Die Nachspielzeit und die Kölner Folgen

Fairplay-Diskussion in vollem Gange

Die Nachspielzeit im Spiel der TSG Hoffenheim gegen den 1. FC Köln hatte es so richtig in sich. Nach dem späten Ausgleichstreffer von Kevin Volland kochten die Emotionen auf dem Spielfeld und an der Seitenauslinie hoch. Die Aufregung beim FC war groß, weil die Gastgeber den Ball vor dem 1:1 nicht ins Aus spielten, obwohl ein Kölner angeschlagen am Boden lag.
Schiedsrichter Deniz Aytekin ließ nach einem Zweikampf zwischen Eduardo Vargas und Kölns Lukas Klünter in Mitte der Hoffenheimer Spielhälfte weiterspielen, bewertete dies nicht als Foulspiel. Klünter blieb liegen, während Andrej Kramaric den Ball nach vorne trieb, dabei vier Gegenspieler wie Statisten aussehen ließ, und von halblinks  aufs Tor schoss. FC-Torhüter Timo Horn lenkte den Ball direkt in den Lauf von Volland, der aus spitzem Winkel völlig freistehend ins leere Tor vollendete.

Während die Gastgeber ausgelassen feierten, gab es auf der anderen Seite wütende Proteste. Zum einen, weil Aytekin nicht auf Foul entschieden, zum anderen, weil die Kraichgauer den Ball nicht ins Aus gespielt hatten. Besonders FC-Sportdirektor Jörg Schmadtke trat dabei unkontrolliert und übers Ziel hinaus unsportlich in Erscheinung. Seine Aussage unmittelbar nach dem Abpfiff im Sky-Interview waren ebenso unüberlegt wie unsachlich: „Wir beerdigen als Liga dieses Wochenende den Fairplay-Gedanken. Wir haben es am Freitag gesehen, dass ein Ball nicht ins Aus gespielt wird. Und haben es jetzt gerade wieder gesehen.“ Damit spielte der ehemalige langjährige Profi-Torhüter auf das Freitagsspiel zwischen Bayer Leverkusen und dem VfL Wolfsburg an, als der Brasilianer Dante am Boden lag, als der Werksklub das 2:0 erzielte. Für Schmadtke war das Fass nun übergelaufen, nachdem er seine Kölner in dieser Saison schon mehrfach von Fehlentscheidungen benachteiligt sah.
Sein Trainer Peter Stöger sagte bei der anschließenden Pressekonferenz einen nicht unbedeutenden Satz, der womöglich Folgen nach sich ziehen könnte: „Wir sind jedes Mal betroffen und immer läuft es gegen uns. Wir geben alles zu, wir spielen den Ball immer raus. Vielleicht sollten wir das ändern. Dann gibt es eben diese Kategorie Fairplay von einigen Mannschaften nicht mehr. Ich bin niemandem böse, ich bin nicht gekränkt. Nur wenn alle es so machen, sollten wir es vielleicht auch machen.“ Und wenn der Schiedsrichter sich gegen eine Spielunterbrechung entscheide, meinte Stöger, „muss der Spieler eben liegenbleiben, bis die Szene vorbei ist oder bis die Leute über ihn drüberlaufen, da hat er dann Pech gehabt“.

Kollege Julian Nagelsmann konnte die helle Aufregung nachvollziehen und wollte kein zusätzliches Öl ins Feuer gießen. Er zeigte Verständnis für die gegnerischen Gefühlsausbrüche: „Aus Kölner Sicht völlig verständlich, dass sie da an den Fairplay-Gedanken appellieren. Wir hätten uns auch aufgeregt. Im Moment des Ballgewinns liegen sowohl Vargas als auch Klünter am Boden. Wir spielen den ersten Ball nach vorne, sind komplett in der Vorwärtsbewegung und spielen den Angriff zu Ende. Ich glaube nicht, dass man da jetzt das Fair Play begraben muss, denn so eine weltbewegende Aktion war dieser Zweikampf auch nicht. Danach sind wir alle in der Vorwärtsbewegung und sehen es einfach nicht.“

bwa-sport.de fragte im Anschluss einige Beteiligte zur Situation und zum Fairplay. Die Meinung gingen mehrheitlich in die gleiche Richtung. Volland: „Klar lag einer am Boden, aber ich glaube nicht, dass Kramaric den gesehen hat, er war im Vorwärtsdribbling. Zudem war es ein ganz normaler Zweikampf.“ Fairplay ist dem Nationalspieler dennoch sehr wichtig: „Wenn wir sehen, dass es etwas Ernstes ist, sind wir die Letzten, die den Ball nicht rausspielen. Aber er spielt danach ganz normal weiter und nach dem Spiel hinkt er ein bisschen. Da ist auch viel Schauspielerei dabei. Und das hat mit Fairplay auch nichts zu tun.“

Der gebürtige Kölner Mark Uth hatte kein Verständnis für das Ganze: „Klünter wollte nur Zeit schinden und unseren Angriff unterbrechen. Warum die ganze Aufregung?“

Etwas mehr Selbstkritik wäre bei den Domstädtern vielleicht eher angebracht gewesen. Ausraster wie die von Schmadtke, der sein Kaugummi aus dem Mund nahm und in Richtung Hoffenheimer Ersatzbank warf oder ständige Schmährufe aus dem Gästeblock in Richtung Gesellschafter Dietmar Hopp waren unterste Schublade. Köln hätte die Partie schon früher für sich entscheiden können, die Entstehung des Ausgleichs durch eine energische Defensivarbeit unterbinden können und auch Keeper Horn machte beim Gegentreffer keine gute Figur. Die Rheinländer sollten sich in der Summe selbst an die eigene Nase fassen.
Schmadtke selbst erkannte später seine überzogene Reaktion, rief noch am späten Abend beim Hoffenheimer Amtskollegen Alexander Rosen an und entschuldigte sich. Dies wird den DFB-Kontrollausschuss aber nicht daran hindern, die Sache für sich beruhen zu lassen und Schmadtke mit einer Geldstrafe belegen. Der DFB hat den 52-Jährigen heute zu einer zeitnahen Stellungnahme aufgefordert. Schmadtke war erst im Januar vom DFB-Sportgericht zu einer Geldstrafe von 6.000.- Euro verurteilt worden, weil er am 12. Dezember in der Partie bei Werder Bremen den Schiedsrichtern in der Halbzeitpause „Ihr Eierköppe werdet auch immer schlechter“ hinterhergerufen hatte.
Die Nachspielzeit hat den Kölner demnach mehrfachen Schaden zugefügt!

Foto: BWA

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