„Spielerische Lösungen und taktische Ausrichtung haben mich verbessert“

TSG-Keeper Baumann denkt gerne an die internationalen Auftritte mit Freiburg zurück

Hoffenheims Oliver Baumann zählt zu den Top-Torhütern der Fußball-Bundesliga. Geboren in Breisach am Rhein durchlief er die Jugendmannschaften des SC Freiburg, wo er nach dem Gewinn der Deutschen A-Jugendmeisterschaft und einigen Amateurspielen im Mai 2010 sein erstes von inzwischen 223 Bundesligaspielen bestritt. Zur Saison 2014/15 wechselte der 26-Jährige von Süd- nach Nordbaden zur TSG Hoffenheim, wo er bis 2021 unter Vertrag steht. Während der Länderspielpause unterhielt sich bwa-sport.de mit dem TSG-Schlussmann:

Die TSG hat nach den Bayern die zweitwenigsten Gegentore kassiert, in neun Saisonspielen blieben Sie ohne Gegentor. So etwas gab es in der Hoffenheimer Bundesligahistorie nach 25 Spieltagen noch nie.
Oliver Baumann:
Das ist schön. Dass die defensive Stabilität ein wichtiger Teil unseres bisherigen Erfolg ist, sieht jeder, der sich mit der Mannschaft und unseren Spielen auseinandersetzt. Wir haben uns da im Saisonverlauf als Mannschaft deutlich nach vorne entwickelt, aber es gibt immer noch Raum für Verbesserungen. Wir werden uns in den kommenden Spielen nicht ausruhen, sondern weiter Vollgas geben.

Ergebnis harter und intensiver Arbeit

Die Mannschaft spielt einen offensiv gepflegten Fußball und ist dennoch defensiv gefestigt. Was sind für Sie die Gründe für diese richtige Mischung?
Baumann:
Das ist etwas, woran wir seit der Vorbereitung sehr hart arbeiten. Vor allem zu Beginn der Saison hatten wir (deutliche) Defizite in der Kontersicherung. Aber diese ist enorm wichtig, wenn man wie wir dominant auftreten und viel Ballbesitz haben will. Wir haben wichtige Schritte gemacht, aber wir können das noch besser. Dass es nicht perfekt ist, hat beispielsweise die erste Halbzeit gegen Leverkusen gezeigt.

Nachdenklicher Blick aus der Torperspektive

"Mit dem Thema internationalem Wettbewerb setzen wir uns nicht auseinander"

Nach dem Sieg über Leverkusen sind die Voraussetzungen, neun Spieltage vor Saisonende, sich für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren größer denn je. Auch wenn in der Öffentlichkeit dieses Thema von den meisten Ihrer Kollegen elegant umdribbelt wird, wie sehen Sie Chancen für Ihr Team?
Baumann:
Wir haben uns bisher nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt und wir werden es weiterhin nicht tun. In der Kabine spielt das keine Rolle. Auch Julian Nagelsmann thematisiert das nicht. Wir wollen erfolgreich Fußball spielen – Woche für Woche. Der Sieg ist immer unser Ziel. Egal, wie der Gegner heißt. Der Rest kommt mit den Ergebnissen.

Nach der Länderspielpause warten mit Berlin, München, Hamburg, Mönchengladbach, Köln, Frankfurt und Dortmund richtig starke Gegner.
Baumann:
Das ist richtig. Aber – es klingt wahrscheinlich abgedroschen – in der Bundesliga gibt es keine schwachen Gegner. Man ist jede Woche gefordert, alles abzurufen. Wir freuen uns auf die kommenden Aufgaben, aber wir denken nicht so weit voraus. Nach der Pause müssen wir nach Berlin, zum bisher besten Heimteam der Saison. Das wird sehr schwer, aber wir haben auch genug Selbstvertrauen, um daran zu glauben, dass wir da etwas holen.

"Die Europa-League-Teilnahme mit Freiburg war eine neue Erfahrung und etwas Besonderes"

Mit dem SC Freiburg spielten Sie 2013 in der Gruppenphase der Europa-League. Welche Erinnerungen haben Sie noch aus dieser Zeit?
Baumann:
Nur gute. Wir hatten eine super Zeit, eine super Stimmung bei den Heimspielen. Das war schon etwas Besonderes.

