Deutliche Steigerung sonst droht Abstiegskampf

Nach acht Bundesliga-Spieltagen befindet sich die TSG 1899 Hoffenheim überraschend im Abstiegskampf. Der Abstand zu Schlusslicht VfB Stuttgart beträgt, bei nur einem Sieg, drei Unentschieden und vier Niederlagen, magere zwei Punkte. So hatte man sich das zu Saisonbeginn nicht vorgestellt, zumal der Spielerkader ein erfrischendes Lifting mit hochbegabten Spielern bekam. Die Kaderrunderneuerung, die bereits in der vergangenen Saison eingeleitet wurde, hat alteingesessene, etablierte Leistungs- und Sympathieträgern wie Andreas Beck, Sejad Salihovic und Sven Schipplock aussortiert. Spielmacher Roberto Firmino konnte sportlich und finanziell nicht gehalten werden. Einen Nachfolger konnte man, trotz einjähriger Vorlaufzeit, nicht finden. Anthony Modeste ließ man nach Köln ziehen, wo er zum Torjäger avancierte. Den Ungar Adam Szalai konnte nicht transferier werden, er genießt, bei fürstlicher Entlohnung, derzeit ein Tribünendasein.

Bei den Neuzugängen ist noch reichlich Luft nach oben

Mit talentierten, hungrigen und entwicklungsfähigen Profis (Fabian Schär, Pavel Kaderabek, Jonathan Schmid, Mark Uth und Joelington) sollte es sportlich aufwärts gehen. Gegen Ende der Transferperiode wurden zudem noch Alt-Star Kevin Kuranyi als „großer Bruder für die jungen Spieler“ und torgefährlichem Zentralstürmer aus Moskau sowie der chilenische Torjäger der Copa America Eduardo Vargas aus Neapel verpflichtet.

Das herbstliche Zwischenfazit fällt eher unbefriedigend aus. Die Entwicklung der neuen Mannschaft scheint zeitintensiver und schwieriger zu werden als zunächst gedacht. Die Neuzugänge konnten, bis auf Vargas und mit Abstrichen Schmid, noch nicht den Beweis erbringen, echte Verstärkungen zu sein. Uth, Schär und Kuranyi mussten zuletzt mit der harten Ersatzbank Vorlieb nehmen. Bei der Ursachenforschung tun sich selbst die Beteiligten schwer. Man verweist auf fehlende Abstimmungen, Abläufe und Spielideen, die noch Zeit brauchen, um bei allen verinnerlicht zu werden.

Es fehlt an Stabilität und Konstanz

Trainer Markus Gisdol ist nach dem enttäuschenden Remis gegen Stuttgart dennoch optimistisch: „Unsere Mannschaft wird insgesamt stabiler, das sieht ja jeder“. Diese Meinung teilen nicht alle. Wenig Stabilität und Konstanz zeigte sein Team in der Hälfte aller bisherigen Partien gegen Darmstadt, Bremen, Mainz und Stuttgart. Ein leidenschaftlicher, herzerfrischender Offensivfußball war nur teilweise und  jeweils höchstens eine Halbzeit erkennbar. In der restlichen Spielzeit prägten Unsicherheiten, fehlendes Verständnis, Abspielfehler und wenig Torgefahr das TSG-Spiel. Ein ständiges Auf und Ab mit fehlender Konstanz über die gesamten 90 Minuten plus Nachspielzeit brachte die Mannschaft oftmals um den Ertrag. Erschreckend die Bilanz der späten Gegentore in den Schlussminuten, die in drei Heimspiele bereits vier Punkte kosteten.

Weiterentwicklung stagniert saisonübergreifend

Die Weiterentwicklung der Mannschaft stagniert bereits seit Jahresbeginn. Eine grundlegende Spielweise (Pressing, Konterspiel) ist schwer zu erkennen. Eine tolle Hinrunde 2014/15 mit erfolgreichem, begeistertem und laufintensivem Offensivfußball brachte mit 26 Punkten die Mannschaft mit zwei Punkten Rückstand zu den Champions-League-Plätzen auf Platz 7. Doch in der Rückrunde ging es unerklärlich abwärts. 18 Punkten aus 17 Partien bedeuteten Platz 14 der Rückrundentabelle. Begünstigt durch eine unausgeglichene und weniger konstante Konkurrenz blieb die Blau-Weißen bis zuletzt den Europa-League-Rängen auf Tuchfühlung. Die bisherige, saisonübergreifende Jahresbilanz mit sechs Bundesligasiegen und 13 Niederlagen entspricht nicht den Hoffenheimer Ansprüchen.
Die nächsten Partien gegen Wolfsburg, Hamburg, Köln und Frankfurt werden zur Standortbestimmung. Gelingt es mit einer Serie sich ins Mittelfeld hochzuarbeiten oder wird das Thema Abstiegskampf zum Dauerthema?

„Vollgas“ der größte Lichtblick

Ein Lichtblick ist bislang das Angriffsduo Volland und Vargas. Volland scheint mit dem Chilenen den Ersatz für den nach Liverpool abgewanderten Partner Firmino gefunden zu haben. Das Angriffsduo, auch schon als „Vollgas“ tituliert, setzt den gegnerischen Abwehrreihen durch ihre intensive, schnelle und robuste Spielweise mächtig zu. Beide scheinen sich zu ergänzen. Dahinter kommt aus dem Mittelfeld jedoch zu wenig. Kapitän Pirmin Schwegler, Eugen Polanski und Sebastian Rudy können aufgrund ihrer kämpferischen Tugenden zwar die Räume eng machen, dem Gegner entsprechend zusetzen, doch ihr Aufbauspiel ist verbesserungsdürftig. Mehr Torgefahr verspricht man sich dagegen über die Außenpositionen mit Schmid und Steven Zuber. Die Defensivreihe wirkt bei bislang 14 Gegentreffern noch nicht sattelfest. Neuzugang Schär zeigte, trotz guter Spielöffnung, Schwächen im Defensivverhalten, wirkte in einigen Situation zu langsam. Ermin Bicakcic bekam daraufhin seine Bewährungschance in der Innenverteidigung, neben dem gesetzten Niklas Süle.
Die Außenverteidiger Kaderabek rechts und Jin-Su Kim/Jeremy Toljan links sind noch Schwachstellen. Hier besteht noch Verbesserungsbedarf, sowohl im Defensiv- als auch Offensivspiel. Auf Torhüter Oliver Baumann ist nach wie vor Verlass.

Die Länderspielpause bietet Gelegenheit, sich im Zuzenhäuser Geschäftsstellen- und Trainingszentrum ein Zwischenfazit zu ziehen. Gisdol und sein Trainerteam werden weiter am Gesamtgebilde basteln und an einzelnen Stellschrauben nachjustieren, damit die Mannschaft als funktionierende Einheit wieder auf die Erfolgsspur zurückkehrt. Das achte Erstligajahr kann zu einer sehr richtungsweisenden Saison für Spieler und Verantwortliche werden. Der Faktor Zeit, den man sich wünscht, gibt es in diesem Geschäft nicht!

Fotos: Kraichgaufoto

Kevin Volland zeigt seine Enttäuschung nach dem 2:2 gegen Stuttgart, Typische Szene: Kevin Kuranyi scheint irgendwie festzuhängen, und TSG-Fans stehen nach wie vor 1899%ig zu ihrer Mannschaft

Artikel teilen

WERBUNG