Hoffenheim ein Ausbildungsverein auf internationaler Ebene

Beim Besuch von Dietmar Hopp beim Rohrbacher 1899-Fanclub „Fußballfreunde Blau-Weiss“ nahm der Mäzen zu  verschiedenen Fragen rund um die TSG 1899 Hoffenheim Stellung. In einer zweiteiligen Serie wollen wir hier die wichtigsten Aussagen veröffentlichen. Im 1. Teil geht es über die Entwicklung der TSG, die sportlich schwierigste Phase, eine enttäuschende Rückrunde mit Träume in Richtung Europa, die bevorstehende Vereinsübernahme, Bereiche mit Nachholbedarf, Jugendausbildung und die Zusammenarbeit mit Spielerberater Roger Wittmann.
Teil 1

Zur Entwicklung der TSG:

Dietmar Hopp: Seit 1989, als ich begann die TSG finanziell und ideell zu unterstützen, war es mein Ziel die Jugend in Hoffenheim zu fördern. Da Jugendliche immer Vorbilder brauchen, wurde zwangsläufig die 1. Mannschaft der TSG immer stärker. Das damalige Traumziel war die Oberliga, in der namhafte Vereine wie Sandhausen, HD-Kirchheim und Bammental spielten. Als dieses Ziel erreicht war, kam mit Hansi Flick ein Trainer, der uns in die Regionalliga führte, in der wir lange spielten. Dass es dann zur Bundesliga reichte, verdanken wir auch dem Sportarbeitskreis der Metropolregion, in dem viel große und finanzstarke Firmen vertreten sind, die einen Bundesligisten in der Region haben wollten. Federführend hatte die MVV damals den Oberligisten SV Waldhof Mannheim im Sinn. Als ich mich dann mit der TSG als Regionalligisten eingebracht habe, bekamen wir die Unterstützung aller. Ohne die nötige Infrastruktur, ohne den Aufbau einer geordneten Unternehmensstruktur wäre dies nicht möglich gewesen. Ich bin heute noch froh, und da stimmen mir sehr viele zu, dass wir den Standort Sinsheim gewählt haben. Unsere Arena zähle ich zu den schönsten in ganz Deutschland.

 

Über die sportlich schwierigste Phase der jungen Bundesliga-Historie:

Dietmar Hopp: Markus Babbel hatte als Nachfolger von Holger Stanislawski in der Saison 2012/13 bei der Kaderzusammenstellung, speziell bei der Auswahl der Neuzugänge, keine glückliche Hand. Viele Spieler blieben hinter ihren Erwartungen zurück, sie konnten der Mannschaft keine positiven Impulse geben. Nach dem Scheitern von Babbel bekam Frank Kramer kurz vor Weihnachten für nur zwei Spiele das Vertrauen. Rückblickend muss man sicherlich sagen, dass dies zu kurz war, um etwas zu bewegen. Auch dessen Nachfolger Marco Kurz konnte gemeinsam mit Manager Andreas Müller die Talfahrt nicht verhindern. Erfolgreicher waren dann ab April 2013 Trainer Markus Gisdol und Manager Alexander Rosen. Sie leisteten hervorragende Arbeit und am Ende haben wir mit viel Glück das „Wunder von Dortmund“ geschafft. Auch mutige Schieds- und Linienrichter hatten daran ihren Anteil, als das Dortmunder 2:2 kurz vor dem Abpfiff zu Recht nicht anerkannt wurde. In der Relegation haben wir uns dann souverän gerettet.

 

Zu bescheidene Zielsetzung und eine enttäuschende Rückrunde 2015:

Dietmar Hopp: Ziele muss man sich im Berufsleben wie im Sport setzen. Nur so kann man auch etwas erreichen. Wir waren durch die ehrgeizige Zielsetzung von Markus Babbel, die nicht erreicht wurden, vorbelastet. Auch geprägt von dieser Erfahrung wurde das Wort „Europa-League-Qualifikation“ nie öffentlich in den Mund genommen. In der vergangenen Saison war, auch dank einer tollen Vorrunde, alles möglich. Die Erwartungen in der Rückrunde waren nach dem positiv bewerteten Trainingslager in Südafrika hoch. Bedenkt man, dass wir bei den Siegen gegen Mainz und Stuttgart auch das Glück auf unserer Seite hatten, so hätte es auch noch einmal eng werden können in dieser ausgeglichenen Liga. Vielleicht haben wir da einiges auch manchmal zu positiv sehen wollen. Keine Frage, die Rückrunde war alles andere als erfolgreich. Das wissen bei uns alle und die Aufgabe ist es, die Lehren daraus zu ziehen.

 

Entstandene Europa-Träume:

Dietmar Hopp: Wenn man bedenkt, dass Augsburg als Sechster international vertreten ist, dann ist es sicher nicht vermessen zu sagen, dass wir da auch hätten stehen können. Um sich für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren, muss man in die Phalanx der „Großen Sechs“ eindringen, d. h. vor Teams wie Bayern, Wolfsburg, Gladbach, Leverkusen, Dortmund oder Schalke stehen. Damit dies gelingt, müssen ein oder zwei dieser Mannschaften unter ihren Möglichkeiten spielen. Ich rechne jedoch damit, dass künftig Platz sieben für die Europa-League ausreichen wird, da den attraktiven DFB-Pokalwettbewerb einer der ersten Sechs höchstwahrscheinlich gewinnen wird.

