„Über Europa kann man mich im April fragen“

"Nehme mir die Trainer-Kritik zu Herzen und lasse den Kopf nicht hängen"

Fußballprofi Andrej Kramaric ist im Sommer für zehn Millionen Euro von Leicester City zur TSG Hoffenheim gewechselt. In der Rückrunde der Vorsaison war der 25-Jährige aus Leicester ausgeliehen gewesen. Für die Kraichgauer hat der kroatische Nationalspieler (14 Länderspiele, vier Tore) in 27 Bundesliga-Spielen acht Tore und neun Vorlagen beigesteuert. Seine Karriere begann Kramarić in der Jugend von Dinamo Zagreb, wo er in den verschiedenen Altersklassen mit über 450 Toren einen Vereinsrekord aufstellte. 2009 debütierte er für die erste Mannschaft und wurde zwischen 2009 und 2011 mit Dinamo dreimal kroatischer Meister. 2009 und 2011 wurde er zudem kroatischer Pokalsieger. Nach einer Ausleihe  2012 an NK Lokomotive Zagreb folgte 2013 der Wechsel zu HNR Rijeka, wo er mit zehn Treffern maßgebenden Anteil am seinem dritten kroatischen Pokalsieg hatte.

Extra-Schichten für bessere Chancenverwertung

Herr Kramaric, das Wort „Chancentod“ wurde mit Ihnen in den letzten Wochen des öfters in Verbindung gebracht. Wie gehen Sie damit um?
Andrej Kramaric:
Ich versuche mir keinen allzu großen Kopf darum zu machen. Es gibt solche Phasen, in denen es mit dem Tore schießen einfach nicht so klappt. Es hilft aber nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Ich werde weiter hart arbeiten und versuchen, mir Chancen zu erarbeiten. Deshalb mache ich Extra-Schichten mit den Co-Trainern. Über viel Training kann ich meine Sicherheit im Abschluss zurückgewinnen. Im Training schleifen sich die Abläufe ein. Jedes Tor gibt Selbstvertrauen. Wenn ich im Training gegen Oliver Baumann oder die anderen TSG-Keeper treffe, dann habe ich etwas richtig gemacht und das weiß ich. Ich hoffe, der Knoten platzt bald.

Ihr Trainer Julian Nagelsmann wollte Sie reizen, indem er Sie nach dem HSV-Spiel, in Verbindung mit einer Reihe vergebener Großchancen, öffentlich etwas kritisierte. Wie haben Sie die Aussagen des Trainers wahrgenommen?
Kramaric:
Der Trainer hat das Recht, solche Dinge anzusprechen – auch öffentlich. Ich nehme das wahr und nehme es mir zu Herzen. Denn natürlich will ich so viel wie möglich zum Erfolg der Mannschaft beitragen. Ich lasse den Kopf nicht hängen, sondern gebe weiter Gas.

Drei Tore und fünf Vorlagen waren in den ersten Saisonspielen Top-Werte. Man könnte den Eindruck gewinnen, als ob Sie zuletzt vor dem Tor zu viel nachdenken würden. Ist Ihnen die Kaltschnäuzigkeit verloren gegangen?
Kramaric:
Julian Nagelsmann hat Recht, wenn er sagt, dass ich vor dem Tor aktuell nicht so locker bin wie gewohnt und etwas zu viel nachdenke. Ich bin aber sicher, dass ich die Kaltschnäuzigkeit wieder finde.

Machen eine gute Entwicklung und haben noch einiges vor

Das Jahr 2016 war für Sie sehr ereignisreich. Im Januar der Wechsel von der Premier League aus Leicester nach Hoffenheim, wo Sie großen Anteil am Klassenerhalt hatten, im Sommer die Teilnahme mit Kroatien an der EM in Frankreich und jetzt die positive erste Saisonhälfte mit der TSG.
Kramaric:
Ja, das war in der Tat ein ereignisreiches Jahr, aber ich will gar nicht zurückschauen. Wir machen bei der TSG gerade eine gute Entwicklung und sind in der Bundesliga noch ungeschlagen. Ich schaue lieber nach vorne, weil wir mit der Mannschaft noch einiges vorhaben. Wir wollen uns weiter verbessern. Jeder einzelne und das Team als Ganzes.

