Weniger reden, dafür Taten folgen lassen

Nachbarschaftsduell mit großer Aussagekraft: Hoffenheim empfängt Stuttgart

Am Dienstagabend empfängt die TSG Hoffenheim um 20:30 Uhr im letzten Hinrundenspiel in der Sinsheimer PreZero-Arena den baden-württembergischen Nachbarn VfB Stuttgart. Traditionell steht dieses Derby zwischen Badenern und Schwaben stets für Emotionen, Leidenschaft und gegenseitige Abneigung – die sportliche Rivalität ist groß. Das bevorstehende 24. Aufeinandertreffen in der Bundesliga hat angesichts der Tabellensituation eine zusätzliche Brisanz, denn sowohl die Rot-Weißen auf Relegationsplatz 16 mit 15 Zählern als auch die gastgebenden Blau-Weißen mit 18 Punkten können alles andere als zufrieden mit dem bisherigen Abschneiden nach knapp der Hälfte der Saison sein.

Drohender Abstiegskampf

Auch wenn die seit sechs Spielen sieglosen Kraichgauer es (noch) nicht wahrhaben wollen befinden sie sich nach vier Niederlagen in Folge nahe dem Abstiegskampf. Die Bestandsaufnahme ist nüchtern: Im Vergleich zur Vorsaison zu diesem Zeitpunkt hat man bereits neun Punkte weniger auf der Habenseite. Nicht auszudenken, wenn im ersten Heimspiel des neuen Jahres der Negativlauf eine Fortsetzung nehmen würde. Ungemütliche und unruhige Zeiten wären dem Team von Trainer André Breitenreiter garantiert.

Angelo Stiller (re.) beim Spielaufbau, links Stuttgarts Atakan Karazor

„Es geht darum, das Spiel zu gewinnen“

Die zu Saisonbeginn ausgerufene Aufbruchsstimmung würde sich schlagartig in andere Dimensionen bewegen. Breitenreiter sprach im Vorfeld bei der Pressekonferenz von einem „richtungsweisenden Spiel, in dem man nicht durch Reden, sondern durch Taten gewinnen möchte“. Der 49-jährige Fußballlehrer erwartet von allen, dem Trainerstab, den Spielern und dem gesamten Verein jetzt Taten. „Es geht darum, das Spiel zu gewinnen“, gab Breitenreiter die Marschrichtung vor. Rückblickend auf die 3:1-Niederlage bei Union Berlin sprach der Hoffe-Coach von einem „Spiegelbild der bisherigen Saison in 90 Minuten“. Für ihn war das Duell „An der Alten Försterei“ sinnbildlich: „Jeder hat gesehen, dass wir gut gestartet sind und in der ersten Hälfte alle Statistiken dominiert haben. Trotzdem haben wir das Spiel verloren, das ist in der Hinrunde zu häufig passiert.“ Auch wenn der gebürtige Langenhagener stets optimistisch ist und absolut an die Mannschaft glaubt, verschließt er nicht die Augen vor der Realität: „Ich bin aber auch Realist. Wenn Dinge immer wieder passieren, muss man etwas verändern – und zwar deutlich und schnell.“ Was er konkret damit meint, ließ er offen.

Unverständlicher Leistungsabfall

Unverständlich war der Leistungsabfall der TSG im Berliner Stadtteil Köpenick, als man trotz guter Ausgangsposition bei 1:0-Pausenführung im zweiten Abschnitt den leidenschaftlich und kämpferisch aufspielenden wiedererstarkten Eisernen nichts entgegensetzen konnte. Treffend formulierte es Torschütze Ihlas Bebou nach dem Abpfiff: Wir hatten in der zweiten Hälfte keinen Zugriff mehr. Wir wussten, was auf uns zukommt, aber haben es nicht wie gewünscht umgesetzt. Woran das genau lag, kann ich gar nicht sagen".

