„Fußball ist manchmal ein unsauberes Geschäft“

Interview mit SVS-Ehrenpräsident Erich Balles

Im Jahre des 100-jährigen Vereinsjubiläums startet der SV Sandhausen am 6. August in seine fünfte Zweitligasaison. Für bwa-sport.de ein Anlass sich mit dem im Frühjahr 80 Jahre alt gewordenen Ehrenpräsidenten Erich Balles über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des SVS zu unterhalten. 

Herr Balles, Sie waren von 1978 bis 1999 Präsident des SV Sandhausen. Was waren Ihre Beweggründe für Ihr damaliges Engagement.
Erich Balles:
Ich bin Ende der Siebziger durch meine Freunde Werner Kindermann und Theo Machmeier Vereinsmitglied und anschließend immer mehr in die Verantwortung herangezogen worden. Der Bauunternehmer Kindermann war damals federführend, Machmeier der Spielleiter. Fußball war schon immer meine Leidenschaft, auch wenn ich nie selbst gespielt habe. Für mich ist dies nicht Voraussetzung sondern viel wichtiger, dass man wirtschaften kann.

„Ich am Pfingstsamstag beim DFB-Sportgericht und zu Hause eine volle Metzgerei“

Die Führung Ihres Metzgereibetriebs und die Präsidententätigkeit erlaubten sicherlich wenige Freiräume für andere Dinge.
Balles:
Die Führung des SVS war eine geschäftliche Angelegenheit, ähnlich wie die meines Betriebes. Beides ist vergleichbar, man muss sich nur richtig engagieren und die Zeit entsprechend einteilen. Neben der Unterstützung und dem Verständnis meiner Frau hatte ich in Ludwig Hambrecht als Kassier und Harald Krebs als zweiter Vorsitzender zuverlässige Wegbegleiter zur Seite. Auch im Geschäft konnte ich mich immer auf gute Mitarbeiter verlassen – der Beruf sollte nie darunter leiden.

Sicherlich gab es auch schwierige Amtszeiten.
Balles:
Besonders in Erinnerung bleibt mir ein Sportgerichtstermin an einem Pfingstsamstag wegen einer Rangelei in Feudenheim, wo ich als haftender Vorsitzender anwesend sein musste. Zu Hause in der Metzgerei war richtig viel Betrieb. 

Im ersten Jahr holten wir gleich die Deutsche Amateurmeisterschaft

Was motivierte Sie?
Balles
: Spaß und Freude machte mir immer wieder, dass ich sowohl im Verein als auch in der Firma gute Nachfolger hatte. Im Jahr 2000 wurde ich zum Ehrenpräsidenten erklärt. Obwohl ich immer wieder zusammen mit Kindermann und Machmeier für den Titel „Deutscher Amateurmeister“ gekämpft habe, wurden wir meistens Zweiter. In meinem ersten Amtsjahr stand uns das Glück zur Seite und wir holten die Meisterschaft.

In den 80er Jahren hatte der SVS in den Aufstiegsspielen nur knapp die zweite Bundesliga verfehlt.
Balles: In Darmstadt sind wir knapp gescheitert, unser Torwart Feldmann hatte sich den Fuß gebrochen. Jetzt kam es zu einem Treffen der damaligen Spieler, unter anderem mit Flick, Emmerling, Zietsch, Gomminginger, Sauter und Wild.

Gutes, freundschaftliches Verhältnis zu Uli Hoeneß

Hans-Dieter Flick wechselte in Ihrer Amtszeit zum FC Bayern München ab?
Balles:
Zusammen mit unserem Technischer Leiter Wolfgang Reinhard traf ich mich  im Bayerischen Hof in München mit dem damaligen Manager Uli Hoeneß, zu dem ich ein gutes Verhältnis hatte. Er war ein kühler Geschäftsmann, wir waren uns schnell einig und der Kontakt ist seitdem nicht mehr abgebrochen.

Sie haben auch einen Bayern-Spieler an den Hardtwald geholt.
Balles:
Davor hatte ich schon mal Kontakt mit einem Bayern-Spieler: Wir waren in einer sportlich schwierigen Lage und verpflichteten daher Franz „Bulle“ Roth. Sandhausen war ihm durch Rainer Ohlhauser bereits bekannt. Nach einem guten Gespräch in Bad Tölz kam er kurz darauf mit seiner Frau nach Sandhausen und wir haben alles klar gemacht.