 

Was sich ab 1. Juli ändern wird, wenn die Mehrheitsrechte im Verein rechtskräftig sind:

Dietmar Hopp: Natürlich habe ich großes Vertrauen in unsere sportliche Leitung. Wenn Investitionen in Millionenhöhe anstehen, werde ich zu Rate gezogen. Da muss klar sein, warum man gerade diesen speziellen Spieler auf dieser Position braucht und alternativ kein qualifizierter Nachwuchsspieler zur Verfügung steht. Auch wenn ich in der Vergangenheit sehr oft finanzielle Defizite ausgeglichen habe, wird in naher Zukunft das Financial Fairplay greifen. Es wird wohl auch mittelfristig Maßstab bei der Lizenzierung zur Bundesliga. Mäzene wie ich werden künftig immer weniger in den Verein investieren können, eine Ausnahme ist die Jugendförderung. Die Vereine müssen ihre Ausgaben durch selbst erwirtschaftete Gewinne ausgleichen.

 

Die TSG 1899 Hoffenheim hat in vielen Bereichen noch Nachholbedarf:

Dietmar Hopp: Die größten Einnahmen der Bundesligisten sind die TV-Gelder, gefolgt vom Sponsoring, den Zuschauereinnahmen und dem Merchandising. Unsere Zuschauereinnahmen in Höhe von zirka zwölf Millionen Euro decken allenfalls die Ausgaben rund ums Stadion – da ist wenig Gewinn rauszuholen, es sei denn wir wären immer ausverkauft. Im Merchandising haben wir beim Umsatz noch Luft nach oben. Dabei setzen wir auch auf Innovationen. Ein neues System, das die SAP installiert hat, ermöglicht auch mobile Einkäufe, man kann sich das Sortiment anschauen und auswählen. Bis zum Herbst soll dies umgesetzt werden. Allerdings werden wir nie in Sphären vorstoßen, in denen sich die Bayern befinden, sie setzen 120 Millionen Euro pro anno um.
Hohe Beträge sehen wir in den fixen Ausgaben, wie zum Beispiel die Gehälter beim Spielbetrieb. Wenn diese kontinuierlich zunehmen, bekommen wir mit der Zeit Probleme, wenn wir nicht weitere Einnahmequellen erschließen. Deshalb setzen wir auf Maßstäbe wie in einem Wirtschaftsunternehmen. Hohe Einnahmen, wie beim Firmino-Transfer, sind dann im Financial Fairplay für drei Jahre wirksam. Dieser Transfer wird aber erst im nächsten Geschäftsjahr erfolgswirksam, deshalb müssen wir wie bereits angekündigt für das laufende Geschäftsjahr auch noch mit Verlusten rechnen. Wir müssen wachsam und innovativ sein. Transferüberschuss ist die Formel, die wir brauchen, um aus der Verlustzone heraus zu kommen.

 

Hoffenheim ist Ausbildungsverein für Nachwuchstalente:

Dietmar Hopp: Die letzten Entwicklungen haben gezeigt, dass immer mehr Nachwuchsspieler bei der TSG mit Profiverträgen ausgestattet werden. Diese sind im Profitraining integriert, ohne dass sie dabei verheizt werden. Dennoch reichen unsere eigenen Talente nicht aus, um in der Bundesliga zu bestehen. Die U23 schnitt zuletzt in der 4. Liga durchschnittlich ab, auch wenn einige gute Spiele dabei waren. Um Transferüberschüsse zu erzielen, müssen wir auch auf internationalen Märkten wie zum Beispiel dem südamerikanischen, asiatischen aber auch europäischen präsent sein. Die Verkäufe von Eduardo und Gustavo sowie der bevorstehende von Firmino haben viel Geld in unsere Kasse gebracht. Unser Ziel muss deshalb sein, überdurchschnittliche Talente zu finden, sie zu formen, mit ihnen unser Team zu verstärken, ehe wir sie auch gewinnbringend verkaufen können. Wir müssen ein Ausbildungsverein auch auf internationaler Eben werden, da gibt es ja bereits gefeierte Beispiele wie den FC Porto oder Udinese Calcio.
 

Zusammenarbeit mit der Agentur von Roger Wittmann:

Dietmar Hopp: Roger Wittmann ist ein langjähriger Freund und vertrauensvoller Partner. Dass er polarisiert, ist mir bewusst. Er und seine Scouting-Leuten sind auf der ganzen Welt vernetzt, ihr Gespür für Talente haben sie schon mehrfach bewiesen. Von diesen Erfahrungen können wir profitieren, aber natürlich auch von denen anderer Experten. Da sind wir offen. Schön ist ja auch, dass durch den Fußball und entsprechende Transfers in Brasilien und anderswo Familien aus der bittersten Armut geholt werden können. Da entstehen auch Freundschaften. Ein schönes Beispiel ist unser Neuzugang Joelinton, dem viele eine großartige Entwicklung voraussagen. Ob es so wird wie bei Firmino oder Gustavo muss man abwarten. Rogon ist auf diesem Gebiet sicher Spezialist und auch künftig kompetenter Partner. Wir sind wie bereits erwähnt, auf Transferüberschüsse angewiesen und werden solche Modelle gemeinsam mit verlässlichen Partnern verfolgen.

Fotos: Ellen Klose und BWA

Teil 2 folgt am Freitag

Dietmar Hopp fand großen Gefallen am Fantreffen

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