„Die Sinne sind geschärft“

In welche Richtung geht es für Matarazzo & Co.?

Es scheint inzwischen Tradition zu sein, dass sich bei der TSG Hoffenheim in der zweiten Saisonhälfte ein kräftiger Durchhänger einschleicht und die Geduldsprobe der Anhänger auf eine hohe Belastungsprobe gestellt wird – so auch in dieser Saison. Das magere und enttäuschende 1:1 am letzten Spieltag beim Karnevalskick gegen die närrischen Kölner war bereits die siebte sieglose Partie der Kraichgauer, denen anscheinend immer in einer richtungsweisenden Phase der Saison die Luft auszugehen scheint. Ob es an der fehlenden Einstellung, der nötigen Motivation oder den undefinierbaren Zielen und Ansprüchen liegt, ist schwer ergründbar.

Leistungen und Erträge entsprechen nicht den Erwartungen

Auch wenn sich diese Sieglosserie tabellarisch in dieser etwas verrückten Saison nicht so sehr auswirkt und man als Achter trotz nur eines Sieges aus 13 Spielen – darunter drei Unentschieden gegen die Kellerkinder aus Mainz, Darmstadt und Köln – immer noch in greifbarer Nähe zum internationalen Wettbewerb befindet, entsprechen Leistungen und Erträge nicht den Erwartungen.

Die Nerven der TSG-Profis sind gereizt, wie diese Szene aus dem Köln-Spiel verdeutlicht

Zuschauerinteresse lässt stark nach

Eine Quittung für den ausbleibenden Erfolg sind die enttäuschenden Zuschauerzahlen, die abgesehen von zahlreichen Gästefans, immer mehr unter der 20.000er Marke tendieren. Aktuelles Beispiel: Zieht man die rund 5.000 Karnevalisten aus der Domstadt am Faschingssonntag von der offiziellen Zuschauerzahl ab, so kamen lediglich ca. 18.000 Hoffe-Sympathisanten in die über 30.000 Plätze fassende Sinsheimer Arena am Technik-Museum. Zuvor kamen insgesamt gegen Heidenheim 20.120, gegen Darmstadt 18.125, gegen Bochum 16.023 und Mainz 22.000 Zuschauer.

Redebedarf war angesagt

Die Geduld der treuen, leidgeprüften Stehplatzfans in der Südkurve wird immer mehr auf eine harte Probe gestellt. „Wir wollen euch kämpfen sehen“, tönte es nach dem Abpfiff des schmeichelhaften Remis gegen die Rheinländer von den Rängen. Kapitän Oliver Baumann und Co. war die Situation schnell bewusst und so begab sich die gesamte Mannschaft zum Rapport an den Zaun. Auch wenn TSG-Profi Grischa Prömel anschließend in der Mixed-Zone der Frage auswich, was in der Kurve besprochen wurde („Das bleibt zwischen der Mannschaft und den Fans“) war wenig später Baumann an gleicher Stelle gesprächiger: „Es ging darum, dass wir zusammenbleiben, dass wir kämpfen, dass sie kämpfen und wir es am Ende gemeinsam zum Kippen bringen und gemeinsam schaffen.“

Für Grischa Prömel (li.) gibt es keine einfachen Gegner in der Bundesliga

Den Blick nach unten nicht außer Acht lassen

Man sollte die komfortable Tabellensituation nicht überbewerten und sich vor Augen halten, dass es auch ganz schnell in die andere Richtung gehen kann. Die vergangene Saison dient dabei als Anschauungsunterricht, wo man am Ende der Halbserie sich nicht vorstellen konnte bis zum Ende im stressigen Abstiegskampf ums Überleben zu kämpfen. Nicht auszudenken, wo die Blau-Weißen ohne ihres starken ersten Saisondrittels tabellarisch jetzt stehen würden. Punktmäßig liegen zwischen Rang 8 und 15 nur sechs Zähler bzw. zwei Siege. Ohne allzu negativ zu denken, aber bei einem Sieg des Tabellenfünfzehnten aus der Bundeshauptstadt am nächsten Spieltag in Sinsheim würde der Punktabstand auf nur noch drei Zähler zusammenschmelzen.

„Defensiv war es gegen Köln ein Schritt in die richtige Richtung!“

Grischa Prömel mit Rückblick auf das Köln-Spiel

Für Prömel war der Punkt gegen Köln zwar zu wenig und die Enttäuschung groß, aber dennoch wollte der Mittelfeldspieler nicht alles schlecht sehen: „Die Kölner haben es uns auch schwergemacht. Wir haben in den vergangenen Wochen den Fokus daraufgelegt, dass man nicht immer so viele Gegentore bekommt. Das ist uns auch gegen Köln nicht gelungen, aber zumindest war es ein Schritt nach vorne.“ Auf die kritische Frage von bwa-sport.de, warum das Spiel so ideenlos, harmlos, die Spielweise verunsichert wirke, entgegnete der 29-Jährige: „Köln ist auch keine Mannschaft, die man im Vorbeigehen wegschießt. Wir arbeiten daran, mehr können wir nicht machen.“

Kapitän Oliver Baumann versucht zu beschwichtigen. Der dienstälteste TSG-Profi hat schon so manche Negativphase mit dem Verein durchlaufen.

