„Der Profifußball ist zu einem großen Entertainmentgeschäft geworden“

Potofski ist vom Zuschauerinteresse enttäuscht und sieht die TSG am Ende auf Platz 8 bis 12

Anlässlich seines Engagements für den TV-Sender Sky beim Bundesligaspiel der TSG Hoffenheim gegen den 1. FC Heidenheim traf sich im Vorfeld bwa-sport.de mit dem bekannten Sportjournalisten Ulli Potofski und unterhielt sich mit ihm zu interessanten Themen rund um den Fußball.

Ulli, seit langer Zeit hat dich dein Weg wieder nach Sinsheim-Rohrbach geführt. Welche Erinnerungen kommen dabei in Dir hoch?
Ulli Potofski:
Da gibt es viele schöne Erinnerungen. Ich kann mich noch sehr gut an meinen ersten Besuch im Jahr 1992 bei der Teilnahme an einer Podiumsdiskussion im Festzelt erinnern, wo es gefühlte 48 Grad im Schatten gab. Es war wie in einer Sauna. Ich glaube es war der einzige Tag in meinem Leben, wo ich vier Kilo abgenommen habe. Es war ein toller Abend mit großartigen Menschen aus verschiedenen Bereichen des Sports, wie der Reporterlegende und meinem Vorbild Rudi Michel.

Ulli Potofski (li.) bei einer Podiumsdiskussion 1992 in Sinsheim-Rohrbach zusammen mit seinem journalistischem Vorbild Rudi Michel

Bei den folgenden Besuchen kamst Du gleich mit einem TV-Team im Anhang.
Potofski:
Ja, richtig. Wir waren ein paar Mal noch zu Fernsehaufnahmen hier. Eine davon hieß Kreisklasse und feierte 2004 in Rohrbach ihre Premiere. Da haben wir die Seniorenmannschaft mit neuen Trainingsmethoden etwas veräppelt, als sie zusammen mit der mehrfachen Deutschen Meisterin der Rhythmischen Sportgymnastik Magdalena Brzeska auf dem Sportplatz Turnübungen machten. Das war etwas fies von mir, aber ich hoffe, dass mir da keiner mehr böse ist.

„ich hoffe, dass mir keiner mehr böse ist“

Potofski rückblickend über das Training mit Magdalena Brzeska beim SV Rohrbach/S.

Zur damaligen Zeit konntest Du Dir sicherlich nicht vorstellen, öfters nach Sinsheim zu kommen und beruflich über die Bundesliga zu berichten?
Potofski: Das konnte man ja wirklich nicht erahnen. Wenn man ehrlich ist, bundesweit erfreut sich die TSG Hoffenheim nicht der aller größten Beliebtheit. Ich finde es ungerecht, dass die TSG und auch RB Leipzig so gesehen werden. Da hat sich Herr Hopp einen großen Traum erfüllt, viel investiert und dann den Verein in seine Selbstständigkeit entlassen. Wenn der Verein es jetzt weiter schafft gut zu wirtschaften und sich im Bundesligamittelfeld zu etablieren, dann wurde in der Region hier viel erreicht. Was mich enttäuscht sind die Zuschauerzahlen, die mir für einen Bundesligisten deutlich zu wenig sind. Ich denke das braucht vielleicht noch etwas Zeit, um die Menschen und den Verein zusammenzuführen.

Die 26-malige deutsche Meisterin der Rhythmischen Sportgymnastik Magdalena Brzeska zusammen mit Ulli Potofski vor dem gemeinsamen Training mit den Seniorenfußballern des SV Rohrbach/S.

Wie hast Du die sportliche Entwicklung der TSG Hoffenheim wahrgenommen?
Potofski:
 Es gab eine Zeit, wo man das Gefühl hatte, jetzt greifen sie ganz oben an. Danach ging es aber auch in eine andere Richtung, wo trotz hoher Investitionen in Spieler aus verschiedenen Ländern es weiter runter ging. Wie schon gesagt, eine Etablierung im Bundesliga-Mittelfeld wäre ganz gut.

„Realistisch sehe ich die Hoffenheimer zwischen Platz 8 und 12“

Potofski zum Abschneiden der TSG Hoffenheim in der Saison 2023/24

Was traust Du der Mannschaft in dieser Saison zu? Der Wunsch nach internationalem Fußball im Kraichgau ist groß.
Potofski:
Das zu realisieren wird aus meiner Sicht sehr schwer. Realistisch sehe ich die Hoffenheimer zwischen Platz 8 und 12. Doch das habe ich auch schon über andere Vereine wie Mönchengladbach und meinen Herzverein Schalke 04 gesagt und da lag ich völlig daneben.

