Eine mit großer Spannung erwartete Wahl des neuen TSG-Vorsitzenden

Aktuell gibt es zwei Kandidaten – Fans machen mobil

Am kommenden Montag, 2. September findet in der Sinsheimer Dr.-Sieber-Halle/Stadthalle um 19 Uhr die ordentliche Mitgliederversammlung der TSG 1899 Hoffenheim e.V. statt. Da sich einige Mitglieder bereits beim Einladungsschreiben wunderten, haben wir nachrecherchiert: Satzungsgemäß ist es eine ordentliche und keine außerordentliche Versammlung, da ein neuer erster Vorsitzender gewählt wird und die Einladungen frühzeitg verschickt wurden. Rein rechtlich also alles okay! Erwartet werden laut Presseabteilung dabei nach aktuellem Stand 860 Mitglieder. Von den insgesamt rund 11.000 Vereinsmitgliedern sind laut Satzung 1860 stimmberechtigt.

Baumgärtners Ausscheiden brachte alles ins Rollen

Diese Versammlung ist erforderlich, da der wenige Wochen zuvor im Amt bestätigte Präsidenten Kristian Baumgärtner am 2. Juli aus gesundheitlichen Gründen überraschend zurückgetreten ist. Einige vermuten jedoch, dass Baumgärtner, der über 23 Jahre Vorstandsmitgliedschaft war, mit einigen Entscheidungen von Klubmäzen Dietmar Hopp nicht mehr einverstanden war, allen voran mit der geplanten Umstrukturierung der gesamten sportlichen Leitung. Für ihn übernahm dessen Stellvertreterin Simone Engelhardt übergangsweise die Funktion der ersten Präsidentin des e.V. Die 58-jährige SAP-Managerin war somit erst die vierte Frau an der Spitze eines professionell geführten Fußballvereins in Deutschland und die erste überhaupt in der Fußball-Bundesliga.

Kristian Baumgärtner trat aus gesundheitlichen Gründen vom Amt des 1. Vorsitzenden zurück

Simone Engelhardt galt als Favoritin für das höchste Vereinsamt

Nach dem zwangsweise Ausscheiden der fast kompletten Geschäftsführung bei den Kraichgauern signalisierte Engelhardt in einem Interview, dass sie sich vorstellen könne, die Führung des dreiköpfigen Vorstandes als erste Vorsitzende für die rund 65 Fanclubs und knapp 11.000 Mitglieder auch längerfristig auszuüben. Engelhardt, die eigentlich wie Baumgärtner zuvor hinter dem früheren Geschäftsführer Sport Alexander Rosen stand, segnete als Vertreterin des Mehrheitsgesellschafters, des TSG e.V., bei der Spielbetriebs GmbH, die Entlassung Rosens dann doch überraschend ab. „Eine Neuausrichtung für die Zukunft der TSG ist notwendig. Dafür gibt es Beweggründe, die nicht nach außen getragen werden. Wir haben konstruktive und zielorientierte Gespräche geführt im Sinne der TSG, bevor wir die Entscheidung getroffen haben. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, Dr. Markus Schütz, werden wir die Geschäftsbereiche neu strukturieren“, sagte Engelhardt in der damals äußerst angespannten und kritischen Situation.

Simone Engelhardt bleibt weiterhin zweite Vorsitzende des TSG e.V.

Überraschend kam Albrecht ins Spiel

Doch plötzlich kam für viele überraschend der noch amtierende Oberbürgermeister des Großen Kreisstadt Sinsheim Jörg Albrecht ins Spiel. Seine Kandidatur ging beim Verein am 20. August offiziell ein. Es wird vermutet, dass die TSG-Gesellschafter weniger Vertrauen in Engelhardt haben und mit Albrecht eine eher geeignetere Person für diese wichtige Funktion sehen.
Der Posten des Vereinschefs hat nicht zuletzt an großer Bedeutung gewonnen, weil Hopp freiwillig sein Stimmmehrheitsrecht an den e.V. zurückgegeben hatte und der Verein damit in den Kreis der 50+1-Klubs zurückgekehrt war. Der Vereinschef ist daher rein formal mächtigster Gesellschafter, auch wenn er nach wie vor in existenzieller Abhängigkeit vom Mäzen ist.
Der 55-jährige Albrecht, der am 31. August auf eigenen Wunsch aus dem Chefsessel des Rathauses ausscheidet und am 1. September das Amt des ersten Vorsitzenden der gemeinnützigen Organisation „Anpfiff ins Leben“ als Nachfolger von Dietmar Pfähler antritt, ist zumindest namentlich der einzige bekannte Kandidat für das Amt des ersten Vorsitzenden, der sich zur Wahl stellen wird.