Sollte sich die TSG für den Europapokal qualifizieren, wird sich der wöchentliche Rhythmus, was Spiel und Training anbelangt, verändern. Auch ein größerer Spielerkader ist dann von Nöten. Wie war das vor vier Jahren in Freiburg?
Baumann:
Es war natürlich ein Spagat, weil es für viele – auch für mich - eine neue Erfahrung war. Die Englischen Wochen sind körperlich und mental anstrengend.

Vielsagende Geste: Der TSG-Keeper gibt lautstarke Kommandos an seine Mitspieler

Taktische Flexibilität und variable Ausrichtung zeichnen Trainer Nagelsmann aus

Am Hoffenheimer Höhenflug hat vor allem Trainer Julian Nagelsmann einen sehr großen Anteil. Wie charakterisieren Sie Ihren jungen Trainer?
Baumann:
Er ist sehr zielstrebig, fokussiert und arbeitet akribisch. Er weiß genau, was er will und hat eine große Fachkompetenz. Dazu kommt, dass er auch einfach ein Typ ist. Er hat eine gute Ansprache ans Team, bezieht alle mit ein. Ich denke, das ist seine größte Stärke.

Was macht Nagelsmann in der täglichen Trainingsarbeit und Vorbereitung auf ein Spiel anders, als die meisten seiner Trainerkollegen?
Baumann:
Ich will ihn gar nicht mit anderen vergleichen. Was ihn auszeichnet, ist sicherlich die taktische Flexibilität. Er ist nicht auf eine Grundordnung festgelegt, sondern hat uns eine sehr variable Ausrichtung mitgegeben. Wir schaffen es meist, unser Spiel zu machen und uns dennoch an den Gegner anzupassen. Wir haben einen sehr konkreten Plan mit konkreten Aufgaben für jeden Spieler.

"Torwarttraining ist enorm abwechslungsreich und immer zielorientiert"

Ihr Torwarttrainer Michael Rechner ist bei der Auswahl der Übungseinheiten immer wieder erfinderisch, bringt viel Abwechslung und Neues ins Torwarttraining ein. Beschreiben Sie doch bitte mal die Zusammenarbeit mit ihm?
Baumann:
Sie könnte nicht besser sein. Er ist ein Grund dafür, dass ich bei der TSG in den vergangenen Jahren noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht habe. Er scheut keine Neuerung, sein Training ist enorm abwechslungsreich und immer zielorientiert. Wir machen keine neuen Dinge, weil sie cool sind, sondern weil sie mich, Alexander Stolz und Gregor Kobel weiterbringen.

Was war bislang das außergewöhnlichste, was es beim Torwarttraining hat einfließen lassen?
Baumann:
Das sind wohl schon die Visionup Strobe Glasses. Das ist eine „Sonnenbrille“, die die Wahrnehmung im Training stört und diese damit gleichzeitig trainiert.

"Kids haben uns ganz schön aus der Reserve gelockt"

Sie haben sich zuletzt vor allem auch fußballerisch sehr weiterentwickelt, versuchen meist den Spielaufbau mit zu gestalten, ohne dabei den Ball hoch und weit nach vorne zu schlagen.
Baumann: Das ist einfach eine Aufgabe, die ich unter Julian Nagelsmann habe. Wir versuchen, spielerische Lösungen zu finden. Das fängt schon bei mir an. Ich denke, diese taktische Ausrichtung hat dazu beigetragen, dass ich mich auf diesem Gebiet verbessern konnte.

Vor wenigen Tagen stellten Sie sich bei einer Pressekonferenz mit Trainer Nagelsmann den Fragen junger Hoffe-Fans. Die Kinder waren sehr Schlagfertigkeit in ihren Fragestellungen. Wie war Ihr Resümee?
Baumann:
Das war eine absolut gelungene Veranstaltung. Ich glaube, den Kids hat es richtig Spaß gemacht und Julian und mir ebenso. Es waren lustige Fragen dabei, die uns auch mal richtig aus der Reserve gelockt haben.

Ziel ist es Punkte aus Berlin mitzunehmen

Was sind aktuell Ihre größten Wünsche in sportlicher und privater Sicht?
Baumann:
Privat und sportlich läuft es bei mir sehr gut. Ich habe in Hoffenheim bis 2021 verlängert und fühle mich mit meiner Frau hier sehr wohl. Dazu läuft es auf dem Platz quasi nach Wunsch. Deshalb habe ich gar keine Wünsche, sondern eher Ziele. Das erste – mit Punkten aus Berlin zurückkommen.

Fotos: Kraichgaufoto und BWA

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