Am 11. Februar wurde Julian Nagelsmann Nachfolger von Huub Stevens bei der TSG 1899 Hoffenheim und damit zum jüngsten Cheftrainer in der Bundesliga-Geschichte. Parallel zur Mission Klassenerhalt bestand der 28-Jährige, als zweitbester Prüfungsteilnehmer, die Lizenz zum Fußballlehrer. Das mediale Interesse am gebürtigen Landsberger war enorm, mehr als 100 Interviewanfragen lagen innerhalb kurzer Zeit vor. Während der Länderspielpause fand sich nun Zeit und Gelegenheit für ein aktuelles Interview.
Herr Nagelsmann, konnten Sie während der Länderspielpause, nach den turbulenten und ereignisreichen letzten Wochen, so richtig durchatmen?
Julian Nagelsmann: Ich habe die Zeit über Ostern dazu genutzt, etwas Ruhe zu bekommen und herunter zu fahren, habe im Trainingszentrum auch selbst Sport getrieben und zum Beispiel im Footbonauten trainiert. Aber natürlich war ich in Gedanken schon beim nächsten Gegner.
Der Trainingsbetrieb war zuletzt recht überschaubar, ein Großteil Ihrer Spieler war auf Länderspielreise.
Nagelsmann: Es waren nur noch 13 Spieler da, dennoch kann man auch mit einer kleinen Gruppe gut und intensiv trainieren. Gewöhnlich sind die Profis, wenn alle hier sind, ja aufgeteilt in verschiedene Trainingsgruppen. In der Bundesligapause haben wir nun mit den Spielern, die im Trainingszentrum waren, etwas enger zusammenarbeiten können als sonst.
Den ganzen Hype um Ihre Person haben Sie souverän weggesteckt.
Nagelsmann: Der ganze Rummel um meine Person macht mir nichts aus, ich kann damit gut leben. Ich wusste schon aus der Zeit als Co-Trainer, was auf mich zukommt. Auch wenn man vielerorts öfter angesprochen wird, führe ich weiterhin ein ganz normales Leben.
Wie unterscheidet sich für Sie die Arbeit im Jugend- von der im Profibereich?
Nagelsmann: Abgesehen von der medialen Seite ist die Arbeit ähnlich. Was die Menschenführung anbelangt, ist sie bei den Profis anspruchsvoller, intensiver und umfangreicher. Während man bei den Jugendlichen mehr vorgeben muss, die Jungs auf ihrem Weg mit Ratschlägen begleitet. Wichtig ist bei allem den richtigen Draht zueinander zu finden und mit Freude bei der Arbeit zu sein.
Sie sind bei Ihren Trainingsmethoden sehr variabel, nutzen auch gerne moderne Techniken.
Nagelsmann: Das Moderne kann immer helfen, wenn es Neuerungen hervorbringt, die sinnvoll sind, wie z.B. unseren Footbonauten. Hier kann sich jeder einzelne verbessern. Aber natürlich nimmt die Arbeit auf dem Platz weiterhin den größten Stellenwert ein – doch auch hier kann man auch viele gute Hilfsmittel einbauen.
Ihre bisherige Bilanz als Profitrainer verlief sehr erfolgreich.
Nagelsmann: Wichtig ist mit der Mannschaft Ideen zu erarbeiten und diese gemeinsam auf dem Platz umzusetzen. Die Anfangserfolge halfen dabei natürlich mit. Ich möchte den Jungs Sicherheit und Freude für ihr Spiel vermitteln.
Sind Sie mit der bisherigen Entwicklung der Mannschaft zufrieden?
Nagelsmann: In den vergangenen Wochen bin ich mit dem, was die Mannschaft geleistet und wie sie die Anforderungen umgesetzt hat, zufrieden. Die sportliche Situation ist und war nicht einfach, von da her muss man auch etwas Geduld haben. Doch schon bei der Jugendarbeit habe ich mich davon verabschiedet, vom Perfekten zu träumen – das gibt es nicht oder sehr, sehr selten. Fußball ist ein Fehlerspiel und das muss man tolerieren. Wir sind aber auf einem guten Weg.
Die Kaderplanung für die nächste Saison ist bedingt durch die Ungewissheit, wie es sportlich weiter geht, sicherlich schwieriger.
Nagelsmann: Der Fokus liegt eindeutig und klar auf den nächsten Spielen. Dennoch bin ich mit Alexander Rosen im fast täglichen Austausch. Das Thema Kaderplanung ist ein fortlaufender Prozess vom ersten bis zum letzten Tag einer Saison.
Wie gehen Sie mit Niederlagen um?
Nagelsmann: Auch wenn es mir im bisherigen Leben noch nicht so richtig leichtgefallen ist zu verlieren, muss man lernen, damit umzugehen. Es ist ein ganz normaler Lernprozess. Es kann zwar schon mal vorkommen, dass ich nach Niederlagen schon mal patzigere Antworten gebe, aber das legt sich dann schnell wieder.
Gibt es Vorgehensweisen von Trainerkollegen, die Sie ganz besonders schätzen?
Nagelsmann: Die Menschenführung, der Umgang mit Stars hat mich bei Otmar Hitzfeld sehr beeindruckt. Es gibt allgemein viele Dinge und Momente, von denen man für die weitere Zukunft noch lernen und profitieren kann.
Sind Sie ein Typ, der sich leicht aus der Fassung bringen lässt?
Nagelsmann: Natürlich gibt es schon mal Dinge, die einen aus der Fassung bringen können. Grundsätzlich richte ich den Blick nach vorne. Verhaltensweisen oder strittige Schiedsrichterentscheidungen sind nicht immer leicht zu verarbeiten, doch ich versuche den Fokus nicht so sehr auf das zu richten, was man eh nicht mehr beeinflussen kann.
Die halbe Liga steckt im Abstiegskampf, wie groß sind die Chancen, dass es für die TSG am Ende reicht?
Nagelsmann: Wichtig ist, dass wir nur auf uns schauen und versuchen unsere Spiele zu gewinnen. Das ist das einzig Richtige, was wir machen können. Während statistisch gesehen die ersten vier Plätze meist von den gleichen Top-Teams belegt werden, ist für den neutralen Zuschauer die Situation im Kampf um den Klassenerhalt total spannend. Das Ganze belebt die Bundesliga.
Stört es Sie, dass inmitten der heißen Phase des Abstiegskampfes verstärkt Wechselgerüchte aufkommen?
Nagelsmann: Das ist keine Belastung für mich. Und auch die Spieler sind alle top fokussiert auf ihre Aufgabe. Es ist der normale Gang der Dinge im Profifußball, das beeinträchtigt und überrascht uns nicht, wir wissen damit umzugehen. Dass Interesse an unseren Spielern besteht, bestätigt letztendlich auch unsere Arbeit und Qualität.
Welche Überschrift würden Sie gerne nach am 34. Spieltag lesen?
Nagelsmann: … dass sich die Mannschaft in der 1. Liga gehalten hat.
Foto: Kraichgaufoto