Als der Sportjournalist in Hoffenheim Tankverbot bekam

Großer Redebedarf beim „klassisches Hoffenheim-Heimspiel“

Die Sendung Doppelpass am Sonntagmorgen ist seit fast 30 Jahren Kult im deutschen Fernsehen und zählt für so manchen Fußballfan inzwischen zum Pflichtprogramm. Seit August 2021 macht der „Dopa“ auch als Bühnenprogramm bundesweit Station in zahlreichen Städten. So auch am Nikolausabend in der gut gefüllten Sinsheimer Dr.-Sieber-Halle. Zur prominenten Gästeliste zählten bei dieser sehr unterhaltsamen und teils witzigen zweieinhalbstündigen Diskussionsrunde Moderator Thomas Helmer, Hoffenheims Geschäftsführer Sport Alexander Rosen, Ex-Fußballprofi Mario Basler, Hallensprecher der Rhein-Neckar Löwen Kevin Gerwin und Sportjournalist Martin Quast.  

Moderator Thomas Helmer (re.) begrüßt Hoffenheims Geschäftsführer Sport Alexander Rosen

Rosen nahm zur TSG ausführlich Stellung

Nach der Vorstellung der einzelnen Gäste durch Moderator Helmer ging es zunächst schwerpunktmäßig um die TSG Hoffenheim. Geschäftsführer Rosen bekam dabei die Möglichkeit sich zu vielseitigen Themen rund um den Verein zu äußern: Ob zum inzwischen bei allen Profivereinen üblichen großen Spielerkadern, der Nachwuchsarbeit in den Leistungszentren, der Entwicklung sowie sportlichen Zielsetzung oder zum früheren kometenhaften Aufstieg des Dorfvereins – Rosen nahm zu allem in seiner bekannt und überzeugenden rhetorischen Ausdrucksweise ausführlich Stellung.

„Es geht mir sehr gut, doch ginge es nur um´s Finanzielle, wäre ich nicht mehr hier in Hoffenheim“

Alex Rosen zur Gehaltsfrage

Als das Thema hohe Gehälter angesprochen wurde, machte Rosen unmissverständlich klar, dass für ihn „alle die in der Branche Profifußball tätig sind, zu einem privilegiert Kreis zählen“. Vom neugierigen Helmer befragt, was man so als Geschäftsführer bei der TSG verdienen würde, konterte er geschickt: „Es geht mir sehr gut, doch ginge es nur um´s Finanzielle, wäre ich nicht mehr hier in Hoffenheim. Doch das ist für mich aktuell kein Thema“. Applaus gab es hierfür nicht nur von den anwesenden Hoffe-Fans.

Es ist heute wie bei einem klassischen Hoffenheim-Heimspiel!“

Alex Rosen über den Besuch beim „Dopa“

Zur illustren Veranstaltung in der ehemals Sinsheimer Stadthalle hatte Rosen einen passenden Vergleich auf Lager: „Es ist heute wie bei einem klassischen Hoffenheim-Heimspiel, nicht ausverkauft, aber die die da sind haben eine super Stimmung“. Nachdem das sportliche Auf und Ab in der vergangenen Saison intensiv thematisiert wurde, signalisierte der TSG-Sportchef, dass er mit dem aktuellen Tabellenstand gut leben könne, man aber mit dem Punktestand aufgrund der gezeigten Leistungen nicht ganz zufrieden sei.

man hat ziemlich doof und unnötig viele Punkte liegen gelassen!“

Martin Quast zur aktuellen Sitution der TSG Hoffenheim

Martin Quast, der als Sportjournalist gut mit den Vorkommnissen vertraut ist, lobte zwar das bisherige sportliche Abschneiden der Blau-Weißen, betonte aber, „dass man ziemlich doof und unnötig viele Punkte liegen gelassen hat“. Natürlich kam vor dem bevorstehenden Heimspiel am Freitagabend gegen den VfL Bochum auch die akute Heimschwäche zur Diskussion. Laut Rosen wird dieser Negativlauf jetzt ein Ende haben, da er fest davon ausgeht, „dass gegen Bochum, bei allem Respekt für den Gegner drei Punkte eingefahren werden – das ist unser Anspruch“.

Für Basler eine Art Überraschungsmannschaft

Basler sieht die TSG in einer guten Ausgangslage und traut ihr eine Art „Überraschungsmannschaft“ zu, vor allem auch wegen dem seiner Meinung nach gut zusammengestellten Kader. Eine Platzierung am Saisonende zwischen Platz 4 und 6 sieht er für realistisch.

Zweiter Bus erforderlich?

Auch der allgemein immer größer werdende Betreuerstab bei den Vereinen kam zur Sprache. Nachdem Rosen den großen Staff der TSG aufzählte, wurde er von Kevin Gerwin, der kürzlich sich davon selbst im Trainingszentrum in Zuzenhausen ein Bild machte, gefragt, ob man notgedrungen bei Auswärtsfahrten inzwischen mit zwei Bussen anreisen würde?

