aktionen. Nachdem Kießling in der 52. Minuten noch übers Tor köpfte, fiel zwei Minuten später der verdiente Ausgleich. Vorausgegangen war ein 20 Meter Freistossknaller von Castro, den Grahl nur abklatschen konnte, der Ball bei Bender landete, dieser per Hacke Rolfes bedient und der aus kurzer Entfernung abstaubte. Die Partie schien sich nun zu Gunsten von Bayer zu wenden, viel zu harmlos und selten die Offensivbemühungen der Gäste. Glück, als Grahl in der 57. Minute reflexartige einen Kopfball von Toprak über die Querlatte lenkte. Hoffenheims erste und lange Zeit einzige Torchance der zweiten Hälfte war ein Distanzschuss von Salihovic.
Nach einer Stunde wurde die Partie etwas offener, die Nordbadener etwas mutiger nach vorn. Die Chancenverteilung jedoch deutlich für Leverkusen, das in einem intensiv geführten Spiel das effektivere Team war. Der eingewechselte Eren Derdiyok, eine Hoffenheimer Leihgabe, hatte in der 76. Minute Pech, als sein Kopfball aus fünf Meter knapp das Tor verfehlte. Die Kraichgauer versuchten weiter mit allen Mitteln den Punkt über die Zeit zu retten, mehr schien an diesem Tag, trotz oftmals umständlich und verunsichert wirkende Gastgeber, nicht zu gehen. Die zweite Gästechance bot sich dem eingewechselten Tarik Elyounoussi, der aus kurzer Distanz, nach schöner Vorarbeit von Fabian Johnson an Leno scheiterte. Fast im Gegenzug vergab Derdiyok freistehend aus zwölf Metern die große Chance zum Siegtreffer. Dieser fiel völlig überraschend und unerwartet auf der anderen Seite. Der bis dahin glücklose, oftmals umständlich, steif agierende Anthony Modeste verwertete per Direktabnahme eine Hereingabe von Johnson von der rechten Angriffseite aus acht Metern zum 3:2 Siegtreffer. Im Torjubel überprüfte der Franzose dabei noch die Standfestigkeit des Tornetzes in Anspielung des ominösen Phantom-Tors aus dem Hinspiel. Eine Geste mit Symbolcharakter, die zeigen sollte, dass man sich für das skandalöse 1:2 aus dem Hinspiel revanchieren wolle.
In der dramatischen Schlussphase mit Dauerbelagerungszustand, bewahrte der fehlerlose Grahl sein Team noch vor dem Ausgleich.
Als Schiri Drees in der 93. Minute abpfiff lagen sich die Hoffenheimer Spieler und auch das Trainerteam überglücklich in den Armen. Man spürte die große Erleichterung und Genugtuung, die dieser erste Sieg in zwölften Versuch über den bisherigen Angstgegner auslöste.
Ausgleichende Gerechtigkeit: Nach dem Phantom-Tor im Hinspiel bekommt Hoffenheim beim 2:3 in Leverkusen einen Phantom-Elfer zugesprochen. Modeste entscheidet mit seinem Last-Minute-Tor das Spiel
Nach fünf erfolglosen Versuchen nun der erste Auswärts-Dreier. Durch den achten Saisonsieg belegt Hoffenheim mit 32 Punkten den weiterhin Platz zehn. Der Abstand zum Relegationsplatz ist auf neun Zähler angestiegen. Das ausgerufene Ziel von einer sorgenfreien Saison rückt greifbar nahe.
Das glückloses Leverkusen, das zuletzt sieben der letzten neun Heimspiele verlor, befindet sich weiter in der sportlichen Krise. Der ausgerufene Pflichtsieg gegen Hoffenheim schien die Mannschaft zu lähmen.
Salihovic, dem nur noch ein Bundesligatreffer fehlt, um den bislang erfolgreichsten TSG-Schützen Vedad Ibisevic mit 43 Toren abzulösen, nach der Partie: „In der Vergangenheit haben wir zu oft eine Führung verspielt. Heute haben wir es besser gemacht, sind hinten besser gestanden, haben die Räume eng gemacht. Wer letztendlich drei Tore schießt und nur zwei bekommt, kann sich als verdienter Sieger fühlen. Dieser Sieg bedeutet viel für das Selbstbewusstsein vor dem nächsten Heimspiel am Mittwoch gegen Hannover.“
Fotos: Kraichgaufoto