Welche besonderen Erinnerungen bleiben noch haften?
Balles: Bei den Spielern werde ich den draufgängerischen und bissigen Rudi Kern nie vergessen. In guter Erinnerung bleibt Julius Eisel, ein jahrelanger Freund und großer Unterstützer des SV, der leider schon verstorben ist. Julius hat stets geholfen, wenn es Schwierigkeiten mit abwanderungswilligen Spielern gab.

Elfmeterdrama machte Sandhausen berühmt

Was waren Ihre sportlichen Highlights in Ihrer Amtszeit?
Balles:
  Zuerst ist da die Deutsche Amateurmeisterschaft 1978, die wir auch dank des schnellen und technisch begabten Wolfgang Engelhardt im Finale gegen Ingolstadt gewannen.  Er hat für uns im Finalheimspiel die Grundlage zur Meisterschaft gelegt. Unvergessen bleibt das DFB-Pokalspiel gegen den Bundesligisten VfB Stuttgart, das auch heute noch bei jeder Pokalübertragung im Fernsehen eingeblendet wird. Als es damals zum Elfmeterschießen kam, war ich mir ganz sicher, dass wir dies gewinnen. Wir hatten mit Georg Reiser einen technisch starken Torwart und wenn es zum Duell „Torwart gegen Torwart“ kommt, wusste ich, dass wie gewinnen. Der TV-Kommentator Rolf Töpperwien ist seit diesem Spiel ein Freund von mir.

Der SVS erreichte nach dem nie enden wollenden Elfmeterkrimi bundesweite Beachtung.
Balles:
Einmal war ich in St. Leon-Rot zu einer Veranstaltung mit Ministerpräsident Erwin Teufel eingeladen. Ich sagte zu ihm: „Herr Ministerpräsident, einen Tag war Sandhausen anstelle von Stuttgart die Landeshauptstadt von Baden-Württemberg“. Die vielen Duelle mit VfR Mannheim, FV Weinheim oder SG HD-Kirchheim bleiben unvergessen. Wir haben im Amateurbereich stets am oberen Level gespielt. In der damaligen Zeit hätte man es sich nie vorstellen können, dass der SVS mal im Profibereich spielen würde.

Was sagen Sie zur gegenwärtigen Entwicklung am Hardtwald?
Balles:
Ich glaube es ist einmalig in Deutschland, dass ein Aufsteiger sportlich derart erfolgreich ist und zudem noch die Stadionausbau- bzw. -erweiterungsarbeiten völlig privat abwickelt. Wenn sich Präsident Jürgen Machmeier etwas anschaut, weiß er als Ingenieur natürlich sofort, was er daraus machen kann. Davon haben wir rund um das Hardtwaldstadion sehr profitiert. Der erste Spatenstich zur Haupttribüne erfolgte noch unter meiner Regie als Präsident. Mit Erich Bertsch hatten wir zudem einen Bürgermeister, der uns gut beraten und unterstützt hat. Wir waren gute Freunde und haben uns regelmäßig auf ein Bierchen oder Schörlchen getroffen.

Fußball ein unsauberes Geschäft, bei dem oftmals das Wort nicht mehr zählt

Und was sagen Sie zum überraschenden Abschied von Alois Schwartz bis hin zum neuen SVS-Trainer Kenan Kocak?
Balles:
Fußball ist manchmal ein unsauberes Geschäft, weil Menschen nicht ihr Wort halten. Früher hatte ein Wort größeres Gewicht, man konnte sich aufeinander verlassen. Unter Kocak kann ich mir durchaus vorstellen, dass es sportlich dynamischer und offensiver wird. Ich wünsche ihm viel Glück dafür. Mit Otmar Schork haben wir einen geradlinigen und erfahrenen Geschäftsführer, der den Verein bestens kennt. Er verfügt nicht nur über große Fachkenntnisse, sondern ist auch menschlich sehr charakterstark.

Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Balles:
Durch einen Schlaganfall bin ich etwas zurückgeschmissen worden, ich darf mich nicht aufregen und gehe nicht mehr so in die Öffentlichkeit. Dennoch habe ich mich gut erholt. Viele, die einen ähnlichen Schlaganfall hatten, bekamen kurz darauf einen zweiten hinterher. Ich war und bin geistig voll da und bin deshalb dankbar, dass es gesundheitlich so positiv gelaufen ist.

 

Foto: BWA

 

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