Fehlende Grundordnung ließ alle EM-Träume platzen

Deutschland unterliegt Portugal 3:4

Das Turnier-Aus schon nach zwei Vorrundenspielen – das hatte im Vorfeld der U19-Europameisterschaft kaum einer für möglich gehalten. Noch bevor sich das Turnier nach der Vorrunde vom Württembergischen ins Badische, mit den Halbfinalspielen in Sandhausen und Mannheim sowie dem finalen Höhepunkt in Sinsheim, begibt, sind die EM-Titelträume für die hochgelobten Gastgeber ausgeträumt. 0:1 gegen defensivstarke Italiener in Stuttgart und 3:4 in Großaspach gegen spielstarke und clevere Portugiesen.  

Die Niederlage gegen Portugal war, ebenso wie die beim Turnierauftakt gegen die Azzurris, vermeidbar. Weil die Streichsbier-Elf jedoch zum Auftakt offensiv fahrlässig agierte und gegen Portugal wegen defensiver Naivität nicht einmal drei Treffer von Philipp Ochs zu einem Punktgewinn reichten, geht es nun um das Minimalziel Platz fünf. Ein Sieg im abschließenden Gruppenspiel am Sonntag gegen Österreich in Reutlingen (19.30 Uhr) bedeutet die Zulassung zum Spiel um Platz 5, der wiederum zur Teilnahme an der U-20-WM 2017 in Südkorea berechtigt.

Der Schock bei den Spielern, trotz drei geschossener Tore vor heimischem Publikum und der vertanen Chance sich für das Halbfinale in Sandhausen zu qualifizieren, wirkte lange nach. Mit hängenden Köpfen schlichen die DFB-Junioren aus der Umkleidekabine, wenig Lust auf Interviews in der kleinen Mix-Zone der mechatronik-Arena. Die meisten suchten die Einsamkeit der Dunkelheit des Kunstrasenplatzes vor der Haupttribüne, wo sie in sich gingen oder mit Bekannten telefonierten.

Dabei fing es gegen die Südeuropäer sehr gut an. Früh brachte der Hoffenheimer Philipp Ochs die Gastgeber vor 7.270 Zuschauern nach elf Minuten in Führung. 20 Minuten später scheiterte Max Besuschkow mit einem Lattenkracher aus 25 Metern an der portugisischen Querlatte. Inmitten der deutschen Drangphase markierten die Portugiesen wenig später den 1:1 Ausgleich durch Asumah Ankrah (37.) nach einer missglückten Abwehraktion von Kapitän Benedikt Gimber.

Trainer Guido Streichsbier beklagte später in der Pressekonferenz das in dieser Phase „fehlende Turnierglück“. Wie beim Siegtreffer der Italiener verwertete der Kontrahent erst den zweiten Ball.

Auch beim zweiten Gegentreffer wirkte die deutsche Hintermannschaft unentschlossen, ließ den Gegner ungehindert einen schnellen Konter zum 1:2 (48.) durch Goncalo Rodrigues abschließen. Doch die Gastgeber kamen zurück. Nach einem sehenswerten Spielzug entschied Schiedsrichter Bart Vertenten aus Belgien auf Strafstoß. Ochs verwandelte mit seinem zweiten Treffer sicher zum 2:2 (68.). Völlig unnötig zu diesem Zeitpunkt verloren die DFB-Junioren in der Folge die Balance. Ballverluste im Mittelfeld, fehlende Zuordnungen und große Freiräume ermöglichten den dynamischen und flinken Portugiesen zweimal Konter-Tore durch Alexandre Silva (70.) und Buta (74.). Dieser Doppelschlag erwies sich als Knockout für die deutschen, auch wenn Ochs in der Nachspielzeit mit seinem zweiten sicher verwandelten Elfmeter auf 3:4 verkürzen konnte.

In der Euphorie nach dem Ausgleich verloren die Streichsbier-Schützlinge die Übersicht. „Das sind junge Burschen“, nahm der DFB-Trainer seine Spieler in Schutz. „Ich weiß noch wie Franz Beckenbauer 1986 sein Team nach dem 2:2 zurückhalten wollte – und am Ende saßen wir weinend vor dem Fernseher. So etwas passiert also auch ausgebufften Profis“, erinnerte der 46-Jährige an das 2:3 verlorene WM-Finale gegen Argentinien.

Streichsbier hofft nun auf den ersten Turniersieg am Sonntag gegen Österreich, um sich die Chancen auf Platz fünf aufrecht zu erhalten: „Dafür müssen wir alles geben und nächstes Jahr gereifter ein erfolgreiches Turnier spielen. Wir haben die Jungs nochmal damit konfrontiert, dass Deutschland auch im Jugendfußball für eine gewisse Mentalität steht, nach Rückschlägen in Turnieren zurückzukommen.“

Es wäre ein halbwegs versöhnlicher Abschluss eines viel beachteten Turniers mit Zuschauerrekorden und einer Menge TV-Präsenz. Zunächst überwiegt jedoch die Enttäuschung in Schwarz-Rot-Gold.

Fotos: BWA

Zwei Spieler aus der Region: Philipp Ochs (2. v.l.) und Benedikt Gimper (re.), DFB-Couch Guido Streichsbier in Gedanken, Dichtes Gedränge im portugiesischen Strafraum, Portugal erzielt in Überzahlspiel einen Treffer, und Sucht nach einer Erklärung für das frühe Turnier-Aus: Guido Streichsbier

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