1899 Hoffenheim – gut gepolsterter Dorfverein

Seit 2008 spielt 1899 Hoffenheim in der Bundesliga. Seitdem hat der Verein nur einmal ein positives Ergebnis präsentiert. Geschäftsführer Frank Briel erklärt in einem Bericht  der ARD-Sportschau die Hintergründe – und legt die Zahlen offen.
Frank Briel trat dem Verein 2006 bei, als der Durchmarsch des Dorfvereins in die Bundesliga in die entscheidende Phase trat. Briel begann als kaufmännischer Leiter, heute ist der 40-Jährige Geschäftsführer Finanzen & Organisation der TSG 1899 Hoffenheim Spielbetriebs GmbH. Er kann die wirtschaftlichen Kennzahlen in den historischen Kontext betten. „Der Vorwurf der Verschleierung greift bei uns nicht, denn auch wir sind transparent. Die GmbH ist ordentlich im Handelsregister eingetragen, demzufolge sind unsere Zahlen im elektronischen Bundesanzeiger mit einer zeitlichen Verzögerung einsehbar.“
Demnach hat sich der Umsatz zwischen 42,6 Millionen Euro (2008/2009) und 86,8 Millionen Euro (2011/2012) bewegt. Der Ausreißer nach oben ist einfach erklärt: allein die Transfers von Luiz Gustavo und Vedad Ibisevic spülten mehr als 20 Millionen Euro in die Kasse. Es ist die einzige Bundesliga-Saison, in der aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ein Gewinn übrig blieb (+1,7 Millionen Euro). Ansonsten standen unter dem Strich teilweise hohe Verluste. Der größte in der Saison 2009/2010, als ein Fehlbetrag von 30 Millionen Euro zu Buche schlug. 2013/2014 waren es 25 Millionen.

Hohe Personalaufwendungen

Verantwortlich ist der hohe Personalaufwand. Im Durchschnitt gibt ein Bundesligist nach Angaben der Deutschen Fußball-Liga (DFL) 44 Prozent seiner Aufwendungen fürs Personal aus, davon entfallen 37,4 Prozent auf den Spielbetrieb (Liga-Report 2014). Bei Hoffenheim fraß der Personalaufwand jedoch zeitweise bis zu 78 Prozent der Erlöse auf (Höchstwert 2009/2010). Das geht aus den Zahlen hervor, die der Verein für sportschau.de offen legt.
Der gesamte Personalaufwand – Lizenzspieleretat plus die Kosten für die 175 Angestellten – erreichte in der vergangenen Spielzeit mit fast 50 Millionen Euro den höchsten Wert, bei einem Gesamtumsatz von „nur“ 67,2 Millionen Euro. Damit lag die Personalkostenquote zuletzt bei 74 Prozent. Das sind Verhältnisse, die in Italien und Spanien nicht unüblich sind. Auch bei Hoffenheim: Im ersten Bundesliga-Jahr hatte der Klub bereits einen Personalaufwand in Höhe von rund 30 Millionen Euro.

Zeitweise mehr als 40 Profis auf der Gehaltsliste

Briel rechtfertigt die Ausgaben mit drei Entwicklungsphasen: „Die ersten zwei, drei Jahre stehen unter dem Schlagwort des Aufbaus, als der Erstliga-Betrieb mehr gekostet als er eingebracht hat. Es galt einen schlagkräftigen Kader zusammenzustellen und zu halten.“ Die zweite Phase könne mit „Etablierung“ beschrieben werden, in denen professionelle Strukturen geschaffen wurden. Daran schloss sich das Kapitel an, als sich der Klub 2013 erst in der Relegation vor dem Abstieg rettete.
Briel räumt ein: „Der hohe Verschleiß an Trainer und Spielern – zeitweise standen mehr als 40 Lizenzspieler auf der Gehaltsliste, Abfindungen mussten gezahlt werden – hat natürlich auch die wirtschaftliche Bilanz getrübt. Dafür haben wir einen hohen Preis gezahlt, und tun das teilweise noch heute.“ Der für die Finanzen verantwortliche Geschäftsführer redet die unrühmliche Phase – die Posse um Torwart Tim Wiese war dabei nur eines von mehreren teuren Missverständnissen – nicht schön.