Sinsheims OB Jörg Albrecht
Jörg Albrecht stellt sich offiziell als einziger Kandidat für die Wahl zum ersten Vorsitzenden des TSG e.V. zur Verfügung

„Es freut mich, von verschiedenen Seiten Rückendeckung erhalten zu haben“

Jörg Albrecht

„Die Gespräche in den vergangenen Tagen waren von großer Wertschätzung geprägt. Es freut mich, von verschiedenen Seiten Rückendeckung erhalten zu haben,“ begründet Albrecht seine Entscheidung, sich zur Wahl für dieses Ehrenamt aufstellen lassen zu wollen. Als TSG-Fan, aber auch in seiner Funktion als Oberbürgermeister war der ehemalige Bezirksligaspieler in den zurückliegenden Jahren Stammgast und Gastredner auf den Mitgliederversammlungen des Vereins. Er schätzt die Nähe zu den Menschen, bezeichnet sich selbst als „Lokalpatriot“ oder „Kind der Region“.

„Ich kenne die Strukturen des Vereins sehr gut und weiß, welche Themen den Verein bewegen“

Jörg Albrecht

Albrecht sieht sich als Vereinskenner: „Aufgrund meines beruflichen Hintergrundes habe ich einen neutralen Blick von außen, kenne aber die Strukturen des Vereins sehr gut und weiß, welche Themen den Verein bewegen. Jetzt liegt meine Hauptmotivation darin, Verantwortung für diese vielseitige und verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen.“

Einer von vielen Spruchbannern beim letzten Heimspiel der TSG gegen Holstein Kiel

Massive Kritik aus Teilen der Fanszene

Ein Teil der Hoffenheimer Fanszene steht Albrecht jedoch äußerst kritisch gegenüber. Sie werfen ihm seine Vorliebe zum – aus ihrer Sicht – ungeliebten Heimatverein SV Sandhausen vor. Auch die freundschaftliche Nähe zu Dietmar Hopp sowie das große Vertrauensverhältnis zum TSG-Mäzen wird für sie äußerst kritisch beäugt. Man befürchtet, dass der neue TSG-Präsident nur als Marionette von Hopp und dessen Freund und Spielerberater Roger Wittmann auf Präsidiumsebene – wie zuvor Engelhardt – agieren würde und somit die 50+1-Regelung ausgehöhlt wird. Die Hoffenheimer Ultra-Szene hat deshalb aufgerufen: „TSG-Mitglieder: Wehrt euch! Keine Stimme für Albrecht am 2. September!“

Eine gemeinsame Lösung muss gefunden werden

Die Fanszene ist gespalten, wie auch schon beim Stimmungsboykott beim Bundesligaauftakt am vergangenen Samstag gegen Holstein Kiel deutlich spürbar war. Fakt ist, es sollte schnellstmöglich eine Lösung gefunden werden, die Verein und Fans wieder zusammenführt. Das schon viel zu lange angespannte Verhältnis, das durch die Entlassung von Alex Rosen ihren Höhepunkt erreichte, muss beendet werden. Das ganze Theater geht auch an der Bundesliga-Mannschaft nicht spurlos vorbei. Gerade im Jahr des 125-jährigen Vereinsjubiläums, verbunden mit der vierten Teilnahme am internationalen Wettbewerb, hätte man auf so eine für alle Seiten unbefriedigende Situation mit Sicherheit gerne verzichtet.

