Am Videobeweis führt kein Weg mehr vorbei

Ärgerliche Schiedsrichterdiskussionen

Am 27. Bundesliga-Spieltag standen erneut die Schiedsrichter im Mittelpunkt des Geschehens. Einige spielentscheidende Fehlentscheidungen waren bei den Direktbeteiligten nur schwer oder überhaupt nicht vermittelbar –  sorgten für viel Diskussionsstoff. Der Ruf nach dem Videobeweis, im Sinne der sportlichen Gerechtigkeit, wird zunehmend lauter.
Spieltag für Spieltag werden die Unparteiischen mittels Fernsehgericht öffentlich vorgeführt. Schlüsselszenen werden im Zeitlupenformat mehrfach aus unterschiedlichen Kamera-Blickwinkeln durchleuchtet und bewertet. Es wird so lange darüber diskutiert und argumentiert, bis die Tatsachenentscheidung unstrittig für den letzten Zweifler eindeutig nachvollziehbar zur Fehlentscheidung deklariert wird. Dem nicht genug, wird ein „Oberschiedsrichter“ hinzugezogen, der am Monitor die strittige Szene kommentiert.

Mit dem ehemaligen FIFA-Schiri Dr. Markus Merk aus Kaiserslautern hat sich der ABO-Sender Sky dazu einen Fachmann engagiert. Für den Bezahl-Zuschauer am Bildschirm eine inzwischen gewohnte Situation. Bei strittigen Situationen wird, mit zeitlicher Verzögerung, der Ratschlag des Pfälzer Zahnarztes eingeholt. Nicht selten bescheinigen seine fachmännischen Beurteilungen den Nachfolgern in der spontanen Urteilsfindung fehlerhaftes Verhalten. Was hätte der damals beste deutsche Schiedsrichter empfunden, wenn all seine strittigen Entscheidungen derart millimetergenau unter die Lupe genommen worden wären? 

Beim Auswärtsspiel der Hoffenheimer in Hamburger wurde Merk gleich mehrfach zu Rate gezogen, um die Entscheidungen des erfahrenen Kollegen Knut Kircher (47) aus Hirschau in dessen 242 Erstligaspiel zu beurteilen. Unstrittig dabei die Aktion von HSV-Keeper Rene Adler, als er Kevin Volland im Strafraum umriss und statt Rot nur mit Gelb bestraft wurde. Diskussionsfreudiger dann schon eher die folgende Situation, als Hamburgs Matthias Ostrzolek in Bedrängnis im eigenen Strafraum den Ball Richtung Tor spielt, wo ihn Adler mit den Händen aufnimmt. Schiri Kircher und Merk entschieden einvernehmlich für absichtliche Torwartrückgabe und Freistoß. Am Sonntagmorgen diskutierte im Sport1-Doppelpass eine Expertenrunde ausgiebig über diese Szene mit dem übereinstimmenden Ergebnis, dass man, trotz der bestehenden Regel, man dies so hätte nicht unbedingt pfeifen müssen.

Noch interessanter wurde es in der nächsten strittigen Szene, als der HSV einen Handelfmeter zugesprochen bekam. Was war passiert? Nach einer Flanke von Ilicevic ging der Ball Hoffenheims Pavel Kaderabek im Strafraum an die angelegte Hand. Der Tscheche drehte sich zuvor noch zur Seite, um ein absichtliches Handspiel zu vermeiden. Doch Kircher sah dies, aus kurzem Blickwinkel, anders und entschied auf den Punkt. Während man in Weizenbier-Laune am Münchner Flughafen diese Szenen unterschiedlich kommentierte, blieb der Merk´sche Kommentar am Bildschirm aus.

Es sprach für den souveränen Kircher, dass er sich nach dem Spiel den strittigen Entscheidungen stellte und eigene Fehler zugab. Diese Offenheit ist nichts Außergewöhnliches, dafür eher die vielsagende Aussage, dass er als Traditionalist, der sich vor Neuerungen eher sträubt, inzwischen eingesehen hat, dass der Videobeweis in der einen oder anderen Situation durchaus hilfreich sei. Kirchers Fehl-Pfiffe blieben am Ende beim 3:1 der Kraichgauer ohne Folgen.

Bei Kollege Wolfgang Stark waren dessen Fehlentscheidungen in der Abstiegspartie Frankfurt gegen Hannover eher von spielentscheidender Natur. Frankfurts Siegtreffer zum 1:0 ging ein Abseits voraus und auf der anderen Seite wurde Hannover ein klarer Elfmeter, nach einem Foul von Reinhartz an Prib, verweigert. Die Aussagen des ehemaligen Pfälzer Zahnarztspezialisten zu den Frankfurter Fehlentscheidungen sorgten daraufhin, nicht nur bei 96-Trainer Thomas Schaaf, für unverständliches Kopfschütteln. Merk konnte nicht nachvollziehen, warum die Hannoveraner sich nicht beim Schiedsrichter beschwert hätten? Ein Ex-Schiri forderte doch tatsächlich zum Reklamieren auf, was eine weitere, zusätzliche Bestrafung der Niedersachsen nach sich gezogen hätte.

Es wird höchste Zeit, dass diesem Zirkus ein Ende gesetzt wird. Das immer schneller werdende Spiel im Profifußball mit seinen zunehmenden schauspielerischen Artisten kann vom bloßen Auge des Unparteiischen nicht mehr fehlerfrei wahrgenommen werden. Der Videobeweis ist unumgänglich. Bis maximal zehn Sekunden benötigt ein Videoschiedsrichter, um strittige Entscheidung im Strafraum über Funk an den Spielleiter zu übermitteln. Dadurch würden sich viele endlose Schiedsrichterdiskussionen im Nachhinein erübrigen und Dr. Markus Merk dennoch nicht beschäftigungslos werden.

Foto: Kraichgaufoto

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