„Um Madrid zu schlagen, muss man schon gut sein“

"Ein Sieg, der auch dem deutschen Fußball gut tut" - "Stimmung war Gänsehaut pur"

Der 4:2-Sieg der Hoffenheimer U19 im Viertelfinale der UEFA Youth League gegen Real Madrid wird unvergessen bleiben und in den Geschichtsbücher des Kraichgauer Bundesligisten eingehen. Bei Dauerregen, teilweise auch Blitz und Donner, lieferten die Hoffenheimer A-Junioren auf einem tief aufgeweichten und von vielen Pfützen übersäten Rasen des Dietmar-Hopp-Stadions in der Hoffenheimer Silbergasse eine überzeugende Leistung, gegen die selbst die favorisierten Madrilenen am Ende nichts mehr entgegenzusetzen hatten.

Erinnerungen an 2008 wurden wieder wach

Bei einigen der 6.350 Zuschauer wurden Erinnerungen wach, an ein anderes denkwürdige Ereignis an gleicher Stelle. Am 18. Mai 2008 feierte die TSG letztmals vor vollem Haus den Erstligaaufstieg mit einem 5:0-Sieg über die SpVgg Greuther Fürth. Die Spielstätte am Großen Wald sowie der große Andrang waren identisch groß, nur das Wetter nicht. Der eine sprach an diesem Mittwochabend von „Fritz-Walter-Wetter“, der eine erinnerte sich noch an die Wasserschlacht bei der WM 1974 in Frankfurt zwischen Deutschland und Polen.

Viele Zweikämpfe auf schwierigem, nassen Untergrund prägten die Partie

Außergewöhnliche Stimmung bei einem U19-Spiel

Beeindruckend war die Stimmung der Hoffe-Fans, die ähnlich wie in der nahegelegenen Bundesliga-Arena Sinsheim ihr Bestes gaben und die A-Junioren lautstark unterstützten. Einfallsreich war auch die Choreographie kurz vor Anpfiff mit der aussagekräftigen Botschaft „Bauer schlägt König – Schachmatt“. Dass sich dies 90 Minuten später bewahrheiten würde, glaubten zu diesem Zeitpunkt die Wenigsten. Aufgrund ihrer Begeisterung sangen die Fans während des Spiels das Badn´er-Lied, dann ihren „Europapokal-Song“. Viele lagen sich am Ende überglücklich in den Armen, feierten den denkwürdigen Sieg über den renommierten, erfolgreichen spanischen Traditionsverein.

"Um Madrid zu schlagen, muss man schon gut sein"

Erfolgstrainer Marcel Rapp, der vor wenigen Tagen die DFB-Fußballlehrerlizenz in der Sportschule Hennef abschloss, bescheinigte seiner Mannschaft „einen super Fight bei äußerst schwierigen Bedingungen“. „Um Madrid zu schlagen, glaube ich, muss man schon gut sein“, analysierte Rapp kurz und knapp. Das Wetter sah der Trainer nicht als Hauptgrund für den Sieg: „Da wir uns auch über Ballbesitz-Fußball definieren, war es auch für uns nicht so einfach. Für beide Teams war es kein Vorteil. In der ersten Halbzeit war fußballerisch mehr drin, weil der Platz einfach mehr hergegeben hat. Hinten raus war es dann mehr kämpfen. Ich glaube aber aufgrund der Mehrzahl an Chancen haben wir verdient gewonnen.“ Den Respekt gegen den großen Gegner legte seine Mannschaft dank der beiden frühen Tore schnell abgelegt. Rapp: „Die Tore waren schön herausgespielt, wir haben es einfach gut gemacht. Unsere Jungs sind schon Nationalspieler, haben auf diesem Niveau schon andere Spiele gemacht.“ Aufgrund der Führung zeigte sich Rapp während des Spiels recht entspannt, hatte nie das Gefühl, dass noch was schief gehen könnte.

