„Auch als Ausbildungsverein können wir Europapokal spielen“

TSG-Präsident Hofmann: "Nagelsmann bleibt bis 2019, danach entscheidet er"

Peter Hofmann ist das Gesicht der TSG Hoffenheim. Der Elektromeister ist seit seiner aktiven D-Jugendzeit Vereinsmitglied und seit 1986 als Funktionär – zunächst als Spielausschussvorsitzender, dann Abteilungsleiter Fußball und letztendlich seit 1996 als Vereinspräsident – tätig. Hofmann ist aktuell der Dienstälteste Funktionär der Fußball-Bundesliga. Er hat den beispiellosen Weg „seiner TSG“ von der Kreisliga bis zur Bundesliga hautnah erlebte, und dabei großen Wert auf die Einhaltung des familiären Charakters des Vereins gelegt. Im Interview mit bwa-sport.de äußert er sich zu aktuellen Themen rund um den Kraichgauer Erstligisten.

„Würden natürlich gerne gegen Marseille oder Mailand spielen“

Herr Hofmann, in der Europa League treffen derzeit die beiden Hoffenheim-Bezwinger Sporting Braga auf Olympique Marseille und Ludogorets Razgrad auf den AC Mailand. Schmerzt bei Ihnen nicht noch das frühe Europapokal-Aus etwas nach?
Peter Hofmann:
Klar wären wir noch gerne noch im Wettbewerb und würden so klangvolle Namen wie Olympique Marseille und AC Mailand in der Wirsol-Rhein-Neckar-Arena begrüßen. Enttäuscht bin ich keineswegs.

Die beiden TSG-Gesellschafter Peter Hofmann (li.) und Dietmar Hopp verbindet eine langjährige Freundschaft

"Bin mit dem Status Quo der TSG sehr zufrieden"

Die Erwartungshaltung ist durch das sportlich erfolgreichste Jahr der Vereinsgeschichte 2017 deutlich gestiegen. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung der TSG?
Hofmann:
Wunschdenken und Realitätssinn sollten immer im Einklang stehen. Im Fußball war es schon immer so, dass gute Ergebnisse gestiegene Erwartungshaltungen hervorgerufen haben. Eine Entwicklung geht nicht immer stetig nach oben. Ich bin mit dem Status Quo der TSG, die sich in der Bundesliga etabliert und regelmäßig gute Spieler und Trainer hervorgebracht hat, sehr zufrieden.

"Nagelsmann holt aus den Gegebenheiten das Maximum heraus"

Die Begehrlichkeiten an Julian Nagelsmann sind sehr groß, der jüngste Bundesligatrainer ist in der Außendarstellung das Aushängeschild des Vereins. Wie sehen Sie seine Entwicklung und wird er der TSG mindestens bis Sommer 2019 erhalten bleiben?
Hofmann:
Julian Nagelsmann ist ein Glücksfall für uns. Aber die, die ihn hier schon seit 2010 kennen, wissen, was sie an ihm haben. Er hat definitiv zu einem positiven Imagegewinn der TSG beigetragen. Wir dürfen, auch wenn er selbst es nicht mehr hören kann, sein Alter nicht vergessen. Die Medien haben ihn in guten Zeiten als den Messias gefeiert und sind bei Negativserien wie Anfang dieses Jahres oder nach der Niederlage gegen Liverpool im letzten Sommer zu hart mit ihm ins Gericht gegangen. Aber auch er muss und wird neue Erfahrungen machen und wird sich entsprechend weiterentwickeln – als Trainer und als Mensch. Fakt ist: Er holt aus den Gegebenheiten das Maximum heraus. Mein Stand ist, dass er bis Sommer 2019 auf alle Fälle unser Cheftrainer ist und danach liegt es in seinen Händen.

Stolz auf das Erreichte

Die TSG hat sich nun schon im zehnten Jahr in der höchsten deutschen Spielklasse fest etabliert, die Umsatzzahlen stiegen zuletzt auf 111 Millionen Euro. Als Präsident müssten Sie rundum zufrieden sein.
Hofmann:
Natürlich bin ich stolz, was im Verein geleistet wird. Wichtig ist, dass dies eine Anerkennung und Motivation für unsere Mitarbeiter in allen Bereichen ist.

