„Die Stimmung ist bei Spielern und Betreuer bestens. Jeder freut sich auf die WM!“ – Teil 1

Nationalmannschafts-Assistenztrainer und künftiger DFB-Sportdirektor Hansi Flick im ausführlichen WM-Interview für bwa-sport.de – Teil 1
Kurz vor Beginn der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, stand uns Nationalmannschafts-Assistenztrainer Hansi Flick in einem ausführlichen und informativen Interview Rede und Antwort. Der in Bammental wohnende, ehemalige Fußballprofi, äußert sich dabei zum aktuellen Zustand der deutschen Mannschaft, dem Teamgeist, dem Mannschaftsquartier und zu Gastgeberland Brasilien. Zudem verrät er einiges über die Vorrundengegner, die Titelchancen, warum der Hoffenheimer Kevin Volland nicht dabei ist und die Erwartungshaltung der deutschen Fans.
Wir haben das umfangreiche Interview in drei Teile aufgeteilt und werden, nach dem heutigen Beginn, die Fortsetzungen am Mittwoch und Donnerstag, rechtzeitig vor dem Startschuss der WM in Brasilien, auf bwa-sport.de veröffentlichen.

Welche Möglichkeiten haben Sie ausgeschöpft, um aus Konkurrenten des Bundesligaalltags richtige Team-Player zu formen? Welche Methoden bedienten Sie sich, um einen bedingungslosen Mannschaftsgeist herzustellen?
Hansi Flick: Teamgeist entsteht aus der Mannschaft heraus, er lässt sich nicht von außen erzwingen. Das Schöne ist: Wenn die Spieler bei der Nationalmannschaft sind, denken sie nicht mehr in Vereinskategorien. Im Trainingslager in Südtirol war es für mich eine Freude zu erleben, wie gut die Atmosphäre in der Mannschaft war. Natürlich hat der schlimme Autounfall bei einem Sponsorentermin die Zeit im Trainingslager belastet. Aber mich hat beeindruckt, wie gut die Mannschaft damit umgegangen ist. Sie können sicher sein, dass bei uns jeder die nötige Sensibilität für diese Situation hatte. Und dennoch: Die Stimmung ist bestens. Das gilt für Spieler wie Betreuer. Jeder freut sich auf die WM und darauf, dass es nun endlich bald los geht.

Als Assistent von Bundestrainer Joachim Löw arbeiten Sie in vielen Bereichen rund um die Deutsche Nationalmannschaft eng zusammen. Bei wieviel Prozent Leistungsvermögen ist die Mannschaft kurz vor ihrem ersten WM-Spiel angekommen?
Hansi Flick: Die Vorbereitung ist insgesamt wirklich gut gelaufen, die Mannschaft hat hervorragend gearbeitet, wir haben einige Reizpunkte gesetzt, das Puzzle setzt sich langsam zusammen. Wir sind noch nicht bei 100 Prozent, aber das müssen wir jetzt auch noch gar nicht. Ein solches Turnier dauert ja ein paar Wochen. Wichtig ist, dass wir am 16. Juni bei 100 Prozent sind, wenn für uns die WM mit dem Spiel gegen Portugal beginnt. Und das werden wir sein.

Die Analyse der nächsten Gegner zählt auch zu Ihren Aufgaben. Was erwartet uns von den Vorrundengegnern Portugal, Ghana und USA?
Hansi Flick: Gerade das Auftaktspiel ist immer sehr wichtig. Häufig ist es so, dass Teams von einem guten Beginn durch das ganze Turnier getragen werden. Wir haben vor Portugal großen Respekt, aber wer sich die Spiele in der jüngeren Vergangenheit angeschaut hat, weiß, dass wir gegen sie eigentlich immer ganz gut ausgesehen haben. Sie haben eine absolute Klassemannschaft und Cristiano Ronaldo ist einer der besten Fußballer der Welt, er kann Spiele allein entscheiden. Aber wir haben mehrfach bewiesen, dass wir die Möglichkeit haben, ihn aus dem Spiel zu nehmen. Ghana ist eine der besten afrikanischen Mannschaften. Bei der WM 2010 stand das Team schon mit mehr als einem Bein in Halbfinale – seither haben sie noch mehr Erfahrung hinzugewonnen. Für uns alle ein wenig speziell wird dann die Partie gegen die USA. Jürgen Klinsmann hat eine, nicht nur physisch, starke Mannschaft. Und wer ihn kennt, weiß, dass die USA gegen uns kein Motivationsproblem haben werden. (lacht)

Personell gab es im Vorfeld Verletzungsprobleme wichtiger Stammspieler. Wird die Zeit reichen, diese Probleme bis zum Portugal-Spiel in den Griff zu bekommen?
Hansi Flick: Sie sagen es richtig, diese Probleme gab es vor dem Turnier. Sorgen würde ich mir machen, wenn diese Probleme während des Turniers auftreten würden. Sami war bei Real Madrid schon seit Wochen im Mannschaftstraining, Philipp und Bastian haben bei uns schon wieder voll mit der Mannschaft trainiert. Auch um Manuel Neuer mache ich mir keine Sorgen, ich gehe davon aus, dass er gegen Portugal spielen kann. Natürlich wäre es besser, wenn insbesondere die drei Feldspieler mehr Spielpraxis hätten, voll im Rhythmus sind sie nicht. Aber: Wir reden hier von Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira. Viel mehr Qualität geht nicht, viel mehr Erfahrung geht nicht. Wenn es Spieler gibt, die mit wenig Spielpraxis schnell ihr altes Niveau erreichen können, dann sind es Spieler wie diese drei.

Wie haben Sie Land und Leute im WM-Gastgeberland Brasilien bisher wahr genommen?
Hansi Flick: Brasilien ist für mich ein Beispiel, dass manche Klischees eben doch zutreffen. Die Brasilianer habe ich als herzlich, warm, ausgelassen und lebensfroh erlebt. Ihre Freude ist ansteckend, sie ist ehrlich und nicht aufgesetzt. Und sie haben mit uns Deutschen etwas gemeinsam: Die leidenschaftliche Begeisterung für den Fußball. Die Atmosphäre beim Confed Cup war sehr beeindruckend, sie hat meine Vorfreude auf die WM noch einmal gesteigert.

Foto: BWA

Teil 2 und Interview-Fortsetzung am morgigen Mittwoch

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