„Für Hoffenheim wird die neue Saison um ein Vielfaches schwerer“

Rudi Völler: "Sandhausen wird von niemanden mehr unterschätzt"

Rudi Völler wurde mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft 1990 in Italien Weltmeister, daneben gewann er 1993 die Champions League mit Olympique Marseille. Von 2000 bis 2004 war der gebürtige Hanauer Teamchef der deutschen Nationalmannschaft, die unter seiner Leitung 2002 Vize-Weltmeister wurde. Seit Januar 2005 arbeitet der 57-Jährige in der Funktion des Sportdirektors beim Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen. Nach dem Testspiel beim SV Sandhausen unterhielt sich bwa-sport.de mit dem ehemaligen Weltklassestürmer.
Herr Völler, Ihr erster Besuch in Sandhausen endete gleich mit einer Niederlage.
Völler:
Als wir zum Stadion kamen habe ich mich noch gefragt, ´ob ich schon einmal hier war?` Gefühlt war ich ja schon in jedem Stadion von der ersten bis zur zehnten Liga. Dass mein erster Besuch hier mit einer Niederlage endet, wird meine Erinnerung stärken.

Rudi Völler (re.) diskutiert mit Hoffenheims Eugen Polanski und em damaligen Trainer Markus Gisdol über das "Phantom-Tor" von Sinsheim

Tolles Stadion, in dem ein guter Fußball gespielt wird

Was hat Ihnen beim SV besonders gut gefallen?
Völler:
„Sandhausen verfügt über ein sehr schönes, vereinseigenes Stadion mit toller Atmosphäre. Die Zuschauer sind sehr nahe am Spielfeld und können alles sehr gut überblicken. In den letzten fünf Jahren haben die Verantwortlichen in der zweiten Liga einen tollen Job gemacht. Der Verein wird vor der Saison immer gerne zu den Abstiegskandidaten gezählt. Doch nach sieben oder acht Spielen merkt man dann schnell, dass da doch ein guter Fußball gespielt wird und am Ende der Klassenerhalt steht.

Es ist sicherlich ein Vorteil, wenn man unterschätzt wird.
Völler:
Jetzt nicht mehr, das war vielleicht am Anfang nach dem Aufstieg so. Jetzt unterschätzt keiner mehr die Mannschaft. Das vorhandene Potenzial ist sehr gut, das konnte man auch im Spiel gegen uns deutlich erkennen.

Volland wird eine tolle Saison spielen

Ihr Stürmern Kevin Volland hat sich nach seinem Wechsel von Hoffenheim nach Leverkusen sein erstes Jahr sicherlich anders vorgestellt. Was trauen Sie ihm für die neue Saison zu?
Völler:
Kevin kam mit großen Vorschusslorbeeren zu uns, hat in den Vorbereitung super gespielt, alle waren begeistert. Als die Liga los ging hat er sich gleich eine Rote Karte gegen Hoffenheim geholt. Das hat ihn sehr belastet, danach war er lange verletzt. Die Vorrunde war total verkorkst. Am Ende der Rückrunde, als wir unten reingerutscht sind, hat er gezeigt, was er drauf hat und warum wir ihn geholt haben. Er wird jetzt eine tolle Saison spielen. 

Rudi Völler (rechts) verfolgt das Spiel in Sandhausen von der Haupttribüne aus

Die TSG Hoffenheim zählte zu den positiven Überraschungen der letzten Saison. Der Star ist der Trainer, der von allen Seiten gelobt wird.
Völler:
Dass Julian Nagelsmann zum Trainer des Jahres gewählt wurde, war für mich nicht so überraschend. Wenn man unerwartet am Ende den vierten Platz belegt, dann ist das schon eine super Leistung. Der Junge hat einen tollen Auftritt, ist immer zurückhaltend, bescheiden. Ich mag das, wenn einer auch im Erfolg auf dem Boden bleibt.

Die internationalen Auftritte werden ihre Spuren hinterlassen

Was trauen Sie der TSG in der neuen Saison zu?
Völler:
Bei aller Wertschätzung, die neue Saison wird um ein Vielfaches schwerer. Ich weiß das aus der Zeit, wo wir international unterwegs waren, da kommt einiges auf die TSG zu, das sie so noch nicht kannte. Die langen Reisen und mehr Spiele hinterlassen ihre Spuren. Das wird eine große Herausforderung, aber das haben sie sich auch verdient.

Das Wort „Mehrfachbelastung“ möchte Trainer Nagelsmann nahezu verbieten.
Völler:
Das wird ihm aber nicht gelingen. In den letzten Jahren konnten auch wir immer wieder feststellen, dass es vor allem in der Gruppenphase sehr schwer wird. Da hat man zwei englische Wochen in der Bundesliga, den Pokal und dann noch die internationalen Spiele. In Deutschland gibt es da nur den FC Bayern München, der auf höchsten Niveau hier auftreten kann. Sie haben zwei komplette super Mannschaften, die da auftreten. Bei den anderen sorgen Verletzungen und Sperren für einen dünnen Kader, was sich als größere Probleme herausstellt. Hoffenheim soll und wird seine Erfahrungen machen. Da gehört dazu, das möchte man letztendlich auch.

Die Doppelbelastung kann ausschlaggebend sein

Welche Teams sehen Sie in der neuen Saison tabellarisch ganz vorne, welche weiter unten?
Völler:
„(lacht) Ich bin risikoreich und lehne mich mal weit aus dem Fenster und sage, die Bayern werden wieder Meister. Dortmund wird die einzige Mannschaft sein, die mithalten kann, dahinter gibt es zwischen Platz drei und 13 wenig Unterschiede. Da wird es, wie zuletzt, sehr eng werden. Vielleicht spielt da auch die Doppelbelastung eine große, entscheidende Rolle. Warten wir es mal ab.

Ein leidiges Thema ist immer wieder die Wechselfrist im Sommer. Wie stehen Sie dazu?
Völler:
Ich bin schon sehr lange dabei und wir diskutieren schon seit Jahren darüber. Doch dies ist ein Thema, das wir definitiv nicht ändern können, da verliert man nur Energie und Zeit. Die Diskussion gab es schon vor 5, 10 und 15 Jahren und es wird so bleiben. Das bringt nicht, das ist genauso, wie wenn man in einen Stau hinein fährt. Da braucht man sich auch nicht ärgern, denn man steht ja drin.

Fotos: Hans-Jürgen Of, BWA und Kraichgaufoto.

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