„Können nicht jeden Gegner an die Wand spielen“

Nagelsmann drückt auf die Euphoriebremse

Der 2:0 Auswärtserfolg am vergangenen Bundesliga-Spieltag bei Eintracht Frankfurt, im Duell gegen einen direkten Abstiegskampfkonkurrenten, war für die TSG Hoffenheim enorm wichtig. Auch wenn sich der Abstand zu einem Abstiegsplatz auf vier Punkte vergrößert hat, ist für 1899-Coach Julian Nagelsmann noch lange nichts entschieden: „Wenn man die Tabelle sieht, ist es noch nicht vorentscheidend, weil wir noch nicht so weit weg sind, dass uns theoretisch eine Mannschaft nicht mehr einholen kann. Weiterhin ist jeder Sieg für uns sehr bedeutend, vor allem gegen die direkten Konkurrenten, um diese auf Distanz zu halten. Wir müssen weiter an unserem Spiel arbeiten, um auch die nächsten Spiele positiv zu gestalten.“
Es war bereits der fünfte Sieg seit seiner Amtsübernahme am 11. Februar. Eine gewisses Erfolgsrezept gibt es für den Jung-Trainer nicht: „Grundsätzlich habe ich bislang jede Aufgabe so angetreten, dass ich viele Spiele gewinnen möchte. Wir sind alle da, um zu gewinnen – dies ist unser Job, unsere Leidenschaft als Sieger vom Platz zu gehen. Natürlich schätzen wir uns glücklich, dass es aktuell so ist. Doch bei der aufkommenden, hohen Erwartung, das ist alles ein Zwischenziel – ich muss etwas auf die Euphoriebremse drücken. Das Ziel ist es Woche für Woche Spiele zu gewinnen, nicht nur, wie bisher, fünf Mal.“

Nachdem zuletzt gegen Köln und Frankfurt deutliche spielerische Mängel unübersehbar waren, appelliert Nagelsmann um Verständnis: „Vor Wochen hatten wir noch kein Auswärtsspiel gewonnen, standen weit unten in der Tabelle, deshalb sollte man die Erwartung etwas weiter herunterschrauben. Aus Trainersicht muss man auch eingestehen, dass man nicht jeden Gegner an die Wand spielen kann.“
Für den TSG-Trainer ist es ein langwieriger Entwicklungsprozess, bei dem aktuell nur der Erfolg zählt. „Die sportliche Entwicklung ist ein langer Schritt, jetzt zählen erst mal nur die Ergebnisse. Wenn ich unterschreiben könnte, dass wir bis zum 34. Spieltag alles gewinnen und dabei jedes Mal schlecht spielen würden, unterschreibe ich das gleich. Für die nächste Saison würde ich es nicht sofort unterschreiben und vielleicht überlegen, ob es noch ein Blatt gibt, wo noch drauf steht, dass wir dabei besser Fußball spielen können.“

Auf die Frage, ob der Erfolg in Frankfurt für ihn der Wichtigste, der Bedeutendste bislang war, antwortete der 28-Jährige kurz und vielsagend: „Solange ich hier im Amt bin, gab es noch keinen unwichtigen Sieg.“
Nach Hamburg (3:1) und Frankfurt (2:0) – die Kraichgauer sind jetzt auch auswärts erfolgreich. Nagelsmann hat hierfür eine einfache Erfolgsformel. „Der Fokus ist auf unsere Leistung gerichtet, da ist es unwichtig, wo man spielt. Es ist immer die gleiche Sache, es ist immer eine gewisse Anzahl an Spielern, ein Ball, zwei Tore, egal in welchem Stadion der Welt – der Fußball ist identisch. Daher ist der Fokus immer auf die Leistung ausgerichtet und wenn diese stimmt, kann man auch auswärts gewinnen.“

Trotz aller gewünschter Freude für die jeweiligen Spiele, der Druck im Abstiegskampf steckt tiefer in den Köpfen, als es scheint. Spielerische Abstriche werden derzeit, im Sinne des erbrachten Ertrages, gerne in Kauf genommen.
Auch dem Trainer blieb nicht verborgen, dass in bestimmten Phasen die spielerische Leichtigkeit und das Selbstbewusstsein bei den Spielern bei eigenem Ballbesitz verloren ging – Ballstafetten seltener wurden. Für Nagelsmann kein Grund zur Besorgnis: „Grundsätzlich sind im Training  gute Dinge erkennbar und es ist ein Lernprozess, diese mit ins Spiel zu übernehmen. Vieles ist auch den Umständen geschuldet, dass man in der aktuellen Situation nicht völlig frei aufspielen kann und sich einiges zutraut, was zuvor im Training problemlos klappte. Das hat einfach eine andere Konsequenz – Fehler im Spiel muss man als Trainer auch tolerieren. Aber wir kommen wieder dahin, dass wir auch besseren Fußball spielen – davon bin ich überzeugt.“
Die nächste Gelegenheit bietet sich am Samstag im Heimspiel gegen Hertha BSC Berlin.  

Foto: Kraichgaufoto

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