Hauptprobleme sind das Fehlen von Firmino und das nicht abgerufene Potenzial

Fünf Fragen an drei Fußballexperten

bwa-sport.de hat vor dem Rückrundenstart der Fußball-Bundesliga drei Fußballexperten fünf Fragen zur 1899 Hoffenheim im Abstiegkampf gestellt. Um es vorweg zu nehmen, Stephanie Krotz, Karlheinz Förster und Ronny Zimmermann glauben an den Klassenerhalt. Die Gründe und Ansichten zur aktuellen Situation sind jedoch verschieden. Hier die Experten-Meinungen:

Wird die TSG Hoffenheim den Klassenerhalt schaffen und wenn ja, was stimmt Sie dabei optimistisch?

Karlheinz Förster: Ich bin überzeugt davon, dass es die Hoffenheimer schaffen werden. In der Mannschaft steckt genügend Qualität. Es war richtig Trainer Huub Stevens, der den VfB Stuttgart zwei Mal vor dem Abstieg gerettet hat, zu verpflichten. Dennoch wird es schwer, da unten heraus zu kommen. Es gibt in dieser Saison keine Abstiegskandidaten. Bei Bremen, Frankfurt, Hannover, Stuttgart und Hoffenheim sind Steigerungen möglich.
Stephanie Krotz: Ja klar, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich bin sehr positiv, dass die Jungs das noch herumreisen. Da viele Spieler noch zur Europameisterschaft wollen, habe ich die Hoffnung, dass sie in der Rückrunde alles geben und kämpfen.
Ronny Zimmermann: Ja, Hoffenheim wird das schaffen. Einmal weil ich selbst immer optimistisch eingestellt bin und andererseits glaube ich, dass die TSG in der Rückrunde ihr wahres Gesicht zeigen wird.

Was ist Ihrer Meinung nach die Ursachen für die enttäuschende Hinrunde?

Stephanie Krotz: Für mich ist ganz deutlich zu erkennen, dass viele Spieler nicht ihr Potenzial abrufen, das zweifellos vorhanden ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass einige Spieler nicht richtig fit waren. Ganz auffallend auch, dass die Abgänge von erfahrenen Spielern nicht adäquat besetzt wurden und daher eine sehr große Lücke entstand.
Karlheinz Förster: Der Hauptgrund ist für mich der Verlust von Roberto Firmino. Der Brasilianer hat, durch seine vielen Tore und Torvorlagen, eine große Lücke hinterlassen, die man nicht schließen konnte. Zudem kosteten viele späte Gegentore sehr viele Punkte. Das muss in der Rückrunde unbedingt abgestellt werden.
Ronny Zimmermann: Aus der Distanz ist das immer schwierig zu bewerten. Aber ganz sicher spielen viele psychologische Dinge eine Rolle. Deshalb hoffe ich, dass sich möglichst schnell ein Erfolgserlebnis einstellt, damit man gleich ins richtige Fahrwasser für die Rückrunde kommt. Am Fußballerischen alleine lag es ganz sicher nicht.

Glauben Sie, dass der Trainerwechsel von Markus Gisdol zu Huub Stevens die richtige Entscheidung war?

Ronny Zimmermann: Sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen hilft doch nicht weiter. Die Verantwortlichen haben diese Entscheidung getroffen und jetzt muss man nach vorne sehen und Vollgas geben. Huub Stevens hat jedenfalls schon mehrfach den Beweis erbracht, dass er in derartigen Situationen die richtigen Lösungen findet. Und in Hoffenheim wird ihm das nun auch wieder gelingen.
Karlheinz Förster: Zu diesem Zeitpunkt ja. Ich halte Markus Gisdol zwar für einen ausgezeichneten Trainer, doch der Schritt war notwendig. Ich hatte das Gefühl, dass er in der schwierigen Phase nicht mehr so richtig an die Mannschaft ran kam, teils ratlos wirkte. Der Mannschaft tat der Trainerwechsel gut.
Stephanie Krotz: Eigentlich musste der Verein zwangsläufig diesen Schritt gehen. Die Vergangenheit zeigte schon des Öfteren, dass solche Maßnahmen sich positiv auswirkten und ein Trainerwechsel nochmals neue Impulse frei setzte und ein Ruck durch die Mannschaft ging. Das wollten die Verantwortlichen auch in Hoffenheim erreichen. Persönlich finde ich es unglaublich schade, dass man überhaupt in so eine Situation kam.

