„Fahren mit dem Plan nach München, dort zu gewinnen“

TSG möchte nach drei erfolgreichen Spielen gegen die Bayern ein viertes folgen lassen

Am 20. Spieltag gastiert die TSG Hoffenheim zum zehnten Mal bei Bundesligakrösus Bayern München. Gegen keinen anderen Erstligist haben die Kraichgauer bei sieben Niederlagen und zwei Unentschieden eine schlechtere Auswärtsbilanz. Von solchen Statistiken hält Trainer Julian Nagelsmann bekanntlich wenig. Was ihn dabei optimistisch stimmt ist die Tatsache, dass unter seiner Regie die TSG in bisherigen drei Bundesliga-Duellen mit den Rot-Weißen zwei Siege und ein Remis verbuchen konnte. Diese positive Bilanz ist außergewöhnlich, zumal die Hoffenheimer zuvor keines der 17 Direktduelle für sich entscheiden konnten. Bei der heutigen Pressekonferenz zeigte sich der TSG-Coach angriffslustig: „Unser Spiel ist von Mut geprägt. Wir haben drei erfolgreiche Spiele gegen die Bayern hinter uns und ich denke, dass wir auch noch ein viertes erfolgreich gestalten können. Es wird für uns nicht darum gehen, den Schaden zu begrenzen. Wir fahren mit dem Plan nach München, dort zu gewinnen.“

Nadiem Amiri (re.) versucht Bayerns Kingsley Coman zu stoppen

"Wenn wir nur defensiv spielen, werden wir verlieren"

Dieses Unterfangen dürfte sich jedoch als äußerst schwierig erweisen. Die Münchner, die bereits nach 19 Spieltagen 16 Punkte Vorsprung auf Platz 2 aufweisen und auf dem besten Weg sind vorzeitig die sechste Deutsche Meisterschaft in Folge einzufahren, verfügen über die beste Offensive und Defensive der Liga. Zu Hause haben sie 25 von 27 möglichen Punkten bei einem Torverhältnis von 27:6 geholt. Kapitän Kevin Vogt sieht in der Schwere der Aufgabe nur ein Mittel, um für eine Überraschung zu sorgen: „Wir wissen, dass es in München ganz schwierig wird, aber wir wissen auch, dass wir die Bayern schon geschlagen haben. Wenn wir nur defensiv spielen, nicht agieren, sondern nur darauf aus sind, Gegentore zu vermeiden, werden wir verlieren. Dann ist es nur eine Frage der Zeit bis die Bayern die Tore machen.“

"Müssen in München voll angreifen und einen Punkt holen"

Für Bayern-Leihgabe Serge Gnabry gibt es am Samstagnachmittag nur ein Mittel: „Wir müssen jetzt alle Kräfte sammeln und gegen München voll angreifen und dort einen Punkt holen." Dass er den Bayern gehört, blendet er völlig aus: „Das wird für mich ein ganz normales Spiel. Ich spiele jetzt für die TSG und werde alles Mögliche für das Team geben. Wir müssen die Punkte holen, um oben dran zu bleiben.“ Um dieses ehrgeizige Unterfangen auch in der Tat umzusetzen, müssen für den U21-Europameister einige Dinge im Hoffenheimer Spiel schnellstens abgestellt werden. Gnabry: „Wir spielen unser Chancen nicht sauber und präzise zu Ende. Oft versuchen wir noch einen  Hacken oder eine Pass zu spielen, anstatt vielleicht mal drauf zu hauen. Definitiv haben wir zu wenige Abschlüsse.“

Besondere Umstände führten dazu, dass die TSG zuletzt zwei Mal in Folge die Bayern besiegte

Nagelsmann sieht die aktuelle Situation etwas anders, als am 3. Spieltag, wo sein Team noch 2:0 triumphierte: „Als wir in der Hinrunde gegen die Bayern gespielt haben, war noch nicht ganz klar, wohin die Reise in der Saison gehen würde. Wir waren mit vier Punkten aus zwei Partien in die Liga gestartet und hatten einen ganz guten Lauf. Inzwischen haben die Bayern einen unglaublichen Lauf und verlieren kaum noch ein Spiel. Wir hingegen haben momentan nicht den Mega-Run.“ Dass es dennoch zuletzt zwei Mal in Folge gelang, dem großen Favoriten ein Bein zu stellen, stuft der TSG-Trainer unter dem Begriff `besondere Umstände` ab. Nagelsmann: „Wir haben tolle Tore herausgespielt und hatten in der einen oder anderen Situation auch das nötige Glück. Hummels, Müller oder Lewandowski hatten in diesen Partien große Möglichkeiten, die ungenutzt blieben.“

Torjäger Robert Lewandowski scheitert hier nur knapp am Hoffenheimer Tor

Personell sieht es ganz gut aus

Personell können die Blau-Weißen aus dem Vollen schöpfen. Der komplette Kader hat diese Woche trainiert. Ob alle auch einsatzfähig sind, ließ Nagelsmann noch offen: „Kevin Akpoguma stand wieder zwei Mal mit dem Team auf dem Feld, Kerem Demirbay ein Mal. Auch Nadiem Amiri ist früher zurückgekehrt als gedacht. Jetzt müssen wir schauen, wie sie sich im Elf-gegen-Elf präsentieren und ob ein Einsatz gegen die Bayern schon Sinn macht.“