Sehr fachlich und redegewandt präsentierte sich Sportjournalist Martin Quast

Erwartungshaltung und Erfolgsdruck waren zu groß

Martin Quast blickte als Journalist zurück auf die Entwicklung der Hoffenheimer. Dabei blieb ihm stets in Erinnerung, dass „gefühlt alle drei Monate ein neuer Profitrainer auftauchte, weil von oben herab immer wieder neue Ziele und Themen vorgegeben wurden. Durch die zu hohen Erwartungen war zwangsläufig der Erfolgsdruck immens groß “. Quast machte keinen Hehl daraus, dass der Verein in vielen Bereichen – teils auch selbstverschuldet – bundesweit sich zur Angriffsfläche machte und „mächtig auf die Fresse bekam“. Der erfahrene Journalist attestierte der TSG, dass dieser Entwicklungsprozess sehr wichtig war: „Man hat aus den Fehlern gelernt“.

Legendärer Rangnick-Spruch

Unvergessen bleibt ihm die Zeit des Erstligaaufstiegs in der Saison 2008/09. Für eine Pressekonferenz vor dem damaligen Gipfelspiel bei den Bayern war der etatmäßige Pressecontainer hinter der Tankstelle am Hoffenheimer Ortseingang viel zu klein und deshalb musste der Speisesaal des Nachwuchsleistungszentrum kurzfristig geräumt und umfunktioniert werden. Diese PK hatte auch dank eines Trainerspruches Kultstatus: „Für mich bleibt ewig in Erinnerung, als der damalige Hoffenheimer Trainer Ralf Rangnick den Spruch raushaute: Wenn ihr flotte Sprüche hören wollt müsst ihr zu Bayern München gehen, wenn ihr flotten Fußball sehen wollt, seid ihr in Hoffenheim richtig!“

„Ich hatte zeitweise Tankverbot in Hoffenheim!“

Martin Quast im Rückblick auf die erste Bundesligasaison der TSG

Für Quast war dies vom Überraschungsherbstmeister zum damaligen Zeitpunkt „maximal große Fresse“ und hatte zur Folge, dass alle Traditionsvereine nicht sonderlich gut auf den Emporkömmling zu sprechen waren. Hoffenheim wurde nur noch als die Neureichen gesehen. Quast selbst hatte damals auch so seine Probleme vor Ort: „Ich hatte zeitweise mal bei der einzigen Tankstelle im Ort Tankverbot, weil ich mal negativ über den Verein berichtet hatte. Die frühere Besitzerin fuhr mich an: Du kommst hier nicht rein, du geht’s jetzt hier raus!“

Fachliche Diskussion, während im Hintergrund Ex-Torhüter Oliver Kahn mit seinem legendären Spruch „Wir brauchen Eier“ eingeblendet wurde

Laufwunder Super-Mario

Auch Baslers Sprüche sorgten immer wieder für Erheiterung. Angesprochen auf seine außergewöhnliche Laufbereitschaft zu Profizeiten sagte er: „Mein früherer Trainer Otto Rehhagel hat mit immer gesagt, Herr Basler, sie bleiben immer an der Mittellinie stehen, denn wenn sie in die eigene Hälfte kommen, sind sie immer eine Gefahr fürs eigene Tor!“

„Ich könnte mir keinen anderen Trainer vorstellen!“

Marion Basler über Nationaltrainer Julian Nagelsmann

Das Thema Nationalmannschaft war ein intensiv diskutiertes Thema. Für Basler war die Wahl von Julian Nagelsmann zum Bundestrainer die richtige Entscheidung: „Er hat mehrfach nachgewiesen, dass er ein hervorragender Trainer ist. Ich könnte mir zum jetzigen Zeitpunkt keinen anderen Trainer vorstellen. Man muss ihm hoch anrechnen, dass er in dieser schwierigen Phase für den deutschen Fußball diesen Posten angenommen hat und zudem auf sehr viel Geld verzichtet hat. Jetzt bei der Nationalmannschaft hat er nur das Problem, dass die Jungs das Tor nicht treffen.“ Für den früheren Nationalspieler ist die Nagelsmann-Zeit beim DFB nach seiner Ansicht aber zeitlich begrenzt: „Ich bin mir sicher, dass Julian nach der EM wieder als Vereinstrainer tätig sein wird.“

Es wird zu viel experimentiert, da steht kein Gerüst und Korsett, keine eingespielte Mannschaft auf dem Platz!“

Martin Quast zur Nationalmannschaft

Quast hatte hierzu auch seine Meinung: „Julian ist ein überragender Typ mit einer ganz gewissen Aura. Er hat was, was die Leute mitnimmt, sie mitziehen kann. Nur sollte er sich bei der taktischen Herangehensweise etwas zurücknehmen und viel eher über die emotionale Schiene kommen. Die vielen Tests und ständigen personellen Veränderungen sind mir etwas zu viel. Es wird zu viel experimentiert, da steht kein Gerüst und Korsett, keine eingespielte Mannschaft auf dem Platz. Deshalb kann man schwer den aktuellen Leistungsstand unserer Nationalmannschaft bewerten“

Magath als Besserwisser?

