Voraussetzungen sind schwieriger, Erwartungshaltung dafür größer

Exklusiv-Interview mit dem ehemaligen Weltklasse-Verteidiger und jetzigem Spielerberater Karlheinz Förster über die TSG 1899 Hoffenheim kurz vor dem Bundesliga-Start 2015/16.

bwa-sport.de: Welche Rolle wird die TSG in der neuen Bundesliga-Saison spielen?
Förster: Wenn die Leistungen konstant sind, traue ich Hoffenheim eine gute Rolle zu. Ob es zur Europa-League reichen wird, muss man erst abwarten und die Entwicklung sehen. Die Konkurrenz um Platz 5 – 7 ist groß. So leicht wie in der vergangenen Saison wird es auf keinen Fall, die Voraussetzungen sind weitaus schwieriger. Zudem ist das schwere Auftaktprogramm kein Vorteil. Die Erwartungshaltung ist jetzt größer geworden, man erwartet den nächsten Schritt, trotz der großen Konkurrenz.

Niklas Süle, dem Sie als Berater nahestehen, steht der TSG wieder zur Verfügung. Ist er wieder voll einsetzbar?
Förster: Niklas hat die schwere Verletzung völlig überwunden und ist auch im Kopf diesbezüglich völlig frei. Verständlich, dass bei den ersten Ballübungen noch ein Unsicherheitsgefühl vorhanden war. Inzwischen ist er hochmotiviert, da er weiß, dass er zu 100 Prozent einsatzfähig ist. Ich sehe ihn für das Team, nach der langen Verletzungspause, wie einen Neuzugang. Niklas hat sich in den vergangenen beiden Jahren sportlich und persönlich unheimlich weiter entwickelt. Er lebt sehr profihaft, ist richtig gewachsen in der Persönlichkeit. Seine sportliche Entwicklung wird weitergehen, um später zum A-Nationalspieler zu reifen. Er ist auf einem guten Weg.

Der Spielerkader hat zuletzt durch einige Neuzugänge an Qualität gewonnen.
Förster: Der zu Liverpool gewechselte Roberto Firmino ist mit Sicherheit nicht eins zu eins ersetzbar. Diese Rolle müssen nun mehrere Spieler übernehmen. Hoffenheim wird mit einer Systemveränderung, mit zwei Spitzen spielen. Kevin Volland wird dabei die hängende Spitze sein. Die junge Mannschaft wird auch in der neuen Saison eine gute Rolle in der Bundesliga spielen.

Wie bewerten sie die Neuzugänge?
Förster: Die Neuen machen auf mich einen sehr guten Eindruck. Jonathan Schmid kennt die Liga aus Freiburger Zeiten. Pavel Kaderabek hat bei der U21-EM einen sehr guten Eindruck hinterlassen und kann den nach Istanbul gewechselten Andreas Beck ersetzen. Mark Uth und Joelinton sind zwei noch Bundesliga unerfahrene, entwicklungsfähige Stürmer, die noch Zeit zur Entwicklung und Reife  brauchen. Fabian Schär verfügt über internationale Erfahrung und ist ein sehr guter Einkauf. Zusammen mit Niklas Süle verfügt die TSG über ein starkes Innenverteidigerpaar.

Sie haben Kevin Kuranyi vergessen.
Förster: Ich habe als langjähriger, guter Freund und Berater zu Kevin den Wechsel  nach Hoffenheim eingefädelt. Menschlich, charakterlich und vom Typ passt er voll und ganz in diese Mannschaft. Ich kenne ihn schon immer als sehr hilfsbereiten Menschen.

Glauben Sie, dass er trotz seiner 33 Jahre noch eine sportliche Bereicherung sein wird?
Förster: Kevin hat lange auf höchstem Niveau gespielt, verfügt über viel Erfahrung. Nach dem Abgang der erfahrenen Spielern Andreas Beck und Sejad Salihovic war es wichtig, den jungen Spielern jemand mit Erfahrung zur  Seite zu stellen. Durch intensives Mannschaftstraining und mehr Spielpraxis gehe ich davon aus, dass er in 4-5 Wochen soweit ist, um von Beginn an zu spielen.

Die Entwicklung der TSG ist seit dem Fast-Abstieg kontinuierlich nach oben gegangen.
F
örster: Positiv bewerte ich, dass Hoffenheim, bis auf eine Saison, nie im Abstiegssorgen war. Anders beim VfB Stuttgart, der in den letzten fünf Spielzeiten vier Mal um den Klassenverbleib kämpfen musste. Diese positive Entwicklung bei 1899 ist vor allem auf die hervorragende Arbeit von Trainer Markus Gisdol und Manager Alexander  Rosen zurückzuführen. Nach den personellen Veränderungen muss sich die TSG wieder neu beweisen. Es wäre lobenswert, wenn die Kraichgauer auch in der neuen Runde nichts mit den unteren Tabellenregionen zu tun hätten und vielleicht an der Tür zu Europa anklopfen könnten. Wichtig wird sein, eine konstante Leistung die Saison über an den Tag zu legen und nicht wie zuletzt in der Rückrunde abzusacken. Kleine Täler zu überwinden gehört dazu, nur darf dies nicht dauerhaft der Fall sein.

Zur Person:
Karlheinz Förster (57) war Fußballprofi beim VfB Stuttgart (311 Spiele) und Olympique Marseille (103 Spiele). Für die deutsche Nationalmannschaft bestritt er 81 Länderspiele, wurde Europameister (1980) und Vize-Weltmeister (1982 und 1986). Weitere Erfolge waren Deutscher (1984) und Französischer Meister (1989 und 1990) sowie Fußballer des Jahres (1982). Derzeit arbeitet, der in Unterschwarzach lebende ehemalige Weltklasse-Vorstopper, als Spielerbrater und Repräsentant für verschiedene Firmen.

Foto: BWA

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