Stadionmoderator Mike Diehl nimmt nach 20 Jahren Abschied

Die Stimme Hoffenheims ist gegen Union Berlin letztmals am Mikro

Am Samstag beim letzten Saisonheimspiel der TSG Hoffenheim gegen Union Berlin wird Mike Diehl zum letzten Mal in der Sinsheimer PreZero-Arena in seiner Funktion als Stadionmoderator für die Kraichgauer tätig sein. Der gebürtige und heute 59-jährige Oderwälder tritt von der großen Bundesligabühne ab. Ein Grund für bwa-sport.de mit ihm im Vorfeld auf seine langjährige Tätigkeit zurückzublicken.

Mike, Du wirst am Samstag gegen Union Berlin letztmals für die TSG als Stadionmoderator tätig sein. Was sind Deine Beweggründe für das seit längerem schon angekündigte Ende?
Mike Diehl: Ich habe immer gesagt: Wenn ich mal 20 Jahre als Stadionsprecher dabei bin und ein fast biblisches Alter von 60 Jahren erreicht habe, möchte ich an einen Jüngeren weitergeben.

„Bleibe dem Verein erhalten“

Du bleibst der TSG als Leiter der Abteilung Charity und Soziales erhalten. Was genau zählt ab Sommer zu Deinen neuen Aufgaben?
Diehl: Die Abteilung Charity und Soziales bietet vielfältige Aufgaben, die oft auch mit der Dietmar-Hopp-Stiftung in Verbindung stehen. Anfragen in diese Richtung, die direkt an Herrn Hopp adressiert sind, landen dann beispielsweise bei mir. Darüber hinaus organisiere ich mit einem kleinen Team an Rentnern Stadionführungen. Außerdem organisiere ich Veranstaltungen im Fanhaus und am Spieltag selbst werde ich auch noch das ein oder andere übernehmen.

Für Mike Diehl ist Dietmar Hopp (re.) der wichtigste Mann der Region, dem er auch vieles zu verdanken hat.

Erster Einsatz war bei der Pokalsensation gegen Leverkusen

Ein Markenzeichen war stets Deine Kappe. Was hatte es damit auf sich?
Diehl:
Ich fühle mich einfach wohl damit und mit meiner Glatze ist es mit der Kappe angenehmer. Ab und an zieht es da unten am Spielfeldrand ja schon etwas. (lacht)

Deinen Einstand hast Du beim legendären Pokalspiel gegen Bayer 04 Leverkusen am 2. Dezember 2003 gefeiert. Der Kraichgauer Regionalligist warf den damaligen Champions League-Finalisten mit 3:2 aus dem DFB-Pokal.
Diehl:
Damals war ich noch nicht Stadionsprecher der TSG, sondern als Sportchef von Radio Regenbogen vor Ort. Ich habe vor dem Spiel Interviews mit TSG-Offiziellen geführt, unter anderem auch Dietmar Hopp. Das war sozusagen mein erster Einsatz bei der TSG. Der damalige Stadionsprecher hieß Horst Heinlein, er ist heute noch Sprecher bei der U23 und unterstützt mich bei den Heimspielen in der PreZero Arena.

Fanwesen entwickelte sich von null auf hundert

Während des kometenhaften Aufstiegs der TSG warst Du auch fürs Fanwesen verantwortlich. Die Anzahl an neuen Fans und Fanclubs stieg 2008 gewaltig an. Rückblickend war dies völliges Neuland und eine Mammutaufgabe für Dich.
Diehl:
Das war in der Tat eine Mammutaufgabe. Beim Aufstieg in die Zweite Liga waren wir zur viert oder zu fünft, dann ging es direkt weiter hoch in Liga eins. Wir kamen gar nicht mehr hinterher. Die Zeit war so arbeitsintensiv, ging aber gleichzeitig richtig vorbei – es hat unheimlich viel Spaß gemacht. Das Fanwesen hatte sich so schnell entwickelt, von null auf hundert innerhalb eines halben Jahres. Das war wirklich unglaublich, alles in allem aber eine wundervolle Zeit.

"Meine schwierigsten Momente"

Einer Deiner schwierigsten Momente war sicherlich vor dem Schalke-Spiel am Ostersonntag das Verkünden, dass mit Christiane Rienesl eine langjährige Kollegin verstorben ist. Du musstest Deine Durchsage mehrfach unterbrechen.
Diehl:
Christiane war die Seele des Vereins. Wir haben von Beginn an sehr eng zusammengearbeitet, waren gemeinsam auf allen Heim- und Auswärtsspielen. Wir haben so viel zusammen erlebt, natürlich entwickelte sich daraus mehr als eine kollegiale Beziehung. Zusammen mit dem Tod von Peter Hofmann waren das für mich die beiden schwierigsten Momente in diesen 20 Jahren.

Mike Diehl bei der Moderation auf dem Spielfeld - links Sejad Salihovic

"Damit hätte ich nie gerechnet"

Auch das letzte Heimspiel vor der Corona-Zwangspause gegen die Bayern, das wegen Beleidigungen in Richtung Dietmar Hopp drohte abgebrochen zu werden, wird bei Dir unvergessen bleiben.
Diehl:
Ich stand alleine am Spielfeldrand und war mit dieser Situation völlig überfordert. Es gibt Richtlinien die man bei solchen Vorkommnissen zu beachten hat, spezielle Durchsagen beispielsweise, das musste ich dann alles irgendwie abspulen. Ich hätte es einfach nie für möglich gehalten, dass so etwas passieren könnte.