Weiterer Kandidat aus der Ultra-Szene

Offiziell gab es am Montag neben Albrecht drei Kandidaten, die zur Wahl des Ersten Vorsitzenden zugelassen waren. Jetzt sind es noch zwei. Der Kandidat Helmut Waibel, der bei Facebook seine Kandidatur angekündigt hatte, hat diese wieder zurückgezogen. Ein weiterer Kandidat, der namentlich nicht genannt werden möchte, hat seine Kandidatur ebenfalls zurückgenommen. Es läuft also hinaus auf das Duell Albrecht gegen einen Kandidaten, der in der Öffentlichkeit derzeit noch nicht auftreten möchte, dies aber dann ja spätestens am Montag tun wird. Diese Person soll angeblich aus der Hoffenheimer Ultra-Szene kommen. Sollte dieser „Mister Unbekannt“ tatsächlich gewählt werden, hätte dies mit Sicherheit schwerwiegende Folgen für die TSG Hoffenheim, die den äußerst wahrscheinlichen Rückzug von Hopp zur Folge hätte. Was dies für den Bundesligisten bedeuten würde, dürfte allen klar sein.

„Das ganze Theater hilft keinem der Beteiligten

Ronny Zimmermann

bwa-sport.de sprach im Vorfeld der außerordentlichen Mitgliederversammlung mit dem Vizepräsidenten des Deutschen Fußballbundes Ronny Zimmermann über die aktuelle Situation. Der selbständige Rechtsanwalt aus Wiesloch, zu dessen Tätigkeitsschwerpunkten Zivil-, Vertrags-, Internet- und Vereinsrecht zählt, bezieht dabei klar Stellung: „Das ganze Theater hilft keinem der Beteiligten, weder dem Verein, noch der Spielbetriebs GmbH, noch den Ultras und schon gar nicht der Mannschaft. Insofern kann man nur anraten sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und eine gemeinsame Lösung zu finden. Wenn man nicht aufeinander zugeht und nicht gewillt ist eine Lösung zu finden, dann ist man getrennt auf ewig und das macht ja gar keinen Sinn.“

DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann

„In einer Demokratie gewinnt dann der, der die meisten Stimmen erhält

Ronny Zimmermann

Für den 63-jährigen Sportfunktionär ist die Vereinsstruktur klar definiert: „Wir leben in einer Demokratie. Wenn ich bei einer Wahl nicht mit dem Bewerber einverstanden bin, dann gehe ich da hin und unterstütze einen anderen Kandidaten. Wenn kein anderer Kandidat vorhanden ist, dann stelle ich einen auf und wähle diesen. In einer Demokratie gewinnt dann der, der die meisten Stimmen erhält.“

Nur Mitglieder haben das Sagen

Für Zimmermann sind die derzeitigen Unruhen rund um die Präsidentenwahl nicht zielführend: „Es bringt ja nichts, wenn man ständig darum diskutiert und nur gegen alles ist. In einer Demokratie muss man mitmachen oder mit dem Ergebnis leben. Die Mitglieder eines Vereins sind die Chefs im Ring und entscheiden am Ende des Tages durch ihr Wahlrecht, wer neuer Präsident wird. Wenn ich kein Mitglied bin, dann geht es mich streng genommen auch nichts an. Ein Verein ist ein Verein. Und bei einem Verein, wo ich kein Mitglied bin, rede ich auch nicht mit.“

Ronny Zimmermann und Sinsheims OB Jörg Albrecht bei der Vorstellung des Spielorts Sinsheim bei der U19-Europameisterschaft 2016
Ronny Zimmermann und Sinsheims OB Jörg Albrecht bei der Vorstellung des Spielorts Sinsheim bei der U19-Europameisterschaft 2016

Stimmenmehrheit entscheidet

Festzuhalten ist, dass im Vorfeld der Versammlung die Möglichkeit bestand, aus der großen Vereinsfamilie weitere Kandidaten für das Amt des ersten Vorsitzenden vorzuschlagen bzw. zu finden. Einige Fans kritisieren die kurzfristige Ansetzung der Versammlung, da durch das kurze Zeitfenster wenig Möglichkeiten blieben, um neue weitere geeignete Kandidaten zu finden.
Man kann schon jetzt davon ausgehen, dass es im Gegensatz zu den letztjährigen äußerst harmonischen und unproblematischen Mitgliederversammlungen der TSG 1899 Hoffenheim e.V. am 2. September hitziger und diskussionsreicher zur Sache gehen wird. Fakt ist: Am Ende entscheiden satzungskonform die wahlberechtigten Vereinsmitglieder über die neue Vereinsspitze, die dann auch von allen akzeptiert und respektiert werden sollte.

Fotos: BWA und Kraichgaufoto

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