„Bin ein emotional, leicht verrückter Typ mit dem typischen kleinen Torhüter-Knacks“

Jens Grahl steht seit 2009 als Torwart bei 1899 Hoffenheim unter Vertrag. In dieser Saison gelang ihm unter seinem ehemaligen U23-Trainer Markus Gisdol der Durchbruch. Dabei profitierte er auch von Verletzungen seines Kollegen Koen Casteels, mit dem er sich einen gesunden, freundschaftlichen Konkurrenzkampf liefert. Im letzten Bundesligaspiel gegen Augsburg zeigte er eine Weltklasse Leistung, entnervte den Gegner mit tollen Paraden und war Garant für den 2:0 Erfolg.

Sie haben eine Stuttgarter Vergangenheit.
Jens Grahl: Mit dem Fußball habe ich bei den Bambinis des VfB Stuttgart begonnen. Anfangs spielte ich noch als Stürmer. In der D-Jugend wechselte ich für ein Jahr zum TSV Stuttgart-Münster, wo ich aus der personellen Not heraus, weil wir keinen Torwart hatten, ins Tor ging. Nach einem Jahr in Feuerbach, kehrte ich wieder zurück zum VfB. Danach ging es zu den Stuttgarter Kickers, wo meine eigentliche Karriere begann. Die nächste Station war die SpVgg Greuther Fürth.

Im Jahr 2009 wechselten Sie nach Hoffenheim, wo Sie in der U23 spielten.
Grahl: In habe zwar mit den Profis trainiert, doch es war von Anfang an klar, dass ich in der U23 spielen sollte. Unter Trainer Markus Gisdol sind wir in die Regionalliga aufgestiegen. Aber natürlich ging mein Blick immer auch nach oben und im Endeffekt bin ich froh, wie alles gelaufen ist.

Sie hatten mit Timo Hildebrand, Ramazan Özcan und Daniel Haas drei starke Konkurrenten vor sich.
Grahl: Es war schwer, sich gegen diese guten Torleute  zu behaupten. Der Verein hat mich daraufhin für ein Jahr zum Zweitligisten Paderborn ausgeliehen, um Spielpraxis zu sammeln. Doch es kam leider ganz anders. Es wurde ein schlimmes Jahr für mich. Nach einer schweren Verletzung zu Beginn, war ich nur die Nummer zwei.

Markus Gisdol sieht die Torhüter in den Vereinen generell leistungsmäßig sehr dicht beieinander. Bei vielen Clubs ist nicht klar definiert, wer auf längere Sicht die Eins und wer die Zwei im Tor ist.
Grahl: Konkurrenzkampf muss immer sein. Keiner möchte auf der Bank sitzen und sich mit der Reservistenrolle abfinden. Daher ist es wichtig, dass alle auf Top-Niveau sind. Der Konkurrenzkampf muss nicht so extrem und verbissen sein, wie dies früher beispielsweise bei Oliver Kahn und Jens Lehmann der Fall war. Koen und ich verstehen uns trotz aller Rivalität sehr gut, teilen bei Auswärtsspielen das Zimmer. Wir können Sport und Privates sehr gut von einander trennen.

Fußballerische Fähigkeiten spielen eine immer größer werdende Rolle. Die Torhüter, werden immer mehr ins Aufbauspiel mit einbezogen.
Grahl: Daher kommt auch der Begriff „Torspieler“. Das Repertoire ist größer geworden. Man muss mitspielen, ständig im Spiel sein und den Ball auch mit dem Fuß gut verarbeiten können. Das wichtigste sind aber nach wie vor Fangsicherheit, gute Reaktionen und Reflexe.

Die junge Hoffenheimer Mannschaft hat sich in dieser Saison enorm verbessert, die Leistungsträger konnten gehalten werden. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Grahl: Natürlich war es sehr wichtig, die Leistungsträger zu halten. Wir haben uns in dieser Saison kontinuierlich gesteigert. In der Rückrunde haben wir jetzt schon mehr Punkte geholt als in der gesamten Hinrunde. Der Klassenerhalt ist vorzeitig gesichert. Dies spricht für das Team und die Qualität, die wir haben. Die jungen Spieler brauchen noch etwas Zeit, um sich an die Liga zu gewöhnen. Wir sind auf einem richtig guten Weg.

In Hoffenheim kamen in sechs Erstligajahren bereits neun Torhüter zum Einsatz. Von welchem Torhüter konnten Sie im Konkurrenzkampf am meisten profitieren?
Grahl: Ich habe mit allen Torwartkollegen gut zusammengearbeitet. Von Timo Hildebrand habe ich mir was das Mitspielen betrifft einiges abschauen können. Die Art, wie er sein Torwartspiel schon damals auslegte, ist modern. Daniel Haas war fast täglich im Kraftraum, das habe ich früher immer schleifen lassen. Tim Wiese war Nationaltorhüter mit großer Ausstrahlung und Erfahrung, Heurelho Gomes kam aus England, hatte als Brasilianer eine ganz andere Mentalität. Er hat mich darin bestärkt, lautstark meine Vorderleute zu koordinieren. Und Tom Starke war ein kompletter Typ, der viel Ruhe ausstrahlte.

Sie sind im Vergleich zu Koen Casteels der temperamentvollere, der impulsivere während des Spiels.
Grahl: Ich war schon in der Jugend so ein Typ. Mein früherer Trainer sagte mir manchmal, dass ich die Klappe halten solle. Aber ich bin halt ein emotionaler, vielleicht auch leicht verrückter Typ.

Torhüter an sich haben einen ganz besonderen, außergewöhnlichen Ruf. Können Sie dies bestätigen?
Grahl: (lacht) Auf jeden Fall. Als Torwart muss man schon einen kleinen Knacks haben. Wenn man als Keeper einen Ball mit über 100 Stundenkilometern auf sich zufliegen sieht, darf man kein Weichei sein. Aber ein Oliver Kahn, der für mich ein sportliches Vorbild ist, werde ich von meinem Auftreten her sicher nicht.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die TSG mit 63 Gegentore so viele Treffer einstecken musste?
Grahl: Wir spielen einen sehr offensiven, daher manchmal auch riskanten Fußball. Da passiert es schon mal, dass man defensiv nicht so kompakt steht und konteranfällig ist. Die Gegentore haben wir durch unsere gute Offensive meistens wieder wettgemacht. Das ganze sollte man aber nicht nur am Torhüter und der Abwehr festmachen, sondern dafür ist immer auch die gesamte Mannschaft verantwortlich.

Gegen Augsburg waren Sie unbezwingbar.
Grahl: Ich spürte schon während der ersten Halbzeit, dass es ein guter Tag werden könnte. Natürlich gehört auch etwas Glück dazu, aber ich denke, dass ich meine Sache ganz gut gemacht habe.

Zuletzt gab es Gerüchte an einem Hoffenheimer Interesse an Freiburgs Keeper Baumann.
Grahl: Mein Ziel ist es, die Saison gut zu Ende zu spielen, auf alles andere habe ich eh keinen Einfluss. Das entscheiden andere Personen im Verein.

Fotos: BWA und Kraichgaufotos

Gespannt beobachtet Grahl die Flugbahn des Balls nach seinem Abschlag, Den Ball fest im Griff, Grahl ist ein emotionaler, temperamentvoller Torhüter, der seine Mitspieler anfeuert, und Der emotionale Grahl

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