Rosen feiert 10-Jähriges – Rückblick auf Höhen, Besonderheiten und Tiefen

„Wir haben zusammen Geschichte geschrieben”

Am 2. April 2013 wurde Alexander Rosen aus der TSG-Akademie befördert und im Alter von nur 33 Jahren der jüngste Sportdirektor der Bundesliga. Am Sonntag feiert der gebürtige Augsburger und zweifache Familienvater sein zehnjähriges Dienstjubiläum. Im Interview mit tsg-hoffenheim.de, das wir hier veröffentlichen möchten, spricht der 43 Jahre alte Direktor Profifußball der TSG vor dem Spiel in Bremen (Sonntag, 17:30 Uhr) über besondere Momente seiner Amtszeit, die Hoffenheimer Entwicklung in der vergangenen Dekade und die aktuelle sportliche Situation.

Alex, am Sonntag feierst Du Dein zehnjähriges Jubiläum. Du bist am 2. April 2013 zum Direktor Profifußball bei der TSG Hoffenheim aufgestiegen. Wie fühlt es sich nun, zehn Jahre später, an?
Alex Rosen: „Es fühlt sich immer noch sehr gut an und ich bin unfassbar dankbar, dass ich diese Chance seinerzeit von Dietmar Hopp erhalten habe. Das war und ist alles andere als selbstverständlich. Wenn mir jemand diese zehn Jahre als Perspektive damals so hingemalt hätte, mit all den Höhen, den Besonderheiten und auch den vorhandenen Tiefen, dann sage ich heute, wenige Tage vor dem Jubiläum: Fantastisch, was für eine Reise, die würde ich gerne genauso mitgehen. Es war und ist großartig, diese Story hier mitgeprägt zu haben und weiter prägen zu dürfen. Auch in einer herausfordernden Zeit wie der aktuellen.”

Alex Rosen (re.) zusammen mit dem jungen Trainer Julian Nagelsmann auf dem Trainingsgelände

Gedankenwelt ist häufiger mit Negativem behaftet

Du sprichst es an. Die TSG liegt neun Spieltage vor Saisonende auf dem 15. Tabellenplatz, am Wochenende geht es nach Bremen. Schläfst Du angesichts der Situation schlecht?
Rosen: „Mein Schlaf ist erfreulicherweise unverändert gut, was extrem wichtig ist in diesen Zeiten, weil ich in der Nacht regenerieren und die Aufgaben am nächsten Tag dann wieder frisch angehen kann. Ich will es auch nicht zu groß machen. Natürlich ist die Situation auch für mich anstrengend und heraufordernd, aber auf der anderen Seite darf ich hier nach wie vor im Umfeld Bundesliga arbeiten. Ich glaube, wenn wir nach links und rechts in die Gesellschaft blicken, gibt es zahlreiche Menschen, die vor ganz anderen Herausforderungen stehen. Was sich in diesen Phasen definitiv verändert, ist die Gedankenwelt tagsüber, da man viel häufiger mit negativ behafteten Themen konfrontiert ist. Ich habe nach zehn Jahren aber einen relativ großen Erfahrungsschatz, auch was sportliche Extremsituationen und teilweise extreme Bewertungen betrifft. Ich achte auf mich und konnte mir die Fähigkeit aneignen, trotz aller Verantwortung auch immer private Räume zu finden, um dann für den Moment abzuschalten. Wenn am Abend Familienzeit ist, die letzte Stunde der Kinder vor dem Zubettgehen, dann sollte man nicht mit den Gedanken dauernd woanders sein. Man muss sich immer wieder ausklinken und wenn das mentale Immunsystem funktioniert, bleibt man bei den zu bewältigenden Aufgaben auch klar.”

