„Jeder sollte wissen, was auf dem Spiel steht!“

Linsmayer sieht eine schlechter gewordene Grundstimmung beim SVS

Zweitligist SV Sandhausen befindet sich nach zuletzt vier Niederlagen in Folge im Abstiegskampf. Vor dem wichtigen Auswärtsspiel am Sonntag beim VfL Bochum stand Mittelfeldspieler Denis Linsmayer bwa-sport.de im Interview zur aktuellen sportlichen Situation Rede und Antwort. „Linsi“ zählt zusammen mit Tim Kister und Stefan Kulovits zu den dienstältesten Akteuren am Hardtwald. Der 28-jährige gebürtige Pirmasenser bestritt seit 2013 bislang 208 Spiele für die Kurpfälzer.

Die Taktik ist jetzt nicht das Entscheidende

Herr Linsmayer, in letzter Zeit gab es einige Umstellungen im Team. Muss man Ihrer Meinung nach offensiver oder defensiver agieren, um wieder in die Erfolgsspur zu kommen?
Denis Linsmayer:
Das hat nicht so viel mit der Taktik zu tun. Wir haben in der Hinrunde im Rautensystem oder anderen Systemen auch starke Spiele gemacht, waren das bessere Team und haben Mannschaften besiegt. Wenn so eine Leistung wie am vergangenen Sonntag gegen Karlsruhe folgt, kann man im 3-4-3-System oder mit sechs Stürmern spielen – egal wie, dann wird man die restlichen Spiele nicht gewinnen. Wir müssen schauen, dass wir wieder auf den Platz bringen, was wir in der Hinrunde gut gemacht haben.

Die aktuelle Situation beim SVS ist für Linsmayer nichts Neues

Es ist ein gesamtes Problem

Aus dem Mittelfeld kam zuletzt viel zu wenig Gefahr, das Team ist weitgehend von den Stürmern abhängig.
Linsmayer
: Das ist schon etwas komplexer. Aktuell läuft es hinten, in der Mitte und vorne nicht wie gewünscht. Wir sind in der Defensive zu unaufmerksam in entscheidenden Situationen, geraten Woche für Woche in Rückstand und sind im Offensivspiel zu ungenau bei den Abspielen. Wenn es gefährlich werden kann, treffen wir falsche Entscheidungen, von daher ist es ein gesamtes Problem.

Vollgas ist jetzt gefragt

Sie gelten als erfahrener Mentalitätsspieler, haben andere Spieler eher Einzelgespräche nötig?
Linsmayer:
Das weiß ich nicht, aber es sollte jeder wissen, was auf dem Spiel steht. Jeder muss Vollgas geben und seine Tugenden in den Dienst der Mannschaft stellen.

Haben es dem KSC zu leicht gemacht

Trainer Uwe Koschinat sprach vor dem Spiel gegen Karlsruhe noch davon, dass Handlungsweisen nicht so gut waren und Gespräche geführt werden. Haben Sie mit der gezeigten Leistung gerechnet?
Linsmayer:
Ich war selbst etwas sprachlos nach dem Spiel. Wir wussten, dass es in Darmstadt schon kein gutes Spiel von uns war und nahmen uns deshalb einiges vor. Enttäuschend war dann, dass wir gerade zuhause, wo wir schon viele gute Saisonspiele abgeliefert haben, nicht liefern konnten. Wir sind extrem schlecht ins Spiel gekommen, hatten anfangs keine Ordnung und haben es dem KSC zu leicht gemacht.

Linsmayer treibt den Ball durchs Sandhäuser Mittelfeld

Die Grundstimmung ist schlechter geworden

Es gibt Diskussionen darüber, dass einige Fans negative in positive Energie umwandeln sollten. Können sich zu viele Meckereien auf die Leistung auf dem Platz übertragen?
Linsmayer:
Nein. Natürlich bekommt man in gewissen Phasen des Spiels die Stimmungen mit, aber normal ist man schon auf das Spiel fokussiert. Unmutsäußerungen beim Kabinengang nimmt man schon wahr, aber wer am Sonntag das Spiel gesehen hat, müsste Verständnis dafür zeigen, dass die Leute nicht zufrieden waren. Man merkt, dass die Grundstimmung schlechter geworden ist, aber das ist normal, denn Fußball ist ein Ergebnissport. Wenn man Punkte holt, ist alles toll und es wird über schlechtere Dinge hinweggesehen. In einer schlechten Phase, die wir ohne Frage haben, wird wieder viel gezweifelt.

Aktuelle Situation ist nichts Neues

Bleibt es an Ihnen vielleicht weniger hängen als an anderen?
Linsmayer:
Das muss jeder für sich selbst verarbeiten und entscheiden. Es gibt verschiedene Spielertypen, aber Spieler, die länger dabei sind, können die Situation schon gut einschätzen. Es ist leider nicht das erste Mal in meiner Sandhäuser Zeit, dass wir eine gute Hinrunde spielen und aus unerklärlichen Gründen das Ganze in der Rückrunde nicht mehr so auf den Platz bringen. Ich hatte gehofft, dass wir da etwas weiter sind. Aktuell sieht es wieder etwas schwieriger aus, aber wir müssen schauen, dass wir es wieder drehen.