Potofski in der Mixed-Zone nach dem Bundesligaspiel der TSG Hoffenheim gegen den 1. FC Heidenheim

„es unheimlich schwer einen Profiverein zu führen, besonders den FC Schalke 04“

Geständnis über den Herzverein Schalke 04

Als Schalke-Fan durchlebst Du derzeit schwierige Zeiten.
Potofski:
Als gebürtiger Gelsenkirchener tut das schon weh, aber ich muss ganz klar sagen, dass die Zeiten vorbei sind, wo ich wegen eines Fußballvereins leide. Ich habe eine Menge Sympathien für die Menschen dort. Man muss sich mal vorstellen, dass da 60.000 Zuschauer zu einem Zweitligisten kommen, um dort lausigen Fußball geboten zu bekommen. Das muss man so deutlich sagen. Bei einem Durchschnittseintrittspreis von rund 35.-€ nimmt der Verein pro Spiel über zwei Millionen Euro ein und schafft es nicht, die Mannschaft in vernünftige Gefilde zu führen. Da fragt man sich natürlich wie, warum, weshalb. Die genauen Zahlen kenne ich nicht, aber ich weiß, dass es unheimlich schwer ist einen Profiverein zu führen, besonders bei Schalke 04 ist das doppelt so schwer. Die Königsblauen müssen momentan froh sein, wenn sie in der 2. Liga bleiben und dann müssen sie nochmals und schon wieder alles auf den Kopf stellen.

„Passt auf, lasst euch nicht verarschen vom Fußball“

Potofski über die Entwicklung im Profifußball

Wie hat sich deiner Meinung nach in der Bundesliga der Fußball verändert bzw. entwickelt?
Potofski:
Wir müssen aufpassen, dass wir dem Profifußball nicht alles nachtragen. Wir müssen nicht jedes neue Trikot für 100.-€ kaufen. Ich finde es ganz merkwürdig, dass Profis manchmal meinen, dass sie 100.000.-€ im Monat zu Recht verdienen. Dem ist nicht so. Es ist ein großes Entertainmentgeschäft geworden. Ich habe ja damit angefangen und 1987 die Bundesliga für RTL gekauft und produziert. Inzwischen ist alles viel größer geworden und dennoch bin ich der Meinung, dass wir keine Investoren benötigen. Dadurch würde von irgendwoher noch mehr Geld in die Liga fließen, aber das Geld würde dann wieder bei den Spielern landen und dadurch würde nichts besser werden. In England wird noch mehr für den Fußball bezahlt, aber unterm Strich bleibt ein Fußballspiel ein Fußballspiel. Wenn die Qualität bei Bayern München oder dem FC Schalke oder dem SV Rohrbach geringer ist, dann ist das so und es wird weitergespielt. Ich weiß, dass es etwas unpopulär ist, wenn man über 50 Jahre wie ich dabei ist und sein Geld damit verdient, aber ich bin nie reich damit geworden. Ich sage nur: Passt auf, lasst euch nicht verarschen vom Fußball.

Ein langjähriger Leser der Rohrbacher Vereinszeitung SV-Magazin

„Gewisse Ultra-Gruppierungen sehen sich wichtiger als den Verein“

Potofski über die aktuellen Fanproteste

Die Fans machen mit ihren Protesten deutlich, was sie von Investoren in der DFL halten.
Potofski:
Auch da muss man genau hinschauen. Gewisse Ultra-Gruppierungen sehen sich hier wichtiger als den Verein. Auch das Thema Pyrotechnik zählt für mich dazu. Das Abfackeln hat bei uns nicht so eine große Tradition. Früher gab es das nur in den südeuropäischen Ländern. Wenn das organisiert abgebrannt wird habe ich nichts dagegen, ich möchte nur nicht irgendwo stehen, wo ich damit in Berührung komme.

Blick voraus: Im Sommer findet in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft statt. Wie groß ist bei Dir bereits die Vorfreude?
Potofski:
In Stimmung bin ich noch nicht, doch vielleicht kommt das noch. Ein zweites Sommermärchen wird es mit Sicherheit nicht mehr geben. Ich werde mir mit Sicherheit einige Spiele anschauen, aber ich bin auch ehrlich: Mir ist es nicht so wichtig, ob WIR Europameister werden sondern würde mich vielmehr über schönen, begeisternden Fußball freuen. Ich traue der deutschen Mannschaft zu, dass sie eine gute Rolle spielen wird.

Konzentrierter Blick vor dem Interview am Spielfeldrand

Zuletzt gab es wenig Gründe euphorisch zu sein.
Potofski:
Unsere Nationalmannschaft hat uns bei den letzten großen Turnieren nicht so viel Freude bereitet. Aber so ist es im Leben, Dinge verändern sich. Vielleicht sind wir auch etwas zu bequem geworden oder legen zu viel Wert auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Fußball, der für mich lieber einfach bleiben soll.