"Man wirkt immer - im Guten wie im Schlechten"

Es ist derzeit eine sportlich extrem angespannte Situation. Was kann der Sportdirektor da beisteuern?
Rosen:
„Alle haben eine Wirkung, alles bedingt sich wechselseitig. Natürlich müssen es am Wochenende letztlich die Spieler auf dem Platz richten, aber ich habe als Sportdirektor, der die Entscheidung für jeden einzelnen Spieler mitgetroffen hat, eine besondere Rolle. Ich glaube, dass man als Führungskraft über Kommunikation, Ausstrahlung, Resilienz und Erfahrung einen erheblichen Einfluss nehmen kann und situativ auch muss. Ich kann zwar weder die Flanke aus dem Sechzehner köpfen noch den letzten Ball über die Linie drücken, aber viele Dinge kann ich beeinflussen, gute Rahmenbedingungen schaffen und einen guten Geist etablieren. Dieser Wirkung darf man sich bewusst sein und das gilt nicht nur für mich. Man wirkt nämlich immer - im Guten wie im Schlechten.”

Zusammenhalt und Glaube da vorhanden

Wie nimmst Du das Team und Trainer Pellegrino Matarazzo in dieser Situation wahr?
Rosen:
„Ich bin täglich mit Rino im Austausch, mal kürzer, mal länger, und ich sehe viele Trainingseinheiten, um ein Gefühl für das Team und die aktuellen Umstände zu bekommen. Ich möchte, dass die Jungs wissen, dass da noch jemand anderes für sie da ist, der keinen Trainingsanzug anhat. Ich nehme seit Wochen wahr, dass sich etwas tut im Klub - auf dem Trainingsplatz, in der Geschäftsstelle, im Umfeld. Es ist Zusammenhalt und es ist Glaube da, die Situation wird anerkannt und akzeptiert. Das ist die Basis, um da wieder herauszukommen. Nach dem Sieg gegen Hertha BSC ist unser aller Aufgabe, nun dauerhaft Leistung und Ergebnis übereinzubringen, um dann von August an in unsere 16. Bundesliga-Saison starten zu können. Das ist ja für sich genommen schon eine großartige Leistung.”

"Sind gescheitert, aufgestanden und haben weitergemacht"

Du hast elf Spielzeiten davon mitgemacht, hast auch zweimal, 2013 und 2016, den Abstiegskampf erlebt. Lassen sich die Situationen vergleichen?
Rosen:
„Eigentlich nicht. 2013 ging es für Markus Gisdol als neuen Trainer und mich als damals neuen Manager beim Amtsantritt eigentlich eher darum, eine bessere Planungsmöglichkeit für den wahrscheinlicheren Fall der zweiten Liga zu schaffen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt keine persönliche Verantwortung für diese Situation und konnten unvorbelastet reingehen. Mit wahnsinnig viel Herzblut, mit viel Engagement, mit Geschick und auch mit ein bisschen Fortune haben wir dann diese großartigen Wende geschafft. 2015/16 war von Beginn an irgendwie Sand im Getriebe, nachdem wir in der Vorsaison die mögliche Europacup-Teilnahme verpasst hatten. Da lief wenig rund und nach der mutigen und besonderen Lösung mit Julian Nagelsmann als neuem Trainer, kamen wir relativ schnell auch wieder in ein Fahrwasser, in dem jeder spüren konnte, dass es nach oben geht. Nun ist die Situation so, dass noch ein Viertel der Saison zu spielen ist und wir nur knapp über dem Strich stehen. Wir sind mitten in einer sehr anspruchsvollen Phase, aber ich habe eine absolute Überzeugung in mir, dass wir es schaffen werden. Die Mannschaft ist intakt, das Trainerteam mit Rino an der Spitze geht mit viel Energie voran und ich nehme trotz der Umstände eine stetig wachsende Stabilität und einen großartigen Zusammenhalt wahr. Ich freue mich wahnsinnig über das Erfolgserlebnis gegen Hertha BSC, das hart erarbeitet werden musste, vielleicht viel härter als manches andere. Wir hätten schon vorher bessere Ergebnisse verdient gehabt, aber wir haben sie nicht bekommen, sind gescheitert und gescheitert und gescheitert, aber wir sind aufgestanden und haben weitergemacht. Auch diese Tatsache verleiht mir große Zuversicht.”