Es fehlt nach wie vor an Effektivität und Kaltschnäuzigkeit

Über die Entwicklung seines Teams sagte der 30-jährige Fußballlehrer: „Wenn man unsere Spiele aktuell mit jenen aus der Vorrunde oder der vergangenen Saison vergleicht, fällt auf, dass die Spielanlage nicht zwingend schlechter ist, dass wir nicht schlechter verteidigen. Aber uns fehlt die Effektivität. Wir kommen in vielen Situationen nicht zum Abschluss, weil unser Entscheidungsverhalten vor dem Tor nicht gut ist.“ Seine mathematische Hochrechnung war unmissverständlich: „Wir haben zurzeit oft nur zwei anstatt zehn Abschlüsse. Und dann ist es letztlich Wahrscheinlichkeitsrechnung - bei zehn Möglichkeiten ist die Chance auf ein Tor größer als bei nur zwei. Wir waren zuletzt zu Hause besser als in der Hinrunde in Leverkusen. Dort haben wir 2:2 gespielt, jetzt haben wir 1:4 verloren. Wir brauchen wieder mehr Kaltschnäuzigkeit und mehr Torgefahr. Ich habe in den letzten Tagen mit den Stürmern wieder Gespräche geführt. Und wenn unsere Mittelfeldspieler auf den Achter-Positionen auch Tore schießen würden, hätte ich nichts dagegen.“

"Stehe bei jedem Spiel im Fokus"

Negatives Denken kennt er nicht: „Ich bin keiner, der graue Bilder malte und dunkle Wolken aufziehen sieht sondern blicke positiv nach vorne. Es fehlen kleine Prozentpunkte, für ein besseres Ergebnis.“
Auf die Frage, ob er angesichts der immer wieder aufkommenden Diskussion um ein mögliches Trainer-Engagement in seiner bayerischen Heimat am Samstag besonders nervös sein, sagte Nagelsmann: „Nervös? Im Fokus stehe ich doch bei jedem Spiel.“

Heynckes ist für mich Ansporn, auch so einen Weg gehen zu wollen"

Über Bayern-Kollegen Jupp Heynckes, der bereits Trainer der Münchner war, als Nagelsmann noch nicht mal geboren war, fand der Hoffe-Coach lobende Worte: „Jupp Heynckes war bei allen Klubs erfolgreich, hat viele Titel geholt. Er kann auf eine komplette Karriere zurückblicken. Da kann man nur Applaus klatschen. Dies ist für mich Ansporn, auch so einen Weg als Trainer gehen zu wollen.“  

TSG ein Ausbildungsverein

Auf eine weitere Frage, ob es für ihn als ehrgeizigen Trainer nicht frustrierend sein, dass immer die besten Spieler abgegeben werden, verwies der gebürtige Landsberger auf die Vereinsphilosophie: „Ich bin schon lange bei der TSG und kenne den Plan des Klubs. Wir werden auch langfristig junge Spieler entwickeln und integrieren und sie irgendwann abgeben, wenn sie das Interesse größerer Klubs auf sich ziehen. So stellt die TSG sicher, dass sie auch langfristig Bundesliga spielt.“ Dabei unterstrich er erneut, dass sein Arbeitgeber sich als Ausbildungsverein sieht: „Als Trainer sieht man Abgänge mit einem lachenden und einem weinenden Auge - natürlich würde ich gerne mit Top-Spielern länger zusammenarbeiten, aber so läuft das Geschäft. Und das Interesse anderer Klubs bedeutet auch, dass wir einen guten Job machen, dass unsere Spieler wahrgenommen werden. Ich will mit meinem Trainerteam eine gute Gruppe, eine gute Mannschaft formen und gleichzeitig Spieler persönlich weiterentwickeln. Wenn das gelingt, ist das schön und es stellt sich Erfolg ein. Gleichzeitig bedeutet das, dass andere Teams aber auch auf diese Leistungen aufmerksam werden.“
2.700 Hoffe-Fans machen sich am Samstag (Spielbeginn: 15.30 Uhr) auf den Weg in die bayerische Landeshauptstadt. Ob die Zuversicht auf den ersten Dreier vor 75.000 Zuschauern in der WM-Arena von 2006 genauso so groß ist wie beim TSG-Coach, darf stark angezweifelt werden.

Fotos: Kraichgaufoto

Kerem Demirbay (re.) im Zweikampf mit Thiago Alcántara, Pavel Kaderabek im Zweikampf mit Bayerns Rafinia, TSG-Keeper Baumann klärt, Torjubel bei denKraichgauern, Amiri im Duell mit Müller, Kramaric (li.) im zweikampf mit Martinez, Uth traf im Hinspiel zwei Mal gegen die Bayern, und Amiri beim Dribbling

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