Fußball ist ein Fehlerspiel und ohne Fehler wird das alles stinklangweilig

Potofski über die zum Teil viel zu detaillierte Sportberichterstattung

Auch in der Berichterstattung hat sich einiges verändert.
Potofski:
Das ist richtig. Ich mag es nicht, wenn Fußballspiele von zwei Moderatoren kommentiert werden und dabei alles, wirklich alles analysiert und jeder noch so kleine Fehler zum Thema wird. Das weiß ist als Zuschauer doch selbst, das muss mir doch nicht noch einer erklären. Fußball ist ein Fehlerspiel und ohne Fehler wird das alles stinklangweilig und deshalb muss man nicht mit tausend Pfeilen und Laptops alles erklärt bekommen. Dabei möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich früher auch schon mit Günter Netzer und Lothar Matthäus zusammen Spiele kommentiert habe. Damals waren die Rollen verteilt, ich habe als „Chef“ den Co-Kommentator angesprochen in bestimmten Situationen, wenn ich das Gefühl hatte, das kann der Netzer besser als ich erklären – aber nicht permanent und pausenlos. Ein Höhepunkt als Kommentator war für mich das WM-Finale 1986 in Mexiko City vor 120.000 Zuschauern zwischen Deutschland und Argentinien, was wir leider 2:3 verloren hatten.

Heute ist alles rund ums Spiel bis aufs Kleinste durchplant und organisiert. 
Potofski:
Wenn ich nochmals auf meine Anfangszeiten bei RTL-Anpfiff zurückblicke, da ist man nach dem Spielabpfiff mit dem Mikrofon und der Kamera einfach aufs Spielfeld losmarschiert und hat den Spieler interviewt, für den man sich entschieden hat. Wenn ich das heute machen würde, würde ich riesen Ärger bekommen. Heute muss man fünf Minuten vor dem Abpfiff bekanntgeben, wen man interviewen möchte und dann ist es ganz wichtig, dass auch die Sponsorenwand aufgebaut ist. Jetzt sind wir wieder beim Thema, der kommerziellen Voraussetzungen, die den Fußball beherrschen.

Potofski bei einer Kinderbuchpräsentation 2015 in Rohrbach/S.

„Keiner macht einen Fehler mit Absicht“

Zum Thema: kritische Berichterstattung

Wie lange möchtest Du Dir das noch antun?
Potofski:
Wie lange ich das noch machen werde weiß ich nicht. Ich sage nur immer wieder: ein Älterer im Team kann nicht schaden. Für die jungen Leute kann es auch mal hilfreich sein, wenn ihnen jemand vor Augen hält, dass es auch mit etwas Empathie und Verständnis geht und nicht so sehr wie, „ich zeig auf dich mit dem Zeigefinger, du hast einen schlimmen Fehler begangen“. Keiner macht einen Fehler mit Absicht. Man sollte Leute, in allen Lebenslagen, nicht unter Druck setzen und an den Pranger stellen. Das ist so meine Einstellung.

Du bist mit 72 Jahren immer noch nahe dran am Sportgeschehen. Wenn man Dir so zuhört, dann ist da von Altersmüdigkeit überhaupt keine Spur.
Potofski:
(lacht) Ich bin Opa, habe zwei Enkel, die noch zu klein sind, um sich für Fußball zu interessieren. Ich bin aktuell für Sky als Field-Reporter im Einsatz, mache am Spielfeldrand vor dem Anpfiff, während der Pause und nach dem Spiel Interviews mit den Beteiligten. Ich schreibe hin und wieder noch ein Büchlein und mache einige verrückte Sachen. So war ich vor ein paar Tagen in Berlin bei Til Schweiger zu Hause, der einen Film über den Boxer Graciano „Rocky“ Rocchigiani gemacht hat. Eine wunderbare Dokumentation, wo ich auch mitwirken konnte, weil ich damals 1987/88 dabei war, als Rocchigiani zum ersten Mal Weltmeister wurde – eine wirklich tragische Geschichte. Dabei werden Erinnerungen, sowohl positiv wie negativ in mir wach.

Zur Person:

Als gelernter Koch begann Ulli Potofski 1970 bei Radio Luxemburg seine journalistische Laufbahn. Nebenbei war er als Puppenspieler, Schlagersänger und Diskjockey tätig. 1979 ging er als Sportreporter zum WDR-Hörfunk und 1984 zu RTL plus, wo er von 1988 bis 1992 die Fernsehsendung Anpfiff moderierte. 1989 erhielt er einen Bambi. Als Sportreporter berichtete er zudem über Tennis und Skispringen. Bis Mitte 2006 präsentierte der gebürtige Gelsenkirchener am Wochenende den Sportteil in RTL aktuell und von November 2004 bis Mai 2005 war er Gastgeber der DSF-Sendung Kreisklasse. Seit 2006 berichtet er für den Bezahlsender Sky (bis 2009 Premiere) von Spielen der Fußball-Bundesliga sowie des DFB-Pokals. Von 2011 bis 2015 leitete Potofski die Spieltagsvorschau Mein Stadion – Die Sky Bundesliga Vorschau. Im Januar 2007 gründete er zusammen mit dem TV-Journalisten Alexander von der Groeben das Unternehmen Napasai Media, das unter anderem Hörbücher und Werbefilme entwickelt und vertreibt. 2016 nahm er an der 9. Staffel der Tanzshow Let´s Dance teil, wo er trotz wenig Tanzbegabung lange im Wettbewerb blieb. Seine vielseitige Karriere, seine stets positive und freundliche Ausstrahlung machten ihn sehr bekannt und beliebt.

Fotos: BWA und Kraichgaufoto

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