Nachdenklicher Blick bei Christoph Baumgartner. Der Mittelfeldspieler traf zuletzt gegen Stuttgart beim 2:1-Heimsieg in den letzten fünf Minuten gleich doppelt

Außergewöhnliche Auswärtsschwäche

Beim kommenden Gegner hat Breitenreiter einen Aufwärtstrend festgestellt: „Der VfB hat viele seiner Schwächen abgestellt. Sie arbeiten intensiv gegen den Ball, spielen mit der richtigen Mentalität, da müssen wir vorbereitet sein.“ Dies war in vielen Ansätzen beim ersten Spiel im Jahr 2023 beim 1:1 gegen den FSV Mainz 05 erkennbar. Auch wenn unter dem neuen Trainer Bruno Labbadia der erhoffte Auftaktsieg und Befreiungsschlag im ersten Heimspiel verwehrt blieb, ist man in der Landeshauptstadt zuversichtlich, dass es wieder aufwärts geht. Ein Auswärtssieg beim ungeliebten Nachbarn wäre hierfür die beste Medizin. Dabei können die Schwaben auf eine positive Gesamtbilanz schauen, in denen sie zehnmal den Platz als Sieger verließen und siebenmal verloren. Was aber wenig Hoffnung macht, ist die akute Auswärtsschwäche. Im gesamten Jahr 2022 blieben die VfB-ler auswärts sieglos, konnten letztmals 2013 in Sinsheim drei Punkte entführen. Seitdem gab es fünf TSG-Siege sowie zwei Remis.

Einige personelle Fragezeichen

Personell müssen die Gastgeber etwas improvisieren. Neben den langzeitverletzten Grischa Prömel und Jacob Bruun Larsen fehlt am Dienstagabend auch Defensivspieler Ozan Kabak, der gegen Union Berlin seine fünfte gelbe Karte in dieser Spielzeit sah. Hinter den Einsätzen von Kevin Vogt, Dennis Geiger und Kevin Akpoguma stehen aktuell noch Fragezeichen. Ob sie morgen einsatzbereit sind, entscheidet sich erst beim Abschlusstraining.

Lichtblick Bischof

Einer der wenigen Lichtblicke in Berlin war das Startelfdebüt des 17-jährigen Youngsters Tom Bischof, der bei seinem dritten Bundesligaeinsatz bis zu seiner Auswechslung Mitte der zweiten Hälfte eine ordentliche Leistung zeigte. Nicht ausgeschlossen, dass er auch gegen den VfB an der Seite von Bebou in der Offensiver erneut von Beginn an aufläuft und vor den beiden WM-Teilnehmern Andrej Kramaric und Neuzugang Kasper Dolberg den Vorzug erhält. Erfreulich war auch das Comeback des Publikumslieblings Ermin Bicakcic, der nach sehr langer Verletzungspause erstmals wieder in der Defensive zum Einsatz kam. Auch wenn Eisen-Ermin noch nicht die Power über 90 Minuten hat, so ist er aufgrund seiner Einstellung, Mentalität und Willen ein wichtiger Faktor für das Team. In der aktuellen sportlichen Situation sind solche Typen ganz besonders gefragt.

Verabschiedung Hübners vor überschaubarer Kulisse

Ein solches Comeback blieb jedoch dem langjährigen TSG-Kapitän Benjamin Hübner verwehrt. Der 33-jährige gebürtige Wiesbadener musste verletzungsbedingt seine Karriere vorzeitig beenden und wird am Dienstagabend vor den Fans offiziell verabschiedet. Und diese werden - anders als sonst bei diesem Derby - deutlich weniger sein. Laut Pressesprecher Jörg Bock wurden im Vorfeld „nur“ 20.000 Tickets abgesetzt. Trotz der zu erwartenden Temperaturen um den Gefrierpunkt zu später Stunde an einem Dienstagabend ist dies angesichts der Brisanz und Bedeutung der Partie eher als enttäuschend zu bewerten. Doch dafür sind die Hoffenheimer nach ihrer langen Sieglosserie aber auch mit verantwortlich. In den beiden anstehenden Heimspielen gegen Stuttgart und am Samstag gegen  Mönchengladbach bietet sich die Chance, verlorenen gegangenen Kredit wieder zurückzugewinnen - getreu dem Motto: "Weniger reden, dafür Taten folgen lassen!"

Fotos: Kraichgaufoto

TSG-Coach Breitenreiter

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