Nagelsmann geniest großes Vertrauen – bei Spielern und Fans

In Hoffenheim ist die Hoffnung zurückgekehrt

Nicht das Ergebnis lässt die Hoffnungen und Zuversicht bei den Fans der TSG Hoffenheim auf den Klassenerhalt wieder aufleben, sondern vielmehr die Art und Weise, wie die Kraichgauer in der Hansestadt beim 1:1 gegen Werder Bremen auftraten. Der Trainerwechsel von Huub Stevens zu Julian Nagelsmann scheint auch bei den Spielern den Glauben an die eigenen Stärken wieder geweckt zu haben. Einer erfrischenden und selbstbewussten Trainervorstellung folgten einen Tag später bei der Premiere in Bremen auch Taten. Nagelsmanns Handschrift einer offensiven und mutigen Grundausrichtung erinnerte stark an die Spielweise unter Ex-Trainer Markus Gisdol. Gute Körpersprache und Zweikampfverhalten, mutiges Forechecking, Balleroberung in der gegnerischen Hälfte, schnelles, direktes Umschalten – alles Tugenden, die man zuletzt vermisst hatte (auch in den letzten Wochen unter Gisdol).
Nagelsmann ist ein junger, mutiger Trainertyp, der das Risiko liebt und gerne auch mal dabei zockt. Leute aus seinem Umfeld, Spieler die ihn als Trainer erlebten und kennen, prophezeien noch so manche Überraschung in den nächsten Wochen und Monaten. Der Neue versteht es zu motivieren, zu begeistern. Torhüter Baumann: „Die Taktik-Umstellung war extrem, aber der Trainer hat einen klaren Plan, eine klare Linie. Die Mannschaft vertraut ihm voll.“

Stevens ist Vergangenheit – Nagelsmann die Zukunft

Ein 28-Jähriger, der ohne jegliche Nervosität und Aufregung sein Profidebüt gab, hat dem Patienten Hoffenheim neues Leben eingehaucht. Der defensiv orientierten, destruktiven und unspektakulären Verriegelungstaktik unter Ex-Coach Stevens weint keiner mehr eine Träne nach. Bezeichnend die Aussagen zweier weiterer Profis: Tobias Strobel, in Bremen einer der Besten: „Der Trainer sagte vor dem Spiel, wir sollen raus gehen und Spaß haben.“ Niklas Süle: „Der Trainer hat den richtigen Wechsel zwischen Spaß und Arbeit, bringt Lockerheit rein.“

Jugend, Kompetenz, Ausstrahlung und Persönlichkeit

Hoffenheims Verantwortliche haben ein gewagtes Projekt gestartet, dabei bewusst nicht zwischen Jung und Alt sondern vielmehr zwischen gut und schlecht entschieden. Nicht die Erfahrung war ausschlaggebend, sondern fachliche Kompetenz, Ausstrahlung und Persönlichkeit. Der Start mit einem glücklichen, aber nicht unverdienten Auswärtspunkt lässt hoffen. Nur zwei Trainingseinheiten konnte der Trainer-Neuling mit seiner neuen Mannschaft zuvor absolvieren. Dies genügte ihm, um seiner Meinung nach vier Positionen in der Start-Formation zu verändern. Dabei war wurde schnell klar, dass die Jugend ihre Chance bekommt – sehr zur Freude von Philipp Ochs (18) und Nadiem Amiri (19).

Dreier- statt Viererkette und variable Prinzipien

Zur Umsetzung seiner strategischen Gedanken hatte Nagelsmann auch das Spielsystem verändert und die bisherige Viererkette zum Dreierblock verformt. Je nach Situation konnte sich diese auch zur Fünferkette formatieren. Nagelsmann will sich keiner festen Grundordnung unterziehen, bevorzugt variable, einfache Prinzipien wie frühes Pressing, Forchecking, Überzahl in Ball-Nähe oder schnelles, direktes Spiel.

Es helfen nur noch Siege

Unterm Strich bringen Unentschieden die TSG im Überlebenskampf nicht weiter. Neun Remis sind Ligaspitzenwert, nur zwei Siege (gegen Augsburg und Hannover) dagegen Negativwert 13 Spieltage vor Saisonende. Am Samstag (15:30 Uhr) zählt, gegen aufstrebende Mainzer, daher nur ein Dreier, um den Abstand zum Relegationsplatz zu verringern. Der Partie gegen den selbsternannten Karnevalsverein  kommt eine außergewöhnlich hohe Bedeutung zu. Selten war Hoffenheim, angesichts der Tabellenkonstellation, dermaßen zum Siegen verdammt. Nagelsmanns Heimdebüt muss gelingen, ansonsten schwinden die Chancen auf den Klassenerhalt enorm.

Es ist spät, aber noch nicht zu spät

Die Zeit, bei nur noch 13 Spielen bis Saisonende, ist knapp bemessen. Optimistisch ausgedrückt: Es ist spät, aber noch nicht zu spät. Wichtig sind jetzt Erfolgserlebnisse in Form von Siegen. Diese gilt es vor allem bis Ostern in den Heimspielen gegen Mainz, Augsburg und Wolfsburg einzufahren. Auch im Derby in Stuttgart sollte gepunktet werden.
Nagelsmann hat nichts zu verlieren. Wenn es ihm gelingt, die Zweifler und Pessimisten zum Start einer neuen beruflichen Aufgabe zu überzeugen, könnte er sich bereits mit 28 Jahren im Kraichgau ein Denkmal setzen.

Foto: Kraichgaufoto

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