Hopp hat 350 Millionen Euro investiert

Trotz der „mitunter turbulenten Zyklen“ sind existentielle Nöte in Hoffenheim eher fremd: Dafür bürgt SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp, der den Aufstieg aus der Kreisliga A bis in die Bundesliga finanziert hat. Der 75-jährige Gönner hat in einem Vierteljahrhundert rund 350 Millionen Euro in seinen Heimatverein gesteckt, bei dem er einst selbst spielte. Dem Milliardär war es von Anfang an wichtig, in Beine und Steine zu investieren. Aus Hoffenheim in wenigen Jahren einen Bundesliga-Klub aufzubauen, erfordere eben „über Jahre eine Investitions- und Wachstumsphase“, sagt Geschäftsführer Briel.
2008 seien dabei sogar drei Spielorte zu betreuen gewesen: das auf Zweitliga-Niveau gebrachte Dietmar-Hopp-Stadion in Hoffenheim, das Carl-Benz-Stadion in Mannheim als Ausweichstätte und der Neubau der Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim. Zusammen schlug das mit rund 125 Millionen Euro zu Buche. Und nicht zu vergessen die Millionen-Investitionen in das 2009 errichtete Trainingszentrum in Zuzenhausen.
Die TSG begreift sich als innovatives Fußball-Unternehmen, das dafür auch Geld in die Hand nimmt. Als Beispiel taugt der 3,5 Millionen Euro teure Footbonaut, ein spezielles Trainingsgerät für Fußballer, das ansonsten nur noch in Dortmund und Katar installiert ist. „Damit sind Forschungsprojekte mit der Universität Saarbrücken und der Sporthochschule Köln verknüpft“, erzählt Briel. Bisher seien dort schon rund 470.000 Bälle gespielt worden.

Balance in der Bilanz ist das Ziel für 2015/2016

Stets verweist der Klub, dessen Hauptsponsorenvertrag mit SAP laut Briel zu „marktgerechten Konditionen“ geschlossen ist, darauf, dass alle Einrichtungen privat finanziert seien. Briel: „Wir sind frei von öffentlichen Zuwendungen oder Vergünstigungen. Das ist ein Merkmal, das uns von manchen der so genannten Traditionsvereine unterscheidet.“ Gerade diese Klubs beklagen häufig, dass sich Hoffenheim bei der oft gerühmten Nachwuchsarbeit zwar fachkundig, aber eben auch finanzkräftig zeigt, wenn es um das Abwerben von Talenten geht.
Wie geht der Weg nun weiter? Hopp wird ab dem 1. Juli Chef der ausgegliederten Profiabteilung und profitiert von der aufgeweichten 50+1-Regel, denn die DFL erlaubt eine Ausnahme, wenn ein „Rechtsträger seit mehr als 20 Jahren dem Fußballsport des Muttervereins erheblich fördert.“ Hopp hat dann auch die Mehrheit der Stimmrechte und kann sicher stellen, dass sein Sohn Daniel als designierter Nachfolger eingesetzt werden kann.

„Immense Werte“

Und ein weiteres großes Ziel ist längst formuliert: Irgendwann soll der Klub von Hopps Finanzspritzen unabhängig werden. Die hohe Eigenkapitaldecke von derzeit 100 Millionen Euro mindert dafür den Zeitdruck, weil sie Verluste leicht auffangen kann. „Das ist natürlich eine sehr gesunde Basis, aber bestimmt kein Ruhekissen, zumal Dietmar Hopp wie wir das erklärte Ziel verfolgt, die Bestimmungen des Financial Fairplay einzuhalten“, sagt Briel.
In der laufenden Spielzeit werde man es allerdings noch nicht schaffen, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren. Briel: „Eine Balance in der Bilanz ist aber das Ziel zur Saison 2015/2016.“ Und er ergänzt: „Ich denke, dass wir immense Werte entwickelt haben, wenn man bedenkt, dass allein der Profikader auf einen Wert von rund 120 Millionen Euro taxiert wird.“ Für einen Dorfverein sei das doch gar nicht schlecht.

Quelle: ARD-Sportschau: Serie – Fußball-Klubs und ihre Finanzen
Bericht von Frank Hellmann

Statistik: ARD-Sportschau

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