Peter Hofmann spricht bei der TSG-Mitgliederversammlung zu den Vereinsmitgliedern

"Herr Hopp wird in der „50+1“-Regelung nicht kritisch gesehen"

Die sogenannte "50+1"-Regel, die den sportliche Wettbewerb in den deutschen Profiligen schützen und verhindert soll, dass Investoren die Entscheidungsmacht bei den Vereinen erhalten, wird in Frage gestellt. Wie stehen Sie dazu?
Hofmann: Ich bin der Meinung, dass Menschen wie Dietmar Hopp, die sich über viele Jahre leidenschaftlich und mit hohen Investitionen für einen Klub engagieren, durchaus Vorkehrungen treffen dürfen, die verhindern, dass das, was sie aufgebaut haben, von anderen Personen leichtfertig in der Philosophie verlassen wird. Herr Hopp wird in der „50+1“-Regelung nicht kritisch gesehen, dieses Engagement ist ja seit 30 Jahren einmalig. Da es auch im Fußball Demokratie und Statuten gibt, darf über diese Regel auch diskutiert werden.

"Die Bundesliga verliert nie an Reiz"

Allgemein ist ein leicht spürbarer Rückgang bei den Zuschauerzahlen im Profifußball festzustellen. Die Kommerzialisierung und die Flut an TV-Übertragungen spielen dabei keine unwesentliche Rolle.
Hofmann: Die Bundesliga verliert nie an Reiz. Seit Jahren ist der Abstiegskampf sowie die Europa- und Champions-League-Teilnahme sehr spannend. Um die Meisterschaft werden in den nächsten Jahren Leipzig und Dortmund mitentscheiden.

Wunsch nach einem Herzschlagfinale, in dem nicht immer nur der FC Bayern gewinnt

Verliert die Bundesliga nicht zunehmend an Reiz, wenn das Meisterschaftsrennen Jahr für Jahr immer früher aufgrund der Vormachtstellung des FC Bayern entschieden ist?
Hofmann:
Natürlich. Mir persönlich wäre jedes Jahr ein Herzschlagfinale wie 2001, als die Deutsche Meisterschaft erst in der Nachspielzeit entschieden wurde, auch lieber. Vielleicht mit umgekehrtem Ausgang, damit in der Tat die Schale nicht jedes Jahr nach München geht. Oder noch besser 1992, als am letzten Spieltag mit Dortmund, Stuttgart und Frankfurt sogar noch drei Klubs im Rennen waren.

Trotz Ausbildungsverein, sind künftige Europapokal-Teilnahmen nicht ausgeschlossen

Dietmar Hopp hat die TSG als Ausbildungsverein, mit der Zielsetzung eines einstelligen Tabellenplatzes, beschrieben. Die Hoffnung auf weitere internationale Qualifikationen rücken für die Fans dadurch immer weiter in die Ferne.
Hofmann:
Das sehe ich anders. Dietmar Hopp hat eine Zielstellung formuliert. Das heißt ja nicht, dass dieses Ziel - wie letztes Jahr geschehen - auch nicht mal übertroffen werden kann. Künftige Europapokal-Teilnahmen sind nicht ausgeschlossen. Wer allerdings aufgrund der zurückliegenden Spielzeit völlig überzogene Erwartungen hat, der kann durchaus enttäuscht werden. Einstellig kann viel bedeuten!

"Entwicklung im Nachwuchsbereich ist kein Selbstläufer"

Im Nachwuchsbereich hat sich die TSG dank hervorragender Talentförderung in Verbindung mit einer beispiellosen Infrastruktur  zu einer Top-Adresse in Deutschland entwickelt.  
Hofmann:
Da stimme ich zu. Aber nur weil wir aktuell gut dastehen, ist die weitere Entwicklung kein Selbstläufer. Es gibt andere Klubs, die noch bessere Voraussetzungen haben als wir. Da müssen wir dranbleiben.

Was wünschten Sie sich für den weiteren Saisonverlauf?
Hofmann:
Wenn Sie die TSG meinen – keine weiteren Verletzten und einen einstelligen Tabellenplatz.

Fotos: BWA und Kraichgaufoto

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