Selbstreflexion und Wachheit, aber auch zukunftsorientiertes Denken

Gibt es in der Rückschau dennoch Entscheidungen, die Du bereust?
Rosen:
„Man tut sich manchmal keinen Gefallen, wenn man Entscheidungen mit großer Zeitverzögerung wieder und wieder bewertet. Es geht immer um den Moment, in dem diese Entscheidungen getroffen wurden. Wichtig ist, dass man sie damals mit bestem Wissen und Gewissen sorgfältig geprüft und aus voller Überzeugung getroffen hat. Dann gehört anschließend auch eine gewisse Akzeptanz dazu - egal, wie das Ergebnis ausfällt. Ich finde es gut, wenn man sich verantwortlich fühlt und ich fühle mich verantwortlich. Wenn man weiß, dass man nicht in der Opferrolle, sondern in der Verantwortung ist, dann hat man auch die Chance etwas zu ändern. Es kann schlicht nicht alles richtig gewesen sein, aber das ist es nie. Das ist mir bewusst. Aber man darf sich auch nach Fehlentwicklungen weder dauerhaft selbst demontieren noch sollte man in der Vergangenheit oder im Konjunktiv leben. Ich reflektiere mich, aber ich muss am nächsten Tag auch die nächste Entscheidung treffen. Selbstreflexion und Wachheit ja, aber man sollte so viel Energie wie möglich in zukunftsorientierte und positive Lösungsszenarien stecken und als Führungskraft mit Zuversicht, Überzeugung und auch einer gewissen Ruhe vorangehen.”

Resultat folgt immer der Leistung

Nun ist das kurzfristige Ziel, die Klassenzugehörigkeit zu sichern.
Rosen:
„Natürlich, aber um an diesem Ziel anzukommen, müssen wir verinnerlichen, dass der Weg dahin ein Prozess ist und dass das Resultat immer der Leistung folgt, wenn die Entwicklung nachhaltig sein soll, nicht andersherum. Natürlich verlief diese Saison nach dem 10. Spieltag im Hinblick auf die Ergebnisse katastrophal, aber vielleicht hilft in der grundsätzlichen Bewertung der TSG Hoffenheim hin und wieder auch die Draufsicht, um wieder etwas mehr Ruhe zu erlangen. Wir sind wirtschaftlich im Mittelfeld der Liga und wir haben in den sechs Spielzeiten zwischen 2016 und 2022 fünfmal wirklich bis zum Schluss um Europa gespielt, uns sogar dreimal qualifiziert. Wir haben hier alle zusammen Geschichte geschrieben. Das ist eine wahnsinnige Bilanz, eine coole Story für den mit Abstand kleinsten Standort der Liga. Aktuell stehen wir nach vielen Jahren wieder einmal im unteren Tabellendrittel. Das ist alles andere als schön und entspricht auch in keiner Weise unserem Anspruch, aber jetzt geht es um Akzeptanz und das feste Zutrauen, diese Herausforderung meistern zu können. Ich glaube, diese Bodenständigkeit ist wichtig, um die Leistungen der Vergangenheit einzuordnen, intern wie extern.”

Familiärer Dorfverein mit herausragender Jugednarbeit sollte im Mittelpunkt stehen

Was wünscht Du Dir für die TSG in den nächsten fünf Jahren?
Rosen: „Ich wünsche mir, dass wieder für mehr Menschen da draußen sichtbarer wird, was hier geleistet wurde und wird. Die TSG bedeutet den Leuten in der Region unheimlich viel und die Dinge, für die dieser Klub steht, das Familiäre, das Dorf, die herausragende Jugendarbeit, das Innovative, das Miteinander, die sportlichen Leistungen - das sollte immer im Mittelpunkt stehen. Wenn wir ein stabiles Mitglied in der Bundesliga bleiben, mit unserem Fokus, dass wir immer offen sind für Neuerungen, mit diesem Geist der Jugend und des Nach-Vorn-Denkens und wenn wir es dann dabei schaffen, immer wieder auch mal für sportliche Highlights zu sorgen, dann wäre das ein hehres Ziel.”

PM: TSG Hoffenheim
Fotos: BWA

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