Für Rosen ist bei aller Kritik „Nagelsmann unser Nationaltrainer für die EM in fünf Monaten im eigenen Land“. Für den Hoffenheimer Sportchef ist es „völliger Wahnsinn, dass der ein oder andere Experte bereits nach dem dritten Länderspiel damit anfängt sich selbst in Position zu bringen.“ Auch wenn er trotz Helmers Nachfrage keine Namen nennen wollte, war für Basler sofort klar, dass es sich dabei nur um Felix Magath handeln könnte. Dafür gab es reichlich Besucherapplaus.

EM im eigenen Land biete hervorragende Möglichkeiten

Der Hoffenheimer Sportchef hielt in der Folge ein flammendes Plädoyer hinsichtlich der bevorstehenden Europameisterschaft in Deutschland. Für ihn wäre es wichtig, dass endlich eine EM-Euphorie entfacht und nicht immer alles negativ dargestellt wird: „Es ist doch geil so ein Turnier auszurichten und die Welt wieder mit offenen Armen zu empfangen. Dabei ist wichtig, dass wir zeigen, was wir eigentlich drauf haben und nicht uns selbst vor allen andern schlecht machen.“

Zu viel Schlechtdenken

Quast bemängelt die aktuell fehlende positive Stimmung in unserem Land für diese EM: „Man hört nur Negatives in allen Bereichen. Ein sportliches Ausscheiden in der Vorrunde ist in vielen Köpfen vorprogrammiert. Dieses Schlechtdenken ist nicht förderlich und schadet nur.“

Mario Basler brachte mit seinen flotten und coolen Sprüchen die Besucher des öftern zum Lachen

Wenn der unser Abwehrchef sein soll, verstehe ich die Welt nicht mehr!“

Marion Basler zur Personalie Antonio Rüdiger

Für das sportliche Dilemma der Nationalmannschaft findet Basler nachvollziehbare Gründe: „Die Wahrheit ist doch, dass wir momentan Spieler haben, die außer Form sind, wenn sie zur Nationalmannschaft müssen. Sane und Kimmich sind da ein Paradebeispiel.“ Kein gutes Wort fand er hinsichtlich der Personalie Antonio Rüdiger: „Wenn der unser Abwehrchef sein soll, verstehe ich die Welt nicht mehr. Der gehört da nicht rein. Ein Mats Hummels, den ich auch schon kritisiert habe, hat da ganz andere Fähigkeiten.“ Schon mal in Rage, hob „Super Marion“ warnend den Finger: „Wir schützen unsere Fußballer zu sehr. Kritik ist überhaupt nicht gewünscht.“

Der erster Alkoholiker, der Fußballprofi wurde

Als der selbstverliebte Basler von seinen glorreichen sportlichen Zeiten erzählte und dabei nicht unerwähnt ließ, dass er sich hin und wieder mal ein Schlückchen gegönnt hat, fuhr ihm Quast dazwischen: „Mario, ich kenne viele Fußballprofis die später Alkoholiker wurden, aber ich kenne außer dir keinen Alkoholiker, der Fußballprofi wurde.“ Das Gelächter in der Halle war entsprechend groß.

Alex Rosen mit voller Hingabe und Leidenschaft, wenn es um den Fußball, speziell seine TSG Hoffenheim geht

Zuschauer wurden mit eingebunden

Auch die Zuschauer wurden in die Unterhaltungsshow integriert. Immer wieder sammelte Basler unter den Besuchern Spenden fürs Phrasenschwein. Und am Ende der Veranstaltung sorgte ein Quizspiel für hohen Unterhaltswert, als Quast einzelne Gäste zur auf der Leinwand eingespielten früheren fußballerischen Anekdoten befragte. Besonders stolz war der 13-jährige Jugendspieler des SV Sinsheim, der neben einem handsignierten Originaltrikot von TSG-Stürmer Maximilian Beier zudem noch zwei VIP-Tickets für das Hoffenheimer Heimspiel am Freitagabend gegen den VfL Bochum von Alex Rosen versprochen bekam.

Über die weitere Zukunft von Hoffenheims U17-Weltmeister Max Moerstedt wurde auch gesprochen

Tolle Unterhaltung mit viel Hintergrundwissen

Alles in allem war DOPPELPASS ON TOUR eine sehr gelungene und unterhaltsame Show, die für jeden Fußballfan etwas zu bieten hatte. Moderator Thomas Helmer verstand es wie immer zu den vielseitigen Themen geschickt die Strippen zu ziehen und seine Gäste mit einzubinden. Mario Basler fiel wie gewohnt durch seine ehrliche, lockere und ungezügelte Ausdrucksweise auf, die bei den Fußballern ein sehr offenes Ohr findet. Alex Rosen nutzte den Abend, um seine TSG Hoffenheim besonders positiv darzustellen und warb auch entschlossen wir die nächstjährige Europameisterschaft. Kevin Gerwin verstand es immer wieder geschickt sich bei Themen einzubringen und seine verständliche Sichtweise deutlich zu machen. Auch er war eine Bereicherung der Diskussionsrunde.
Fazit: Der „Dopa“ am Nikolaus-Abend in Sinsheim war spitze!

Fotos: BWA

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