„Wir waren noch nie brutale Mentalitätsmonster“

TSG-Coach Julian Nagelsmann

Das Torfestival am Sonntagabend beim 4:4 zwischen dem FSV Mainz 05 und der TSG 1899 Hoffenheim war der Höhepunkt des 2. Bundesligaspieltages. Beide Mannschaften boten, bei einem offenen Schlagabtausch, höchsten Unterhaltungswert für die 27.408 Zuschauer. Es war ein total verrücktes Match, über das man noch lange reden wird. Auch TSG-Trainer Julian Nagelsmann wusste nach Spielende nicht so richtig, ob er sich mehr freuen oder ärgern sollte. Freuen durfte er sich, dass sein Team einen 1:4 Halbzeitstand noch egalisieren konnte – ärgern, dass anfängerhafte Fehler den Gegner zum Tore schießen eingeladen haben.

Lachen oder weinen?

Nagelsmann im Gespräch mit bwa-sport.de: „Wir wussten beim Abpfiff nicht, ob wir lachen oder weinen sollten. Man war zu diesem Zeitpunkt nicht Herr seiner Gefühlslage. Nach der Halbzeit hat keiner mehr damit gerechnet, dass wir wieder zurückkommen. Am Ende hätten wir sogar noch 5:4 gewinnen können.“ In den ersten 45 Minuten sah der TSG-Trainer sein Team nicht viel schlechter als den Gegner: „Unser Plan ist sehr gut aufgegangen, eigentlich lag es nur an zwei Einzelaktionen, wo wir nicht gut verteidigt haben. Wenn die Basis ´Eins gegen Eins` nicht angenommen wird, kann man nichts ändern, dann passieren halt oftmals Gegentore. Von außen kann man als Trainer hier kaum Einfluss nehmen.“

Mit eisernem Willen die Partie gedreht

Das Wiedererwachen nach der Pause, der eiserne Wille, eine schon sicher geglaubte Niederlage noch abzuwenden, imponierte Nagelsmann: „In der Vergangenheit waren wir noch nie brutale Mentalitätsmonster, doch dies war nun ein Indiz dafür, dass wir es können. Die Mannschaft hat nach meiner lauten Kabinenansprache in der Pause gut reagiert. Seit Bundesligazugehörigkeit ist es noch nie gelungen, einen drei Tore Rückstand wieder aufzuholen, deshalb kann man dies sehr positiv sehen.“

In der letzten defensiven Linie haarsträubende Fehler gemacht

In dieser Woche wird der mit 29 Jahre jüngste Bundesligacoach seinen Spielern nochmals die haarsträubenden Fehler im Defensiverhalten vor Augen führen. „Das Verhalten in der letzten defensiven Linie war in der ersten Hälfte sehr schlecht, da waren wir sehr schläfrig – anders kann man es nicht sagen. Da kann nicht nur eine anatomische Schnelligkeit dafür verantwortlich sein, dass wir solche Probleme bekommen“, bemängelte der gebürtige Landsberger.

Nagelsmann vermisste die Basiselemente im Spiel

Er vermisste von seinen Spielern vor allem die von ihm oft geforderte Basic: „Zweikampfverhalten, sich gegenseitig helfen, frühzeitig absichern, immer Druck auf den Ballführenden – das sind alles Basiselemente. Auf diesem Fundament kann ich irgendwann die fußballerische Qualität draufbauen. Die vor dem Spiel angesprochene Basic wurde in der ersten Halbzeit nicht befolgt. Wir waren nicht schlechter als die Mainzer, nur haben wir in der ersten Hälfte grottenschlecht verteidigt – Mainz in der Zweiten.“

Mentalität schlägt Qualität bis zum gewissen Niveau

Die Gründe für die sportliche Wende sah Nagelsmann im Mentalitätsbereich: „Wir sind nicht von mehr fußballerischer Qualität in der zweiten Hälfte zurückgekommen sondern aufgrund von mehr Mentalität. Ernst Tanner, ein früher Förderer von mir, hat immer gesagt: ´Mentalität schlägt Qualität bis zum gewissen Niveau`.“
Ein Vergleich zum Weltklasse-Fußballer Lionel Messi durfte da nicht fehlen: „Also wenn ich ein Mentalitätsmonster bin heißt es nicht, dass ich ein besserer Fußballer bin als Messi. Aber wenn ich zwei ähnliche Spieler habe, wird der mit der größeren Mentalität am Ende weiterkommen.“

Erinnerungen an Stuttgart wurden wach

Während dem munteren Torfestival in der Mainzer Opel-Arena kamen in ihm Erinnerungen an sein fünftes Bundesligaspiel als Profitrainer auf: „Beim 1:5 in Stuttgart haben wir den Gegner auch durch eigene Fehler zum Tore schießen eingeladen. Doch Parallelen habe ich nicht wirklich gesehen, nur vom Ergebnis, nicht aber von der Anlage. Bei der 1:5 Niederlage haben wir, im Gegensatz zum 4:4 in Mainz, nicht gut gespielt. In der gegnerischen Hälfte waren wir, was das Verteidigen anbelangt, schon viel weiter, doch was die eigene Verteidigung anbelangt, war es schon Suboptimal.“
Man darf gespannt sein, ob die Kraichgauer am Samstag im Heimspiel gegen offensivstarke Wolfsburger im Defensivverhalten die richtigen Lehren gezogen haben.

Foto: BWA

 

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