Stefan Allgeier ist seit 2009 Fanbeauftragter beim ZweitligistenSV Sandhausen. In den vergangenen 47 Jahren hat der 55-Jährige nur wenige Heimspiele der Kurpfälzer verpasst und ist daher, wie kaum ein anderer, prädestiniert für diesen Posten. Im Gespräch mit bwa-sport.de gibt die Vertrauensperson der SVS-Fans interessante Einblicke in die Fankultur.
Die Entwicklung der Sandhäuser Fanszene hat seit dem Zweitligaaufstieg einen großen Aufschwung genommen.
Stefan Allgeier: Die Entwicklung ist ein ständiges Auf und Ab. Zuletzt beim Heimspiel gegen Dynamo Dresden gab es einen Boykott unserer Ultra-Szene, den alle anderen Fans nicht gutgeheißen haben. Bei der nächsten Fanausschuss-Sitzung steht dieses Thema ganz oben auf der Tagesordnung. Ich vergleiche diese Situation mit einer Familie, in der es hin und wieder zu Streitigkeiten kommt, die aber anschließend wieder schnell gelöst werden. Was die Anzahl der Fans betrifft, können wir zufrieden sein, auch wenn noch einige dazu kommen könnten. Was langsam und stetig wächst, hält meist länger zusammen. Durch einen Riesenboom besteht Gefahr, dass viele bei ausbleibendem Erfolg verloren gehen. Doch ich glaube, dass die Mehrzahl der SV-Fans auch im Abstiegsfall dem Verein treu bleiben würde, was uns ganz besonders auszeichnet.
„Geben gegen die Großen immer unser Bestes“
Große Vereine wie Stuttgart, Kaiserslautern, Nürnberg und Dresden machen Auswärtsspiele oft akustisch zu Heimspiele. Wie geht der SVS-Fan damit um, wenn er spürt, im eigenen Stadion weniger gehört zu werden?
Allgeier: Klar ist das hin und wieder frustrierend, aber wir sind der „Liga-Zwerg“ und sind irgendwie auch stolz darauf. Generell haben wir gegen die großen Traditionsvereine wenige Chancen uns akustisch durchzusetzen, dennoch versuchen wir immer das Beste daraus zu machen.
Gegen Kaiserslautern hat nicht nur die Mannschaft sich erfolgreich zur Wehr gesetzt.
Allgeier: In diesem Spiel hat der Fanclub „Blockade“ die Choreographie super vorbereitet und durchgeführt. Auch die Zuschauer auf den Tribünen waren begeistert, dass wir uns, trotz der vielen Gästefans, Gehör verschaffen konnten.
Aufwendige Choreographie selbst gestemmt
Inwiefern unterstützt der Verein die einzelnen Fanaktionen?
Allgeier: Dank gilt hier den Fans, die durch die Pfandbecheraktion diese aufwendige Choreographie finanziell gestemmt haben. Wir waren stolz, dass wir die vom Verein angebotene finanzielle Unterstützung nicht benötigten. Die Produktionskosten des Choreo-Posters, das zwei Euro pro Poster brachte, hat der Verein übernommen. Zudem gibt es Aktionen wie Weißwurstessen plus Freigetränken bei Fan-Treffen, die der Verein unterstützt bzw. finanziert.
Nennen Sie uns bitte einige Daten: Wie viele offizielle Fanclubs gibt es – wie viele Personen sind Mitglied im SVS-Fanverband?
Allgeier: Wir haben 21 Fanclubs und ca. 350 Mitglieder in den Fanclubs.
Aufstiegsfeier in Münster sowie 14 Fanbusse nach Frankfurt bleiben unvergessen
Was waren Ihre bislang Ihr schönsten und weniger schönen Erlebnisse mit den Fans?
Allgeier: Das schlimmste Erlebnis gab es in Karlsruhe, als die Polizei zur Eskalation beigetragen hat, statt deeskalierend zu wirken. Das ganz große Highlight war sicherlich der Aufstieg und die Feier in Münster. Auch wenn wir unglücklich nach großem Kampf verloren haben, bleibt mir immer in schöner Erinnerung, wie wir mit 14 Bussen zum Pokalauswärtsspiel gegen Eintracht Frankfurt gefahren sind.
Gegen Eintracht Frankfurt gab es doch auch mal ein positives Ergebnis, auch wenn es lange her ist.
Allgeier: Ja, das war Anfang der 70er Jahre, als wir gegen die Eintracht 3:2 gewonnen hatten. Die Weltmeister Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein spielten damals noch für die Hessen. Jetzt gab es heute Abend ebenfalls einen Sieg über Frankfurt, auch wenn es nur ein Testspiel war. Genau genommen könnte ich in über 47 Jahren SV Sandhausen in Bezug auf schöne Erlebnisse ein ganzes Buch schreiben (lacht).