Held des Abends war der zweifache Torschütze Tim Linsbichler (li.), der hier seinen Treffer zum 3:1 feiert

"Die Stimmung hat meine Jungs noch mal gepuscht - jetzt ist einiges möglich"

Gegenüber bwa-sport.de lobte der 39-jährige gebürtige Pforzheimer vor allem auch die Atmosphäre im Stadion, die für ihn großen Anteil am Erfolg hatte: „Großes Lob an die Jungs hinterm Tor, die eine tolle Stimmung gemacht haben. Dies hat meine Jungs nochmals gepuscht, das war super.“ Den Einzug ins Final Four hatte Rapp zu Saisonbeginn nicht auf der Rechnung, glaubt jetzt aber an ein tolles Saisonende: „Porto ist im Jugendfußball eine richtige Nummer. Wir freuen uns auf den nächsten Gegner genauso wie zuvor auf Real Madrid und das Erlebnis in Nyon spielen zu dürfen. Die Jungs haben sich von Spiel zu Spiel weiter gesteigert, daher ist jetzt einiges möglich.“

"Gut auch für den deutschen Fußball"

Für Dirk Mack, Hoffenheims Direktor im Nachwuchsbereich, war es bislang der größte Erfolg im Jugendbereich: „Wir haben sehr gut angefangen und hatten über das gesamte Spiel die Mehrzahl an Chancen, von daher war der Sieg nicht unverdient. Die schwierigen Platzverhältnisse sind uns ein Stück weit entgegen gekommen, auch weil wir geführt haben.“ Gedanklich hat Mack schon die weiteren Termine fest im Visier: „Die beiden Halbfinalspiele finden am Freitag, den 26. April statt, so dass wir ein oder zwei Tage zuvor nach Nyon anreisen werden. Das Finale steigt dann, je nach Ausgang für uns, am Montag, den 29. April.“ Mack sieht den Erfolg auch über die Hoffenheimer Grenzen hinaus: „Für den deutschen Fußball ist es allgemein gut, dass diese Konstellation entstanden ist und wir unter den letzten Vier dabei sind. Wir sind happy, die Jungs haben es sich verdient. Die Stimmung hier im Stadion habe ich so noch nicht erlebt. Die Zuschauer haben die Mannschaft sensationell unterstützt und auch ein Stück weit beflügelt.“

"Es war für uns Gänsehaut pur"

Doppeltorschütze Tim Linsbichler war nach dem Spiel im Stadion-Innenraum ein begehrter Interviewpartner. Der 19-jährige Österreicher sagte rückblickend auf die intensiven 90 Minuten: „Für mich ist es ein herausragendes Gefühl, als ich zweimal traf. Wir wussten, dass das Stadion ausverkauft ist und haben gehofft, dass die Ultras auch da sein werden. Die eingebaute Choreographie war super. Die Stimmung während und nach dem Spiel war Gänsehaut pur. Nach dem Abpfiff machten wir zusammen, ähnlich wie bei den Profis, Party pur.“

"Habe gehofft, dass der Ball im Wasser liegen bleibt"

Das Wetter sah der gebürtige Wiener nicht als entscheidenden Vorteil für sein Team: „Wir haben uns den Bedingungen angepasst und, ich glaube, es dann auch gut über die Runden gebracht. Die Bedingungen waren für beide Mannschaften gleich schwer, wenngleich wir mit solchem Wetter eher vertraut sind als die Spanier." Nachdem der 1,92 Meter große Stürmer bei seinem ersten Treffer zum zwischenzeitlichen 3:1 etwas Glück hatte, dass sein Schuss leicht abgefälscht über Torhüter Diego Altube hinweg ins Tor ging, vertraute er vor dem zweiten Tor auf die äußeren Bedingungen: „Bei meinem zweiten Treffer zum 4:1 habe ich gehofft, dass da genügend Wasser vor dem Tor ist, damit der Ball vor meinen Füßen liegen bleibt und nicht weiter rollt.“ 

Zukunftsgedanken werden noch hinten angestellt

Nach der Saison endet für Linsbichler die Zeit bei der U19 und er wechselt in den Seniorenbereich. Wie es im Sommer weitergeht, darüber hat sich der Offensivspieler noch keine Gedanken gemacht: „Ich konzentriere mich jetzt voll auf die U19. Wir wollen das Ganze noch gut über die Runde bringen und dann sehen wir weiter. Gesprochen wurde über die weitere Zukunft noch nicht.“ Nach dem ersten längeren Interview ging es für ihn dann zurück in die Spielerkabine, wo die Mannschaftskollegen bereits lautstark "Europapokal - Europapokal" sangen!

Fotos: BWA

Eindrucksvolle, originelle Choreographie der TSG-Fans vor dem Anpfiff und Fakten

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