Liverpool bleibt unvergessen

Gibt es noch weitere außergewöhnliche Momente in den zurückliegenden 20 Jahren, die besonders haften geblieben sind?
Diehl:
Ganz klar der Auswärtstrip nach Liverpool mit fast 4.000 TSG-Fans, das sind 1.000 Menschen mehr als Hoffenheim Einwohner hat. Das werde ich niemals vergessen. Auch unsere Fahrt als Zweitligist mit 58 Bussen zum Auswärtsspiel im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund. Und natürlich das erste Champions-League-Spiel gegen Manchester City zu Hause und den schnelle Führung.

Was hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten aus Deiner Sicht im Profifußball und Fanwesen am gravierendsten verändert?
Diehl:
Alles ist viel schnelllebiger geworden. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt, du musst höllisch aufpassen, was du sagst. Schon allein die Tatsache, dass die Spieler auf dem Platz oft mit vorgehaltener Hand kommunizieren, da ist mir etwas verloren gegangen.

Unterstützung für Hilfsbedürftige

Du beschäftigst Dich auch intensiv mit den sozialen Projekten der TSG. Was hat dies für einen Hintergrund?
Diehl:
Familie Hopp ist sehr sozial aufgestellt und engagiert sich stark in der ganzen Region. Über die letzten 18 Jahre habe ich diese Abteilung nach und nach aufgebaut. Wir unterstützen sehr viele Vereine in der Region. Menschen, denen es aus verschiedensten Gründen nicht ganz so gut geht. Mit unserem Präsidenten Kristian Baumgärtner besuchen wir vor allem Richtung Weihnachten Kindergärten und Krankenhäuser, um den Menschen dort etwas Freude zu bereiten. Das alles steht unter dem Leitfaden der TSG.

"Werde voller Adrenalin sein"

Am kommenden Samstag, den 20. Mai beim Heimspiel gegen Union Berlin wirst Du zum letzten Mal mit dem Mikro am Spielfeldrand stehen. Was geht im Vorfeld bei so einem bewegenden Moment in einem vor?
Diehl:
Da werde ich zum einen so voller Adrenalin sein und nur das Spiel im Kopf haben. Zum anderen kann ich hoffentlich völlig entspannt sein, weil wir den Klassenerhalt schon fix gemacht haben.
Dass ich das dann zukünftig nicht mehr machen werde, daran denke ich in dem Moment aber noch nicht. Das kommt sicherlich dann erst zum ersten Heimspiel der neuen Saison, wenn ich nicht mehr da unten stehe und die Mannschaft ankündige.

Wer wird Dein Nachfolger und wirst Du ihn beim letzten Saisonheimspiel den Fans vorstellen?
Diehl:
Bis zum ersten Heimspiel ist ja noch ein wenig Zeit. Wir haben mehrere Optionen, der Fokus liegt jetzt aber erst einmal vollkommen auf den letzten beiden Spieltagen und dem Klassenerhalt. In der Pause werden wir das Thema dann in Ruhe finalisieren.

Spontanes

Was fällt Dir zu folgenden Stichwörtern spontan ein?
Fanfeste in Oberhof:

In der Regionalliga-Zeit wurden diese Treffen ins Leben gerufen. Dabei sollte die Mannschaft vor der Saison den Fans vorgestellt werden. Das Ganze fand auf einem Bauernhof in Oberhof statt, es wurde gegrillt und gefeiert – immer in sehr familiärer Atmosphäre.

Platzsturm beim Saisonfinale 2018 gegen Dortmund: …
Ich bin immer noch ziemlich verwundert, wie gut das funktioniert hat. Die Fans stürmten den Platz, ich bat sie per Durchsage auf Ihre Plätze zurückzukehren, damit die Mannschaft wieder in Ruhe herauskommen kann. Die Fans haben sich umgedreht und sind zurück auf die Ränge. Sowas geht auch nur bei Hoffenheim (lacht).

Champions League-Auftritte der TSG: …
Da muss ich ehrlich zugeben, das hätte ich mir niemals träumen lassen. Diese Erlebnisse bleiben unvergessen.

Dietmar Hopp: …
Der wichtigste Mann der Region, dem ich alles zu verdanken habe.

Welchen Gegner hast Du besonders gerne in Sinsheim begrüßt? …
Darmstadt 98 in der Bundesliga-Saison, das ist mein Heimatverein.

Dein persönlich größter Hoffe-Spieler seit 2008? …
Da möchte und kann ich keinen einzelnen Spieler herauspicken, in fast 20 Jahren kommen da so einige zusammen …

Mike, wir wünschen Dir für Deine weitere Zukunft alles Gute und sagen auch im Namen des bwa-sport-Teams vielen Dank für die gute, harmonische und vertrauensvolle Zusammenarbeit in den zurückliegenden Jahren.

Fotos: Kraichgaufoto und BWA

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