1899 Hoffenheim in einer momentan beängstigenden Situation

Zur Lage der TSG

Ungemütlich wird es zu dieser Jahreszeit – nasskalt, frostig, früh dunkel. Das ganze schlägt aufs Gemüt, auf die Stimmung in den letzten Wochen eines ohnehin teils besorgniserregenden, turbulenten und außergewöhnlichen Jahres. Flüchtlingskrise, Terrorgefahr, politisches Unverständnis, (FIFA-) Skandale und reichlich Negativschlagzeilen bestimmen unseren Alltag. In der öffentlichen Berichterstattung sind die schönen Dinge des Lebens in den Hintergrund getreten, dafür die aktuelle, weniger erfreuliche Lage verstärkt in den Vordergrund gerückt.

Im Sport ist das nicht anders. Negative Schlagzeilen lassen sich eben besser vermarkten. Über den meisten Berichten ist eine inhaltlich negative, in dicken, fetten Buchstaben positionierte Überschrift. Bei der sportlichen Berichterstattung über das Erstligateam der TSG 1899 Hoffenheim ist dies seit einiger Zeit nicht anders. Es fällt schwer in der aktuell schwierigen Situation, in der sich die Kraichgauer-Bundesliga-Fußballer nun mal befinden, etwas außergewöhnlich Schönes und erfreuliches zu berichten.

Negativschlagzeilen überwiegen aufgrund der gezeigten Leistungen

Die Fakten sind dermaßen deutlich, dass sich das Wort „Krise“ nicht anders umschreiben lässt. Peinliches Pokal-Aus in Runde eins, letzter Tabellenplatz, noch kein Heimsieg, nur ein (glücklicher) Auswärtserfolg, kein erkennbares Aufbäumen, fehlender Wille und Einsatz. Die Talfahrt setzt sich Woche für Woche fort, die TSG stürzt immer tiefer. Daran hat bislang auch der Trainerwechsel von Markus Gisdol zu Huub Stevens nichts bewirkt. Die neuerliche 0:1 Niederlage in Berlin offenbarte, dass es im spielerischen wie kämpferischen Bereich gewaltig mangelt. Eine derart unterirdische Leistung, wie in der ersten Halbzeit im dichten Schneetreiben des Olympiastadions, ist nicht vermittelbar. Es war zu keinem Zeitpunkt erkennbar, dass sich eine willensstarke, nie aufgebende und gegen den drohenden Abstieg wehrende Einheit präsentiert. Eine „Jetzt erst recht Einstellung“, geprägt mit bissiger Gegenwehr und harten Bandagen ist in dieser Situation gefragt.

Eine Wende ist nicht erkennbar

Für den als knurrigen und hart durchgreifenden Stevens könnte die bis Mai 2016 begrenzte Mission zur Herkulesaufgabe werden. Dem Abstiegskampf erprobten Holländer ist es mit dem VfB Stuttgart gleich zwei Mal gelungen, das Ruder im letzten Moment noch herumzureißen. Doch Stuttgart ist nicht gleich Hoffenheim. Die äußeren Umstände, die Gegebenheit und Strukturen sind völlig verschieden – womöglich auch die Mentalität.

Nationalstürmer Kevin Volland war einer der wenigen, der sich nach der Berlin-Pleite zuerst den Fans und dann der Öffentlichkeit stellte. Seine selbstkritischen Aussagen stimmen nachdenklich: „Wir trainieren gut, bekommen es aber nicht auf den Platz. Wir haben zu wenig Leidenschaft gezeigt. Wenn wir so weiter spielen, wird es extrem eng. Wichtig wäre es als ganzes Team aufzutreten, nicht immer nur einige Spieler. Wir müssen Eier in der Hose haben beim Spiel.“

Eine deratige Torflaute gab es in Hoffenheim noch nie

Stevens wird in diesen Tagen die Zügel deutlich anziehen. Gut möglich, dass den Profis weniger angenehme Trainingstage bevorstehen. Über sechseinhalb Stunden, oder genauer 396 Minuten, ohne erzielten Treffer ist alles andere als erstligatauglich. Die Ladehemmung bei nur zwölf Ligatreffern in 13 Partien ist, in Anbetracht des vorhandenen Spielerkaders, schwer nachvollziehbar.

Lähmt der Sicherheitsgedanke den Spielfluss?

Die Mannschaft tut sich schwer beim Spielaufbau, hat Probleme bei der Spielöffnung, schiebt den Ball lieber quer und zurück. Es scheint, als ob das Sicherheitsdenken den flüssigen Spielfluss lähmt.
Enttäuschend auch die Standards im gesamten Saisonverlauf. Freistoßtore der Marke Salihovic sind Geschichte. In keinem einzigen Saisonspiel führte eine Standardsituation, ob Eckball oder Freistoß, zu einem Treffer. Neuzugang Jonathan Schmid, Standartspezialist in Freiburg, konnte dies beim neuen Arbeitgeber noch nicht annähernd unter Beweis stellen.

Trendwende oder wachsende Kritik

Wie soll der freie Fall gestoppt werden? Kuranyi mit seiner Erfahrung aus 270 Erstligaspielen sagte unlängst gegenüber bwa-sport.de: „Ein Erfolgserlebnis muss her, auch wenn es durch einen dreckigen Sieg zustande kommt. Dann geht es auch wieder aufwärts.“ Der einstige Torjäger mag dabei richtig liegen, doch er und seine Kollegen stehen jetzt mehr denn je in der Pflicht dafür auch alles Machbare und Mögliche zu tun, um die Trendwende herbei zu führen. Denn nochmal so eine enttäuschende Vorstellung wie in Berlin werden sich die TSG-Fans nicht mehr bieten lassen. Die ersten deutlichen Unmutsäußerungen gab es bereits am Sonntagabend im überschaubaren kleinen Gäste-Fanblock.
Beim nächsten Heimspiel am Samstagnachmittag gegen Borussia Mönchengladbach steht für die Kraichgauer sehr viel auf dem Spiel. Noch ist nach 13 Spieltagen nichts verloren. Die TSG muss nun alles mobilisieren, alle Kräfte bündeln, um das Ruder herumzureißen. Dass dabei auch die Fans eine große Rolle spielen, versteht sich von selbst. Gegen den „Lieblingsgegner“ vom Niederrhein bietet sich erneut eine große Chance dafür.

Fotos: Kraichgaufoto

Kevin Volland mit vollem Trainingseinsatz und Eduardo Vargas muss in dieser Szene einiges einstecken

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