„Hatten ausgerechnet den Ältesten ohne Handy bei einer Raststätte vergessen“
Einige Kapitel würden dabei sicherlich auch die Fahrten zu Auswärtsspielen füllen.
Allgeier: Da fällt mir eine Geschichte ein. Bei einer Busfahrt zu einem Auswärtsspiel hatten wir uns auf einer Raststätte auf die üblichen 20 Minuten Pause geeinigt. Als wir dann nach einer halben Stunde in der Hoffnung, dass alle anwesend seien, weiterfuhren, fiel uns auf der Weiterfahrt auf, dass doch eine Person fehlt. Es war ausgerechnet der Älteste und der hatte kein Handy dabei. Als nach 20 Minuten endlich eine Ausfahrt kam, sind wir umgekehrt und haben den Mann nach einer guten Stunde wieder im Bus aufgenommen. Inzwischen hat er mir dieses Missgeschick verziehen.
Vielseitige Aufgaben eines Fanbeauftragten
Was sind die Aufgabenschwerpunkte eines Fanbeauftragten?
Allgeier: Die Aufgabenbereiche sind vielseitig. Dazu gehört die Organisation der Auswärtsfahrten, vor den Heimspielen den Kontakt mit den jeweiligen Fanbeauftragten der Gäste aufzunehmen oder Probleme, die zwischen den Fanclubs entstehen, zu lösen. Ich bin für alle Fan-Fragen hinsichtlich Ticketing oder Catering zuständig. Zu den Hauptaufgaben gehört auch der Austausch zwischen Verein und Fans, sprich die Schnittstelle bei jeglichen Fragen zu sein. Die Uhrzeiten zu meinen Bürozeiten werden gut angenommen, es kommen immer wieder Leute mit Problemen vorbei.
In der Sandhäuser Fanszene genießen Sie viel Respekt.
Allgeier: Es macht mir viel Spaß mit anderen Personen rund um den SV Sandhausen im Austausch zu sein. Als Fanbeauftragter nimmt man hin und wieder an Seminaren teil, die sich mit Kommunikation beschäftigen.
Zusammen mit dem Präsidenten in der Schule
Sie gingen mit SVS-Präsidenten Jürgen Machmeier in eine Schulklasse. Tauscht man sich da auch mal über vergangene Zeiten aus?
Allgeier: Wir treffen uns ab und zu auch privat. Unser Präsident wird zu allen Feierlichkeiten des Fanclubs „Veteranen“ eingeladen. In der Grundschule waren wir zwei Jahre in einer Klasse. Der große Erfolg des SVS ist sehr eng mit der Person Jürgen Machmeier verbunden. Deshalb kann der Dank an den Präsidenten nicht groß genug sein.
„Sehe wenig Chancen, dass das Verhältnis zu 1899 Hoffenheim sich verbessert“
Zum benachbarten Erstligisten 1899 Hoffenheim pflegt der SVS-Fan wenig Sympathien. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, warum sich beide Fan-Lager nicht sonderlich mögen?
Allgeier: Ich sehe das Verhältnis schon eher als Feindschaft an. Dies beruht meiner Meinung darauf, dass man 1899 Hoffenheim als Nicht-Fußball- bzw. Retortenverein sieht, in dem alles mit Geld aufgebaut wurde. Auch die räumliche Nähe kommt hier noch erschwerend hinzu. Für mich persönlich bedeutet ein Fußballspiel 90 Minuten Rivalität, aber danach kann man mit mir gerne ein Bierchen trinken. Ich sehe jedoch wenig Chancen, dass sich das Verhältnis zur TSG verbessert, da zuletzt wieder gezielt gegen uns Unmut aufkam.
Haben Sie einen persönlichen Wunsch in Bezug auf den SV Sandhausen?
Allgeier: Ich wünsche mir, dass der SV sportlich die Zweite Liga hält. Ansonsten ist es kein Geheimnis, dass es mich stört, dass unsere Fans direkt neben dem Gäste-Fanbereich untergebracht sind. Da kommt es schon mal zu verbalen Auseinandersetzungen und die Gefahr, dass es dabei eskaliert, ist groß. Unsere Fangesänge würde man viel besser hören, wenn unser Fanblock diagonal oder gegenüber dem der Gästefans wäre. Überrascht hat mich zuletzt, dass die als gefährlich eingestuften Fans aus Dresden und Stuttgart uns gegenüber sehr respektvoll aufgetreten sind.
Foto: BWA