In der Bundesliga ist es gegen jeden Gegner schwer Torchancen herauszuspielen!“

Prömel zur bislang schwachen Auswärtsbilanz

Auf die Feststellung, dass die Rheinländer erst einen Auswärtssieg und nur fünf Tore auf des Gegners Platz erzielten, sagte er gebürtige Stuttgarter: „In der Bundesliga ist es gegen jeden Gegner schwer, Torchancen herauszuspielen. Köln hat es auch vor einer Woche den Frankfurtern beim 2:0-Sieg schwergemacht.“

Es fehlt an den entscheidenden Momenten und der Überzeugung

Prömel glaubt an sein Team: „Wir als Mannschaft hauen alles rein, ich glaube nicht, dass es einen gibt, der aufs Feld rausgeht und sagt, wir spielen heute mal entspannt Bundesligafußball. Was uns derzeit fehlt sind die entscheidenden Momente und die Überzeugung vorne in der Box cool zu bleiben und das Ding reinzumachen. Es fehlt am nötigen Selbstvertrauen aufgrund der Sieglosserie. Dies kann man sich nur durch Trainingsarbeit wieder erarbeiten.“

Bezeichnende Szene fürs nächste Heimspiel gegen Union Berlin: Brust raus und durch

„Ich weiß nicht, was hier der Anspruch ist?“

Prömel zur Situation in Hoffenheim

Auf die Frage, ob die Mannschaft nicht über das Potenzial verfüge, um weiter oben mitzuspielen meinte er: „Wir sind jetzt zwei Punkte hinter dem siebten Platz. Ich weiß nicht, was hier der Anspruch ist?  Fakt ist, dass wir hinter den Erwartungen und viele Spieler unzufrieden sind. Ich zähle mich genauso dazu. Trotzdem sind wir noch in einer ordentlichen Ausgangsposition. Es ist nicht so, dass man in einer ähnlichen Situation wie in der vergangenen Saison ist. Alle Sinne sind geschärft, es geht nur gemeinsam. Der gesamte Verein muss wieder gemeinsam in eine Richtung denken, die Energie bündeln. Das hat uns in der vergangenen Saison stark gemacht.“  

Hoffe-Fans feuern ihr Team an
Halbleere Ränge in der Sinsheimer PreZero-Arena sind keine Seltenheit mehr

Das Warten, dass es endlich kippt

Für Kapitän Baumann war das Remis gegen Köln besonders ärgerlich: „Wir haben keinen Torschuss aus dem Spiel heraus zugelassen und alles wegverteidigt. Es war stabil und kontrolliert, vor allem in der ersten Hälfte. Es benötigt derzeit viel Arbeit, dass es wieder kippt. Dennoch müssen wir ruhig bleiben, dürfen nicht nervös werden und dennoch kritisch sein. Eigenverantwortung ist wichtig und immer ans Limit zu gehen. Was uns fehlt ist die Leichtigkeit und Durchschlagskraft.“

Es wäre jetzt aber völlig falsch alles niederzureden!“

Kapitän Oliver Baumann über die sportliche Situation

Für den Hoffenheimer Rekordspieler gibt es nur ein Mittel, um wieder in die Erfolgsspur zu gelangen: „Wir müssen weiter hart arbeiten, viel investieren und Eigenverantwortung übernehmen, dann bringen wir das Ganze wieder zum Kippen. Es fühlt sich nicht mega geil an, ist aber auch nicht mega schlecht, auch wenn der Anspruch ein anderer ist. Es wäre jetzt aber völlig falsch alles niederzureden, auch wenn ich normal einer bin, der kritisch ist.“

Für Hoffe-Coach Matarazzo wird die Luft nach jedem ausbleibendem Sieg immer dünner

Nur noch eine Frage der Zeit

In der aktuellen Situation ist Selbstkritik kein schlechter Ratgeber, wenn auch die Beteiligten viel lieber über die positiven Aspekte reden möchten. Cheftrainer Pellegrino Matarazzo richtet den Blick positiv voraus: „Im Defensivverhalten war es ein Schritt nach vorne. Im Offensivverhalten ist es unser Anspruch mehr zu kreieren, mehr Eins-gegen-Eins-Duelle zu gewinnen. Wir stecken unsere Köpfe nicht in den Sand und werden dafür arbeiten, dass wir im nächsten Spiel gegen Union die drei Punkte hier behalten. Es ist eine Frage der Zeit, wann wir den Bock endlich umstoßen.“

Die Spielregeln sind klar

Aber Rino gibt auch zu verstehen, was in ihm in so einer unbefriedigenden Phase vorgeht: „Das Ganze ist bitter, Frust und Wut entstehen.“ Um diese nicht weiter zusätzlich aufkommen zu lassen, bedarf es einem Befreiungsschlag, der gegen die Köpenicker überfällig ist. Die größte Baustelle für Matarazzo und sein Trainerteam ist es jetzt die nötige Energie zu erzeugen, um die richtige Stabilität zwischen kontrollierter Defensive und der nötigen Durchschlagskraft in der Offensive zu finden. Bei weiter ausbleibendem Erfolg weiß der Italo-Amerikaner allzu gut, wie die Spielregeln im Profifußball funktionieren.

Fotos: Kraichgaufoto

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