Mit Bruno Nazário hat sich 1899 Hoffenheim, nach Carlos Eduardo, Luiz Gustavo und Roberto Firmino, ein weiteres ungeschliffenes brasilianisches Talent unter Vertrag genommen. Im Sommer unterschrieb der 19-Jährige offensive Mittelfeldspieler einen Vierjahresvertrag. Die Ablösesumme soll bei 1,5 Millionen Euro gelegen haben. Unter Trainer Gisdol soll der noch schmächtige Techniker perspektivisch aufgebaut und behutsam an die Bundesliga herangeführt werden. Da er nicht für die U23 spielberechtigt ist, konnte er seine Fähigkeiten bislang nur in Testspielen der Profis demonstrieren. Landsmann Firmino steht stets mit Tipps und Ratschlägen zur Seite, ebenso Teambetreuer César Thier.
BWA: Ihr Kontrakt läuft bis Sommer 2017. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt, wann rechnen Sie mit Ihrem ersten Bundesliga-Einsatz?
Nazario: Es gibt noch viele Dinge, wo ich mich verbessern kann. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit möchte ich mich vor allem im athletischen und technischen Bereich noch weiter entwickeln. Auch die Hoffenheimer Fußball-Philosophie musste ich erst noch kennenlernen. Einen Zeitfaktor gibt es aber nicht, aber natürlich würde ich mich freuen, in Zukunft regelmäßiger im Kader zu sein.
BWA: Sie spielten in der Jugend beim gleichen brasilianischen Verein FC Tombense wie Roberto Firmino. Ein gutes Ohmen?
Nazario: Ja klar. In Tombense wird hervorragende Jugendarbeit geleistet. Viele brasilianische Talente sind dort beheimatet. Roberto und ich habe eine sehr gute Ausbildung dort bekommen.
BWA: Außergewöhnliche Umstände verhinderten Ihr Bundesligadebüt im Oktober in Hannover.
Nazario: Es war eine sehr kuriose Situation. Trainer Gisdol wollte mich zwei Minuten vor Spielende einwechseln, als er bemerkte, dass auf meinem Trikot der SAP-Werbeaufdruck fehlte. Das richtige Spielertrikot war noch in der Umkleidekabine. Natürlich war ich im ersten Moment enttäuscht, nicht ins Spiel kommen zu dürfen. Dennoch überwog die Freude im Kader dabei zu sein und mit der Mannschaft einen Sieg zu feiern. Als ich das nächste Mal in den Spielerkader berufen wurde, habe ich dann natürlich zuerst nach der Trikotbeflockung geschaut. (lacht)
BWA: Wie schwer fiel Ihnen die Umstellung auf das neue Land, die Sprache und Umgebung?
Nazario: Natürlich war es Anfangs etwas völlig Neues für mich. Vor allem die Sprache, die andere Kultur, das Essen, ich musste mich an vieles im täglichen Ablauf erst gewöhnen.
BWA: Was dachten Sie, als Sie zum ersten Mal das neue Trainingszentrum sahen?
Nazario: Ich war total überrascht. Das Trainingsgelände mit seinen tollen Rasenplätzen ist einmalig. Als ich das erste Mal hier trainierte, wollte ich gar nicht mehr nach Hause. Auch die Arbeit der Physio-Abteilung ist super. Auf der Geschäftsstelle ist alles bestens organisiert, die Leute sind sehr nett.
BWA: Mit den Brasilianern Carlos Eduardo, Luiz Gustavo und Roberto Firmino hat man bei 1899 schon sehr gute Erfahrungen mit jungen Brasilianern gemacht. Sie könnten diese Tradition fortsetzen.
Nazario: Ich glaube schon, dass ich das Potenzial dafür habe. Es bedarf jedoch noch einer gewissen Zeit, bis ich mich auf dieses Niveau begeben kann. Ganz klar möchte ich dahin kommen. Roberto hilft mir dabei sehr viel, gibt nützliche Tipps aus der Erfahrung seiner Anfangszeit in Deutschland.
BWA: Firmino ist heiß begehrt, wird höchstwahrscheinlich im Sommer Abschied nehmen. Sie haben von ihm die Rückennummer 22 übernommen.
Nasario: Zunächst hoffe ich, dass Roberto noch lange hier bleibt, damit ich so viel wie möglich von ihm lernen kann. Aber ich werde mich weiterentwickeln und sollte es so kommen, auch auf mich gestellt.
BWA: Haben Sie schon mit der neuen Hightech-Maschine, dem Footbonauten trainiert? Für einen Feintechniker mit Sicherheit eine tolle Sache.
Nazario: Ich habe schon des Öfteren im Footbonauten trainiert und war total begeistert. Die neue Technik bietet die Möglichkeit, sich im technischen Bereich und auch bei der Handlungsschnelligkeit deutlich zu verbessern.
BWA: Markus Gisdol legt großen wert auf die Entwicklung junger Talente. Wie würden Sie den 1899-Coach charakterisieren?
Nazario: Der Trainer gibt uns Spielern sehr viel Vertrauen, ist bei der Arbeit aber auch streng und verlangt viel Disziplin. Die Art und Weise, wie Herr Gisdol trainieren lässt, gefällt mir. Er ist ein Gewinnertyp, will auch bei Trainingsspielen nie verlieren. Diese Leidenschaft, Ehrgeiz und Siegermentalität überträgt sich auch auf uns Spieler.
BWA Was machen Ihre Deutsch-Kenntnisse? Wie versuchen Sie sich schnellstmöglich zu integrieren?
Nazario: Die deutsche Sprache ist nicht einfach zu erlernen. Meine regelmäßigen Unterrichtsstunden habe ich zuletzt intensiviert. Leichter ist es für mich, wenn die Leute auf mich zukommen und mich ansprechen. Ich versuche dann die entsprechenden Wörter zu finden. Problematisch ist noch die Aussprache. Wichtig für mich ist die Fußballersprache, damit ich mit den Kollegen beim Training kommunizieren und gewisse Abläufe besser verstehen kann.
BWA: In drei Monaten beginnt in Ihrer Heimat die Fußball-Weltmeisterschaft. Werden Sie vor Ort sein?
Nazario: Ja, so ein Ereignis möchte ich mir in meiner Heimat nicht entgehen lassen. Meine Beraterfirma hat mich zu einigen Spielen eingeladen. Wenn ich nicht im Stadion bin, werde ich zusammen mit der Familie und Freunden die WM-Spiele am Fernseher anschauen.
BWA: Wer zählt für Sie zu den großen Favoriten und wer holt den Titel?
Nazario: (lacht) Natürlich holt Brasilien den Titel, wer sonst? Deutschland und Spanien, mit etwas Abstrichen vielleicht Italien, werden große Konkurrenten sein.
BWA: Was bedeutet diese Weltmeisterschaft für Ihre Heimat?
Nazario: Brasilien ist das Land des Fußballs. Es wird ein tolles, wunderschönes Turnier geben. Organisatorisch konnte man schon beim Konföderations-Cup im letzten Jahr erkennen, wie gut man vorbereitet ist. Neue, moderne Stadien entstehen, die Infrastruktur wurde verbessert.
BWA: Was fehlt Ihnen hier aus Brasilien am meisten?
Nazario: Meine Familie und Freunde. Die vermisse ich am meisten. Aber sie kommen mich immer mal wieder besuchen, das hilft!