Ein Großteil der Spieler konnte bislang noch nicht das vorhandene Potenzial abrufen. Woran könnte das Ihrer Meinung nach liegen?

Stephanie Krotz: Da sollte man am besten die Spieler fragen, welche Gründe hier, ihrer Meinung nach, vorlagen. Die Neuzugänge taten sich schwer, in der Kürze der Zeit sich das für sie neue Spielsystem zu verinnerlichen. Der schmerzliche Verlust des Spielgestalters Roberto Firmino war größer, wie viele sich das vorgestellt hatten. Jetzt merkt man, wie wertvoll er für die Mannschaft tatsächlich war.
Karlheinz Förster: Qualität ist vorhanden, doch sind einige wichtige Spieler leistungsmäßig noch nicht da, wo man sie gerne sehen würde. Eduardo Vargas braucht als Südamerikaner noch Anlaufzeit, Kevin Kuranyi kam spät und ohne Vorbereitung zum Kader. Pavel Kaderabek und Fabian Schär sind in der Bundesliga noch nicht angekommen.
Ronny Zimmermann: Wie schon angesprochen, finden viele elementare Dinge im Kopf statt und wer hier nicht frei ist, wird immer weit unter seiner Leistungsfähigkeit liegen. Daher war die Winterpause für das Team meiner Meinung nach jetzt sehr wichtig. Einmal richtig Durchatmen, dann die entsprechende Vorbereitung körperlich wie psychisch, dann sollte das klappen.

Sollten die Verantwortlichen mehr auf Talente, wie Nadiem Amiri, setzen und Ihnen mehr Vertrauen schenken?

Karlheinz Förster: Dies ist ein allgemeines Thema in der Bundesliga. Es ist sehr schwierig Talente im Abstiegskampf in eine Mannschaft einzubauen. Amiri ist eine Bereicherung für die TSG, doch auch er wird noch Leistungsschwankungen durchmachen. Mit Julian Nagelsmann als künftiger Cheftrainer hat man die Weichen gestellt, um den Nachwuchs noch mehr zu fördern und weiter zu entwickeln. Der Plan könnte aufgehen.
Stephanie Krotz: Ich denke, dass es nicht für alle Talente einfach ist, in der momentan schwierigen Situation schon größere Verantwortung auf die Schultern übertragen zu bekommen. Ich finde es positiv, wenn junge Spieler behutsam, Schritt für Schritt in die Mannschaft eingebaut werden. Verein und Trainer obliegt hier eine große Verantwortung zum Schutz der jungen Spieler. Ich halte nichts von den Aussagen, „die Jungen hätten ja nichts zu verlieren“. Ein sportlicher Misserfolg, wie ein Abstieg, könnte sich negativ auf die weitere Entwicklung, Persönlichkeit und Unbekümmertheit auswirken. Armiri hat seine Chance ergriffen. Ich hoffe, dass er gesund bleibt und der Mannschaft auf dem Weg zum Klassenerhalt helfen kann.
Ronny Zimmermann: Man sollte immer auf Talente setzen und Ihnen Vertrauen schenken. Oftmals stellt sich das von außen leichter dar als es tatsächlich ist. Die Einschätzung, ob ein Talent den gewaltigen Sprung in ein Bundesligateam schafft oder nicht, ist eine unglaublich schwierige Aufgabe. Zu früher und hoher Druck können bei einzelnen auch genau das Gegenteil bewirken.

 

Zur Person:

Stephanie Krotz: Vorsitzende des Dachverbands Supporters Hoffenheim, Mitglied beim 1899-Fanclub First Generation Supports, schon seit Kindheit TSG-Fan, gelernte Erzieherin, kommt aus Hoffenheim, wohnt mit ihrer Familie in Horrenberg.

Karlheinz Förster: ehem. 81-facher Nationalspieler, zweifacher Vize-Weltmeister, Europameister von 1980, ehem. Manager und jetzt Spielerberater, wohnhaft in Unterschwarzach.

Ronny Zimmermann: selbständiger Rechtsanwalt in Wiesloch, Präsident des Badischen Fußballverbandes. Vizepräsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, ehem. Oberligaspieler beim VfB Leimen.

Fotos: BWA

Karlheinz Förster, Stephanie Krotz, und Ronny Zimmermann

Artikel teilen

WERBUNG