Glauben Sie, dass die Mannschaft ihre gute Form über die gesamte Saison über aufrecht halten und sich am Ende erstmals für einen europäischen Wettbewerb qualifizieren kann?
Kramaric:
Die Frage nach einem europäischen Wettbewerb kommt viel zu früh. Das können sie mich im April noch mal fragen, wenn wir immer noch im ersten Tabellendrittel stehen. Was unsere Form angeht: Das ist das große Ziel. Gute Leistungen über eine gesamte Spielzeit zu zeigen, jede Woche über einen langen Zeitraum abzuliefern, unser Maximum zu erreichen und immer wieder Schritte nach vorne zu machen.

Wir wollen den Ball und dann etwas damit anfangen

Unter Trainer Nagelsmann hat das Team eine tolle Entwicklung genommen. Was zeichnet die TSG Hoffenheim 2016 besonders aus?
Kramaric:
Der Trainer gibt uns in jeder Partie einen sehr genauen Plan an die Hand, der die Chance erhöht, erfolgreich zu sein. Gleichzeitig sind wir aber auch taktisch flexibel. Wir können uns anpassen und auf den Gegner reagieren. Das ist eine unserer Stärken, zudem spielen wir guten Fußball. Die Betonung liegt hier auf „spielen“. Wir wollen den Ball und wir wollen etwas damit anfangen.

Was hat Sie im bisherigen Saisonverlauf am meisten beeindruckt?
Kramaric:
Beeindruckt? Das ist schwer. Ich denke, unsere Entwicklung als Team in den vergangenen Monaten ist schon sehr gut, aber das lässt sich nicht auf diese Saison beschränken. Das ging schon im Februar los, als Julian Nagelsmann als Trainer angefangen hat.

Deutsche und englische Liga auf Augenhöhe

Sie haben in Ihren 27 Bundesligapartien acht Treffer markiert. Welchen Stellenwert nimmt die Bundesliga im Vergleich zur Premier-League für Sie ein?
Kramaric:
Die Ligen befinden sich auf Augenhöhe, aber in der Bundesliga wird mehr Fußball gespielt. Mehr Teams haben den Anspruch, den Ball zu haben und das Spiel zu gestalten. In der Premier League beschränkt sich das auf die Teams ganz vorne. Die anderen spielen oft sehr defensiv und teilweise spielt auch simples „Kick and Rush“ noch eine große Rolle.

Welche Wünsche und Träume haben Sie für das bevorstehende Jahr 2017?
Kramaric:
Das ist ja noch ein paar Wochen weg. Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Jetzt will ich erst einmal gesund durch das Jahr 2016 kommen und mit der Mannschaft noch so viele Punkte wie möglich sammeln. Wenn das Spiel gegen Bremen vorbei ist, ich zu meiner Familie fahre und über die Feiertage die Akkus wieder auflade, mache ich mir Gedanken über das Jahr 2017.

Alles dafür tun, um gegen Köln zu siegen

Am Samstag empfängt Hoffenheim Tabellennachbarn 1. FC Köln. Wird sich die Mannschaft für das Pokal-Aus am Rhein revanchieren und sich vor die Geißböcke positionieren?
Kramaric:
Wir werden alles dafür tun, drei Punkte zu holen und ich denke, dass wir die Qualität in der Mannschaft haben, um das auch zu schaffen. Das Pokal-Spiel wird dabei keine große Rolle spielen. Wenn wir auf dem Platz stehen, sind wir im Hier und Jetzt, andere Gedanken lenken da nur ab.

Fotos: Kraichgaufoto und BWA

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