Nach sieben Jahren muss ich niemandem mehr was beweisen

Sie waren in den letzten sieben Jahren bei den Trainern Schwartz, Kocak und Koschinat stets gefragt und haben sich immer durchgesetzt. Eine Sache der Mentalität?
Linsmayer:
Ich bin jetzt fast sieben Jahre hier und weiß nicht, wem ich groß noch was beweisen muss. Ich habe mich immer in den Dienst der Mannschaft und des Vereins gestellt. Dass es mal bessere und mal schlechtere Phasen gibt, ist normal. Gerade Sportler kennen das und Konkurrenz belebt das Geschäft, aber wenn man sich die Statistiken anschaut, habe ich schon bewiesen, dass ich meinen Wert für den Verein habe.

Wiedersehen ist schöner, wenn man gewonnen hat

Zuletzt gegen den KSC und jetzt gegen den VfL Bochum traf bzw. trifft man auf einige ehemalige SVS-Spieler. Gab es ein schönes Wiedersehen?
Linsmayer:
Schön ist relativ, wenn man zweimal in der Saison gegen die alten Kollegen verliert. Im Hinspiel in Karlsruhe konnte man es noch etwas eher verschmerzen, aber zuletzt war es schon bitter. Aber mit Manuel Stiefler pflege ich immer noch eine sehr enge Freundschaft, was so nicht ganz alltäglich im Fußball ist. Ich finde es immer noch schade, dass er nicht mehr hier ist – wie er selbst glaub ich auch. Wir haben vor und nach dem Spiel auch telefoniert, direkt nach dem Spiel hatte ich am Sonntag nicht so den Redebedarf. Er ist jetzt auch Vater geworden, da schauen wir, uns auch immer wieder mit den ganzen Familien und den Kindern zu sehen. Mit Marco Thiede habe ich auch engen Kontakt – wir sind eine Dreiergruppe, da wir damals auch zur selben Zeit nach Sandhausen kamen, uns auf Anhieb gut verstanden haben und auch anfangs im Hotel zusammen gelebt haben. Mit Danny Blum hab ich in Kaiserlautern zusammen in der Jugend, sowie ein Jahr hier in Sandhausen gespielt, habe aber nicht so engen Kontakt wie zu den beiden anderen. Patrick Fabian vom VfL Bochum kenne ich ansonsten noch sehr gut.

Unsere Tugenden sind in Bochum jetzt gefragt

Wie schätzen Sie den kommenden Gegner VfL Bochum ein?
Linsmayer:
Die Bochumer haben vor der Saison auch nicht damit gerechnet im Abstiegskampf zu stecken. Daher ist das eine gefährliche Situation. Sie haben zuletzt in Dresden kurz vor Schluss gewonnen und wissen mittlerweile auch, worauf es ankommt. Darüber hinaus verfügen sie über individuelle Klasse und sind ein unangenehmer Gegner, wenn wir sie ins Rollen und Spielen kommen lassen wie es uns gegen den KSC passiert ist. Daher müssen wir unsere Tugenden wie gesagt wieder an den Tag legen.

Vorfreude auf einen positiven Saisonausklang beim HSV

Was waren Ihre bisherigen Saisonhighlights? Worauf freuen Sie sich noch?
Linsmayer:
Das Pokalspiel gegen Mönchengladbach war schon ein Highlight, aber auch die Heimspiele gegen den Hamburger SV und den VfB Stuttgart, als wir auch kämpferisch starke Spiele abgeliefert haben und die Zuschauer super mitgegangen sind. Ich hoffe, dass wir die nächsten Spiele wieder die Kurve kriegen und Punkte holen. Besonders freue ich mich auf den letzten Spieltag in einem ausverkauften Stadion in Hamburg, wo wir hoffentlich einen positiven Saisonausklang feiern können.

Großes TV-Interesse am Fußball hat abgenommen

Sie sind für Ihre Vereinstreue bekannt. Eine enge Beziehung dürfte auch noch zu Ihrem Heimatklub 1. FC Kaiserslautern bestehen, der in den 90ern zu besseren Zeiten noch in der Champions League spielte, wo jetzt der finanzstarke RB Leipzig spielt. Wie sehen Sie die Entwicklung im Fußball?
Linsmayer:
Als Außenstehender ist es schwierig. Aber es ist leider so, dass der Fußball kommerzieller wird, und ich merke auch an mir, dass das ganz große Interesse etwas absinkt im Vergleich zu früher, als ich tagtäglich mir Fußball im Fernsehen angeschaut habe. Teilweise werden auch Ligaspiele in verschiedenen Ländern ausgetragen oder Spieltage werden zerstückelt, was ich fragwürdig finde. Aber einem Verein wie Leipzig muss man zugute halten, dass nicht Weltstars zusammengekauft wurden, sondern man sich kontinuierlich aus der vierten Liga nach oben gearbeitet hat. Unabhängig vom vorhandenen Kapital braucht man auch die richtigen Leute, die wissen, wie sie mit dem Geld umgehen können und das macht Leipzig beispielhaft vor.

Fotos: Kraichgausport und BWA

Nachdenklicher Linsmayer

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